TTIP: Auch die Chancen sehen

Floß. „Man hört immer nur Bruchstücke und keiner kennt sich so richtig aus“, sagte der Ortssprecher des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Markus Schieder, zur Eröffnung des 81. Floßer Aschermittwochs. Gemeint waren die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP. Für Aufklärung sollte Rechtsanwalt und Diplom-Agraringenieur Guido Seedler vom Deutschen Raiffeisenverband sorgen.

Von Benedikt Grimm

„Wir Kreisobmänner des BBV sehen sowohl Chancen als auch Risiken“, fasste Kreisobmann Josef Fütterer die Haltung des Verbandes zu TTIP zusammen. Man sei nicht grundsätzlich gegen die Verhandlungen, spreche sich aber vehement gegen ein Aufweichen der bestehenden Standards aus. In Anbetracht dessen, dass sich sogar die Bundestagsabgeordneten nur unter strengen Geheimhaltungsvorschriften einlesen dürften, könne man aber befürchten, „dass Schlimmes auf uns zukommt“. Referent Seedler zeigte zu Beginn seines Vortrags eine Karikatur der Titanic, die auf einen harmlos aussehenden Mini-Eisberg mit der Aufschrift „TTIP“ zusteuert. Auch er könne zum momentanen Zeitpunkt die Frage nach einem möglichen „dicken Ende“ des Eisbergs nicht beantworten. Momentan stünde auch noch nicht fest, ob das Abkommen am Ende wirklich abgeschlossen werde. „Ich gehe aber davon aus“, sagte Seedler. Durch den Präsidentschaftswahlkampf in den Vereinigten Staaten, die gegebenenfalls erforderlichen Übersetzungen des Vertragswerkes und die Abstimmungen in den verschiedenen Parlamenten sei aber frühestens in zwei oder drei Jahren mit einem Inkrafttreten zu rechnen.

Fütterer
Josef Fütterer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes

Eigentlich nichts Neues…

Seedler zeigte zunächst die Faktenlage auf. Globalisierung sei nichts anderes als ein Prozess zunehmender Verflechtung. „Das hat vor 700 Jahren schon Marco Polo gemacht“, verglich der Jurist. Außerdem habe die Europäische Union bereits mit 154 Staaten Freihandelsabkommen geschlossen. Auch das sei also nichts Neues. Für die Agrarbranche sei der EU-Markt der bedeutendste. Von insgesamt 66 Milliarden Euro deutscher Agrarexporte gingen nur 1,6 Milliarden in die USA. Auf den europäischen Markt bezogen beliefen sich die Ausfuhren in den US-Markt im Jahr 2013 auf 15,4 Milliarden Euro. Gefragt seien vor allem Olivenöl, Wein, Obst und Käse. Die Einfuhren aus den USA, die sich vorwiegend aus dem Import von Rindfleisch und Futtermitteln zusammensetzen, summierten sich auf 9,8 Milliarden Euro. Daraus leitete Seedler ein weiteres Fazit ab:

Agraraußenhandel ist wichtig für die Wertschöpfung in Deutschland, die USA stehen derzeit aber nicht im Fokus.

… nur größer

Sollte TTIP kommen, würde die größte Freihandelszone der Welt entstehen, in der 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes erzeugt würden. Das Abkommen solle den Marktzugang durch den Abbau von Zöllen und den Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse erleichtern. Letzteres betrifft die Angleichung von Umwelt-, Sicherheits- und Hygienestandards. Darunter falle etwa auch das oft zitierte „Chlorhühnchen“ in den USA. Der Deutsche Raiffeisenverband wünsche sich eine sachliche Debatte. „Jeder hat schon mal in einem Schwimmbad geplantscht und ist dabei untergetaucht“, verglich Seedler bezüglich der Auswirkungen von Chlor. Die Diskussion solle aufmerksam und fair geführt werden. Die EU-Kommission wolle verhindern, dass die Qualitätsstandards gesenkt werden und etwa hormonbehandeltes Fleisch eingeführt werden kann. „Das setzt sich auch durch. Es wird zu keiner Einschränkung kommen“, betonte der Referent seine Einschätzung.

Chancen sehen, Risiko streuen

Man müsse auch die Amerikaner verstehen, „wenn immer gesagt wird, dass wir so hohe Standards haben und dann bei VW mit dem Abgasskandal sowas rauskommt“, gab Seedler zu bedenken und bat mehr auf die Chancen von TTIP zu achten. Der DRV sehe es grundsätzlich positiv, dass neue Absatzmärkte und der kaufkräftige US-Markt erschlossen werden könnten. Damit könnte auch das Risiko besser gestreut werden, etwa was den Wegfall des russischen Marktes oder die Konjunkturschwäche in China betreffe. Bei der Diskussion gab Kreisobmann Fütterer zu bedenken, dass sich die USA im Falle eines Scheiterns von TTIP wohl sehr schnell an China wenden würden, um ein transpazifisches Freihandelsabkommen in die Wege zu leiten.

Floßer Aschermittwoch
Rechtsanwalt Guido Seedler plädierte in seinem Referat „TTIP – Positionen und Erwartungen für Agrarhandel und Agrarwirtschaft“ für eine faire Diskussion und die Berücksichtigung der Chancen des Freihandelsabkommens. Rund 150 Gäste aus Politik und Landwirtschaft waren gekommen.

Bilder: B. Grimm

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