Das Grauen nicht vergessen

Flossenbürg. Am Sonntag, 22. April gedenkt man in Flossenbürg zum 73. Mal der Befreiung des Konzentrationslagers durch die US-Armee. Mit dabei sind auch einstige Häftlinge, deren Angehörige und Ministerpräsident Markus Söder.

Von Udo Fürst

Flossenbürg Gedenkstätte Gedenktag

Es ist eine surreale Welt, die sich dem Besucher auftut, betritt er das einstige Konzentrationslager. Kalt und steril empfängt die Gedenkstätte ihre Gäste – wie ein großer Friedhof eben. Etwa 84.000 Männer und 16.000 Frauen aus über 30 Ländern waren zwischen 1938 und 1945 im KZ Flossenbürg und seinen Außenlagern inhaftiert. An das unvorstellbare Grauen jener Zeit erinnern heute erstaunlich bescheiden knapp ein Dutzend steinerner Gedenkkreuze, eine Kapelle, die jüdische Gedenkstätte und Wachtürme. Intensiver wird es im „Tal des Todes“, dort wo die Nazischergen Tausende Menschen ermordeten und ihre sterblichen Überreste verscharrten. Wenige Meter vom heutigen Platz der Nationen und dem Aschehügel entfernt liegt das Krematorium, unscheinbar an einen Hang geschmiegt – ein weiteres Zentrum des Schreckens. Von oben führt ein Gleis in das Gebäude – hierhin wurden die Leichen in einer Lore transportiert. Man braucht nicht allzu viel Fantasie, um die Hoffnungslosigkeit und Angst der Todgeweihten greifbar werden zu lassen.

Mehr als 25.000 Menschen mussten in den sieben Jahren in Flossenbürg ihr Leben lassen: erschossen, erschlagen, entkräftet und dann verbrannt. Am 23. April 1945 erreicht die US-Armee das KZ Flossenbürg. Sie fand 1.500 schwerkranke Menschen vor. Die meisten Gefangenen waren zu diesem Zeitpunkt auf einem der Todesmärsche. Die letzten von ihnen wurden erst am 8. Mai von alliierten Truppen befreit. Neben Tausenden von Häftlingen aus den kurz zuvor geräumten Lagern Groß-Rosen und Buchenwald verschleppte die SS auch „Sonderhäftlinge“ nach Flossenbürg. Einige von ihnen wurden gezielt umgebracht, darunter auch Pfarrer Dietrich Bonhoeffer.

KZ Gedenkstätte Flossenbürg
Auf dem Ehrenfriedhof in der Gedenkstätte liegen etwa 5.500 ehemalige Häftlinge, die auf den Todesmärschen ihr Leben lassen mussten. Fotos: Fürst

Nach 1945 wurden weite Teile des ehemaligen KZ-Geländes gezielt nachgenutzt, zerstört und bebaut. Auf einem kleinen Areal befindet sich seit 1946 die KZ-Gedenkstätte, eine der ältesten Europas. Sie wurde Ende der 1950er Jahre durch eine Friedhofsanlage und 1985 durch eine kleine Ausstellung ergänzt. Erst seit wenigen Jahren ist der ehemalige Appellplatz, der über fünf Jahrzehnte als Industrieareal genutzt wurde, wieder Bestandteil der Gedenkstätte.

Die Wiederentdeckung des europäischen Erinnerungsortes ermöglichte 2007 die Eröffnung der Dauerausstellung „Konzentrationslager Flossenbürg 1938-1945“ in der ehemaligen Wäscherei. 2010 wurde die zweite Dauerausstellung „Was bleibt – Nachwirkungen des Konzentrationslagers Flossenbürg“ in der ehemaligen Lagerküche eröffnet.

73 Jahre nach der Befreiung – Erinnerungen dennoch präsent

Am Sonntag, 22. April um 14 Uhr lädt die KZ-Gedenkstätte zum feierlichen Gedenkakt aus Anlass des 73. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers ein. 15 ehemalige Häftlinge aus Polen, der Ukraine, Italien, Belgien, Israel, Slowenien, Österreich, Deutschland, Tschechien, Großbritannien und Schweden werden zu den Feierlichkeiten anreisen, viele von ihnen in Begleitung ihrer Kinder und Enkel. Mehr als 100 Angehörige werden erwartet. Daneben gedenken zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland der Befreiung des KZ durch amerikanische Truppen am 23. April 1945. Es sprechen Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte, Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Ministerpräsident Markus Söder sowie Helen Albert und Sarah Champness, Tochter und Enkelin des ehemaligen Flossenbürg-Häftlings Oscar Albert.

Trotz des zeitlichen Abstandes nimmt die Zahl der Teilnehmer am Gedenkakt weiter zu. Es gibt keinen Überdruss an der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus, sondern ein ungebrochenes, ja sogar deutlich ansteigendes Interesse“

weiß Jörg Skriebeleit. Das Treffen der ehemaligen Häftlinge wird von einer internationalen Jugendbegegnung begleitet. 37 junge Menschen aus neun Ländern nehmen daran teil. Höhepunkte sind die Gespräche mit ehemaligen Häftlingen und ihren Angehörigen. Auch in Schulen der Region finden Gespräche mit Überlebenden statt.

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