Jugendtrainer droht Spielern: “Ich mache euch das Leben zur Hölle”

Tirschenreuth. Drei Spieler erstatteten Ostern 2022 Strafanzeige gegen ihren Fußballtrainer. Der Vorwurf: sexuelle Übergriffe. Ein Jahr lang standen sie in ihrem Heimatort als Verräter da. Jetzt wendet sich das Blatt.

Symbolfoto: Pixabay

Vor dem Amtsgericht Tirschenreuth muss sich seit Dienstag ein früherer Jugendtrainer (25) eines Fußballvereins im Landkreis Tirschenreuth verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in den Jahren 2019 bis 2022 drei Spieler bei mindestens zwölf Gelegenheiten unsittlich angefasst zu haben. Er bestreitet die Vorwürfe. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Markus Fillinger ist deshalb in eine umfangreiche Beweisaufnahme eingestiegen.

Dabei zeigt sich: Für den 25-jährigen Lehramtsstudenten wird es eng. Ihm droht eine Haftstrafe. Es zeigt sich aber auch, dass der Verein nicht angemessen reagiert hat, als die polizeilichen Ermittlungen begannen. In der Folge spielte der Tatverdächtige weiter für die erste Mannschaft. Die Anzeigeerstatter mussten sich einen neuen Verein suchen.

“Ich mache dir das Leben zur Hölle”

Damit trat genau das ein, was der Angeklagte den mutmaßlichen Opfern gedroht hatte. “Er hat gesagt: Ich mache dir das Leben zur Hölle. Ich nehme dir alle Freunde. Ich sorge dafür, dass du gehasst wirst”, berichtet ein heute 19-Jähriger. Zur Tatzeit war er 16. Er übernachtete 2019/2020 immer wieder im Bett des Trainers. Jedes Mal sei er davon aufgewacht, dass ihm dieser am Geschlechtsteil manipulierte. “Ich wollte das auf jeden Fall nicht. Aber ich hatte Angst, dass seine Drohungen wahr werden.”

Als er den Verein wechseln wollte, wurde aus des Trainers Liebling plötzlich ein Geächteter. Der 16-Jährige wurde nicht mehr aufgestellt, auf dem Platz vor allen anderen heruntergeputzt. Das bestätigen im Zeugenstand Mitspieler und der Co-Trainer. Dieser ist mit dem Angeklagten seit Kindertagen befreundet: “Ich bin erschrocken, als der Spieler plötzlich nicht mehr in der Startelf war. Vom Niveau her gehörte er dahin.”

10.000 WhatsApp-Nachrichten in vier Monaten

Das war 2020. Der junge Mann ging. Und schwieg. In die B-Jugend kamen neue Spieler – und laut Anklage damit auch neue Opfer. Mindestens zwei Jugendliche sollen 2021/2022 das gleiche Schicksal erlitten haben wie ihr Vorgänger. In allen Fällen fing es harmlos an. Ein NBA-Basketballspiel, ein Playstation-Abend oder die beliebten Mannschaftspartys, die der Trainer zuhause feierte, wenn seine Eltern auf Geschäftsreise waren. Wenn es später wurde, bot er einzelnen Spielern die Übernachtung an. Deren arglose Eltern stimmten zu.

Auch gegenüber diesen beiden Jungen übte der Trainer psychischen Druck aus. In diesem Fall ist dieser sogar belegt. Ein Beweismittel ist der WhatsApp-Chat mit einem damals 15-Jährigen: Der zehn Jahre ältere Trainer schrieb ihm rund 10.000 Nachrichten innerhalb von vier Monaten. Er nannte ihn „Schatzi“, sprach vom Duschen. Er solle sich bei ihm rühren, endlich wieder bei ihm übernachten. Auf die direkte Gegenrede, dass er ihn bei den letzten Übernachtungen am Penis angefasst habe, wich er aus. Das sei im Schlaf passiert. Als sich der Spieler weiter sperrte, drohte er ihm: „Wir werden Todfeinde sein.“

Eltern enttäuscht von Reaktion des Vereins

Dieser Junge zeigte den Chat schließlich seinen Eltern, die aus allen Wolken fielen. Der Vater recherchierte und stieß auf die beiden weiteren Geschädigten. Am Ende ging er mit den drei Jugendlichen zur Polizei Kemnath und erstattete Anzeige. Der Vater informierte am Ostersonntag 2023 auch sofort den Verein. Er ist bis heute enttäuscht von der Reaktion. “Der Schutz der Kinder hätte breiter aufgestellt werden können”, sagt der 46-Jährige vor Gericht. Das letzte Jahr war ein Spießrutenlauf für die Anzeigeerstatter.

Tatverdächtiger spielte weiter

Der Student dagegen durfte auf Beschluss der Vorstandschaft zwar nicht mehr Trainer sein. Aber er ging weiterhin auf dem Vereinsgelände ein uns aus. Er spielte auch bald wieder in der ersten Mannschaft. Der Spartenleiter muss sich im Zeugenstand unangenehme Fragen stellen lassen. Richter Fillinger legt ihm ein Foto von einem Auswärtssieg im Oktober 2022 vor: “Wenn Sie sagen: Er nahm am Spielbetrieb nicht teil. Wieso steht er dann da?” Der Spartenleiter räumt ein, dass man bei Auswärtsspielen eine Ausnahme gemacht habe. Das Betretungsverbot des Landratsamtes Tirschenreuth habe ja nur für den eigenen Sportplatz gegolten.

Er selbst war begeistert von den Trainerqualitäten des 25-Jährigen: “Für mich war das der kommende Mann. Er war beliebt in den Teams, hat viel auch neben dem Platz mit den Jugendlichen unternommen.” Außer dem Betretungsverbot gab es während der polizeilichen Ermittlungen auch ein Kontaktverbot. Dennoch traf sich der Tatverdächtige weiter mit Spielern der B-Jugend.

“Schleicht’s eich”

Die Jugendlichen mussten sich neue Vereine suchen. Dem Gericht liegen Gruppenchats der B-Jugend vor, in denen die Anzeigeerstatter übel beschimpft werden. “Verpisst euch.” “Raus mich euch.” “Schleicht’s eich.”

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