Prozess wegen Totschlags: “Du musst ihn jetzt schlagen!”

Weiden. Tag zwei im Prozess um den Tod des neunjährigen Maximilian im Jahr 2014. Angeklagt ist der damalige Nachbar des Jungen, der sich auch um das Kind kümmerte. Er soll Maximilian so heftig geschlagen haben, dass der daraufhin an einer Hirnblutung starb. Heute wurde die Mutter zu dem Vorfall befragt. Sie hatte monatelang angegeben, dass ihr Sohn gestürzt sei. 

Von Yvonne Sengenberger

Verhandlung Totschlag Maximilian

Bevor das Schwurgericht, der Staatsanwalt und die Verteidiger die Mutter des damals neunjährigen Jungen, Maximilian, befragen, werden erst einmal der Oberarzt des Bezirksklinikums Wöllershof, Dr. Vitaly Lifschitz und die Sachverständige Dr. Elena Jundina gehört. Beide bestätigten, dass Manuela K. psychisch labil ist. Laut Dr. Lifschitz war sie in Wöllershof unter anderem wegen Suizidgedanken in Behandlung.

Dr. Elena Jundina erklärt, dass die Angeklagte durchaus vernehmungsfähig sei. Außerdem läge keine Persönlichkeitsstörung vor. “Dafür müssen drei von sechs Kriterien zutreffen. In der Kindheit und Jugend muss die Störung zum Beispiel bereits aufgetreten sein. Das ist bei Frau K. nicht der Fall.” Trotzdem verliere Manuela K. oft den roten Faden. Manchmal könne sie sich an die Frage nicht erinnern. Sie versuche auch durch Mimik, wie einem Lächeln selbst bei traurigen Themen die Fassung zu wahren.

Sie wirkte gefasst. Lächelte ab und zu.

Das merkt man der Mutter des verstorbenen Kindes auch während der Vernehmung an. Sie wirkt gefasst. Lächelt ab und zu. Dann berichtet sie von der folgenschweren Nacht.

Ich habe am Abend ein lebendes Kind verlassen und am Morgen ein totes Kind gefunden!

Der zeitliche Ablauf wird während der Verhandlung nicht ganz klar. Ihr Sohn sei im Badezimmer eingeschlossen gewesen, erst in der Wohnung von Oliver H. später in ihrer Wohnung. Er habe Strafarbeiten schreiben müssen. Die Rede ist erst von zwölf dann von 36 Stunden, die der Junge im Bad verbrachte. 36 Stunden ohne Schlaf und ohne etwas zu essen. 36 Stunden lang soll der Junge immer den gleichen Satz schreiben. Eine Tortur. Zwischendurch hatte Maximilian das Badezimmer auch einmal verlassen, aber nur für höchstens zwei Stunden. Der Angeklagte habe sie gezwungen, ihren Sohn zu schlagen. “Du musst ihn jetzt schlagen! Er hört nicht auf dich!”, habe Oliver H. gesagt.  Wann das war oder warum sie ihn schlagen sollte, konnte Manuela K. nicht mehr sagen. “Da sind so viele Lücken!”.

Manuela K. hört Schmerzensschreie

Irgendwann habe der Angeklagte sie aus dem Bad geschoben. Sie sei aus der Wohnung gegangen. Warum oder was vorgefallen sei, wisse sie nicht mehr. Mit Oliver H.s Sohn auf der Treppe gesessen. Der habe sie getröstet. Sie habe Maximilian schreien hören – Schmerzensschreie. Auch sein Peiniger habe geschrien. Sie habe viele, heftige dumpfe Schläge gehört. Außerdem glaube sie, der Angeklagte habe ihren Sohn mit heißem Wasser abgeduscht. Als sie ins Bad kam stand Maximilian in Unterhemd und Unterhose da. Er war nass. Wenn sie von ihrem Sohn erzählt, spricht Manuela K. so gut wie nie in der Vergangenheit.

Der Vorsitzende Richter Walter Leupold will wissen, was sie im ersten Moment dachte, warum ihr Sohn verstorben ist. Eine klare Antwort bekommt er nicht. Auch die beiden Verteidiger fragen weiter nach: Warum blieb sie so lange bei der Geschichte, dass ihr Kind in der Dusche ausgerutscht sei? “Ich hatte Angst!” Sie hatte Angst vor Oliver H. Er habe sich als Super-Papa dargestellt. Er habe immer wieder betont, dass es richtig war, wie er mit Maximilian umgegangen war. Der Angeklagte habe sie nach dem Vorfall ins Gebet genommen. Sie unter Druck gesetzt. Immer wieder angerufen. Sie solle nicht noch eine Familie zerstören. Sie wollte nicht, dass der “kleine Maxi” seine Familie verliert. Außerdem habe sie sich geschämt, weil sie versagt habe.

Neun Stunden von der Polizei vernommen

Erst, als sie die Obduktionsergebnisse vorgelegt bekam und sie Gewissheit hatte, habe sie ihre Geschichte geändert. Die Verteidigung will wissen, warum sie in der langen Vernehmung durch die Polizei – die dauerte neun Stunden – erst ziemlich spät den Angeklagten beschuldigte. Obwohl ihr die Beamten mehrmals gesagt hatten, dass sie nicht gegen sie ermitteln würden, sondern gegen Oliver H.. Dennoch dauerte es Stunden, bis die “Schale aufbrach”. Darüber wundern sich Gericht und Verteidigung.

Weil ich es meinem Sohn schuldig war. Dass ich die Wahrheit sage!

* Diese Felder sind erforderlich.