Gelebte Integration: Wie ein Verein aus der Not eine Tugend macht
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Gelebte Integration: Wie ein Verein aus der Not eine Tugend macht
Tirschenreuth. Der FSV Tirschenreuth praktiziert vorbildliche Integration und wird mit der Meisterschaft in der Fußball-A-Klasse belohnt. Mehr als 20 anerkannte Flüchtlinge kicken hier gemeinsam mit Tschechen und Deutschen. Jürgen Rieger, Tobias Stilp und Herbert Sladky haben die Erfolgsgeschichte geschrieben.
Von Udo Fürst
Freitag, 18 Uhr auf dem Sportplatz des FSV Tirschenreuth: Nach und nach treffen die Spieler des frischgebackenen A-Klassenmeisters zum Training ein. An und für sich nichts Besonderes bei einem Fußballverein. Beim FSV ist es das aber sehr wohl. Der Großteil der Kicker heißt hier nicht Müller, Meier oder Huber, sondern Nasir Omer, Gebre Sisay und Mohamed Abdul Kader – und sie kommen aus Eritrea, Äthiopien und dem Irak.
Die Rettung für den Verein
Mindestens acht der elf Spieler sind Flüchtlinge, die Trainer Tobias Stilp jedes Wochenende auf den Platz schickt. Circa 20 Fußballer aus Nordafrika und Asien tummeln sich in jedem Training auf dem vereinseigenen Sportgelände am Rand der Kreisstadt. Dabei stand der Verein vor zwölf Monaten noch kurz vor dem Abgrund. Man hatte einen Absturz von der Bezirksliga bis in die unterste, die A-Klasse, hinter sich und kaum noch Spieler.
Es war eine glückliche Fügung und zwei Männer, mit denen die Wende kam: Herbert Sladky kehrte als Vorsitzender zurück und Jürgen Rieger vermittelte mit seiner Frau, die beim Jugendamt arbeitet, dem Verein eine ganze Reihe junger Asylbewerber, die natürlich glücklich waren, dass sie aus dem Alltagstrott ausbrechen und beim FSV Fußball spielen konnten.
Wir schicken niemand weg,
sagt FSV-Urgestein Tobias Stilp, der sein Traineramt nach der Saison an den tschechischen Keeper Tomas Buric abgeben wird. Schmunzelnd erinnern sich Stilp und Rieger an die Vorbereitung im vergangenen Jahr, als die zusammengewürfelte Multi-Kulti-Truppe teils deftige Packungen kassierte. „Ich dachte, das wird nie was. Wir mussten ihnen fast alles lernen, vom Einwurf bis zur Taktik“, erinnern sich Stilp und der seit Juni 2018 als Spielleiter fungierende Rieger.
Siegserie nach anfänglichen Schwierigkeiten
Nach und nach klappte auch die Kommunikation besser. Viele Akteure sprechen jetzt passabel Deutsch und den Rest erledige er aus einer Mischung aus „Mallorca-Englisch“ und einer Sprache mit Händen und Füßen, sagt der Coach lachend. Die anfängliche Skepsis wich schnell einer erstaunlich positiven Entwicklung der Mannschaft.
In der bisherigen Saison der A-Klasse Ost im Fußballkreis Hof-Marktredwitz ist man noch ungeschlagen, feierte 19 Siege und spielte nur einmal Unentschieden. Mit einem 2:1-Erfolg gegen den TSV Friedenfels II machte der FSV die Meisterschaft perfekt. „Jetzt wollen wir natürlich ungeschlagen bleiben“, gibt Stilp ein klares Ziel vor. Zwei Partien hat das Team noch vor der Brust, dann könnte dieses Husarenstück perfekt gemacht werden.
Sponsoren willkommen
Integration wird beim FSV vorbildlich gelebt – nicht nur sportlich. Jürgen Rieger und sein Team kümmern sich auch außerhalb des Fußballplatzes um die jungen Männer zwischen 18 und 26 Jahren, besorgen für die ausnahmslos anerkannten Flüchtlinge Wohnungen und Arbeit. Dem finanziell nicht gerade auf Rosen gebetteten Verein kostet die Integration auch Geld: Passgebühren, Fußballschuhe, Trainingsanzüge – all das will erst mal bezahlt werden. „Wir haben zwar einige Gönner, aber es sind halt zu wenig. Wir sind auf jeden Cent angewiesen und würden uns freuen, wenn weitere Sponsoren unsere Arbeit honorieren würden“, sagt Herbert Sladky.




