Dr. Bernhardt
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Erich Kästners Große Zeiten in der Eschenbacher Stadtbibliothek

Eschenbach. Chansonnier Johannes Kirchberg begeisterte in der Stadtbibliothek im Musiksaal mit feinem Humor und Liedern nach Erich Kästner. Die Verse: erschreckend aktuell.

Eschenbach. Chansonnier Johannes Kirchberg begeisterte in der Stadtbibliothek im Musiksaal mit feinem Humor und Liedern nach Erich Kästner. Die Verse: erschreckend aktuell.
Mit großer schauspielerischer Überzeugungskraft und Musikalität interpretierte Chansonnier Johannes Kirchberg im Musiksaal des „Eschenbacher Kulturtempels“ Werke von Erich Kästner. Foto: Robert Dotzauer

Erich Kästners Große Zeiten in der Eschenbacher Stadtbibliothek

Im Fall der Kästner-Verse „So groß wie heute war die Zeit noch nie“ und der Chanson-Texte des Kästner-Verehrers Johannes Kirchberg trifft eine Zuschreibung zu, die erschreckend aktuell klingt. Im Musiksaal des restaurierten ehemaligen Vermessungsamtes konnten die Besucher bei vollem Haus den derzeit besten Erich-Kästner-Interpreten erleben.

Auf Einladung der Stadtbibliothek, der Volkshochschule und des Bundesprogramms „Demokratie leben“ präsentierte der aus Leipzig stammende Chansonnier Johannes Kirchberg mit feinem Humor hintergründige Texte und Gedichte seines Lieblingsautors Erich Kästner. Das Motto des Abends „So groß wie heute war die Zeit noch nie“ offenbarte ein Stück Zeitgeschichte und Aktualität gleichermaßen.

Ja – noch immer sind Kästners Werke aktuell, wie sich an diesem Abend im Rahmen der kurzweiligen Bühnenperformance mit Johannes Kirchberg am Piano in Worten, Chansons und Texten herausstellte. Beiträge, die beim „zweimal 47-Minuten-Programm“ unter die Haut gingen und bewegten.

Kästners Warnungen und ihre heutige Relevanz

Schon in den 1930er Jahren beschrieb Kästner eine Gesellschaft, „in der die Dummheit zur Epidemie“ wurde, während warnende Stimmen verspottet und ignoriert wurden. Kirchberg verstand es, mit seinen Vertonungen, seinem Formulieren und seiner Mimik ein Kästner-Porträt zu präsentieren, als sei es erst vorgestern gezeichnet worden.

In seinem Programm fanden sich viele scharfe Beobachtungen des Schriftstellers und auch der Alltagswortschatz wieder: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Das ist für Johannes Kirchberg nicht nur an diesem Abend ein moralischer Kompass, etwa mit Kästners Worten: „Freunde, nur Mut, lächelt und sprecht: Die Menschen sind gut, bloß die Leute sind schlecht“ oder „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern“.

Gedankenanstoß für das Publikum

Mit schauspielerischer Überzeugungskraft erinnerte Kirchberg in Wort und Ton aus Kästners Werken an die Atmosphäre politischer Radikalisierung, wachsender Propaganda mit billigen Optimismus-Parolen, an die Bücherverbrennungen im „Tausendjährigen Reich“ der Nationalsozialisten und an soziale Spannungen, während die Demokratie am Abgrund stand. Fast hundert Jahre später lesen sich die zeitlosen Verse über Liebe, Alltag, Politik und Menschlichkeit wie Gegenwartsereignisse einschließlich zunehmender Fake News. Auf Kästners Spuren zu wandeln, veranlasste am Freitagabend das Publikum zum Nachdenken.

Grammer Solar
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„Wenn ich auch nicht mehr lachen kann, sehe ich mir gerne die Menschen an“, hieß es da, und auch die Beobachtungen vom Kind am Affenhaus im Zoo, die Parabeln über Talente und Charakter, Geschichten aus Professor Burkes Geburtsinstitut, eine Ansprache zum Schulbeginn, das „Aus zwischen Ilse und Erich“ oder ein Hilferuf aus dem Jahr 1943 „Oh Herr, befreit uns vor den Bomben und der eigenen Flak“ animierten zum kritischen Denken.

Vielleicht bewegte die Hommage von Johannes Kirchberg an Erich Kästner auch manchen Besucher dazu, im eigenen Bücherregal nach einem Kästner zu greifen. Verbunden war der literarische Abend mit einer Einladung von Büchereileiterin Sonja Schecklmann und ihrem Team zu einem Gedankenaustausch bei Appetithäppchen und Erfrischungsgetränken.