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Kirchenpingartens stilles Nein zum NS-Regime

Kirchenpingarten. Die Gemeinde und Pfarrei Kirchenpingarten erlebten 1938 Druck durch die Nazis wegen ihres Vereinslebens und einer den Nazis widerstrebenden Wahlhaltung. Heimatforscher Werner Veigl deckte dies durch Pfarrarchive auf.

Kirchenpingartens stilles Nein zum NS-Regime

Das letzte in den Quellen auffindbare Foto von der Jungfrauenkongregation mit Pfarrer Alois Weber vor der Filialkirche St. Ursula in Haidenaab aus dem Jahr 1933. Von 1929 bis 1935 wirkte Pfarrer Weber in der Pfarrei Kichenpingarten. Bild: Wolfgang Hübner

Die Gemeinde, die Pfarrei und die 1918 gegründete Marianische Jungfrauenkongregation in der Pfarrei Kirchenpingarten bekam es 1938 mit den Nazis aus Weidenberg zu tun. Ein längst vergessenes historisches Momentum hat Heimatforscher Werner Veigl in den Pfarrarchivalien entdeckt, hat es erforscht und der Nachwelt überliefert. Wie der 77-jährige Heimatforscher in vielen Beiträgen herausgearbeitet hat, hatte sich in der Gemeinde wie in der Pfarrei in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ein blühendes Vereinsleben entwickelt.

Insbesondere auch bei den kirchlichen Vereinen wie dem Katholischen Burschenverein und der Marianischen Jungfrauenkongregation. Vor allem letztere spielte zum einen in Sachen religiöses und gesellschaftliches Leben und in Sachen Volksfrömmigkeit eine maßgebliche Rolle in der Pfarrei. Zum anderen engagierten sich die Frauen in der ambulanten Krankenpflege wie in der Fürsorge für die von der Front heimgekehrten Kriegsversehrten. Durch praktische und unkomplizierte Hilfe wurde durch die Jungfrauenkongregation versucht, die Not vor Ort zu lindern.

Unterdrückung während der Nazi-Zeit

In den 1930er Jahren wurde es mit zunehmendem Erstarken des Nationalsozialismus jedoch generell still um die kirchlichen Vereine. Die Machtübernahme durch die NSDAP am 30. Januar 1933 bereitete den hoffnungsvollen Aufbruch der katholischen Vereine ein Ende. Das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben in Deutschland änderte sich von Grund auf. Während der Nazi-Zeit musste die Kongregation Beschränkungen und Schikanen hinnehmen. Die katholischen Vereine wurden zunächst aus dem öffentlichen Leben verdrängt und bis 1937 nach und nach verboten. Betroffen war auch der am 14. Juli 1907 gegründete Katholische Burschenverein in Kirchenpingarten.

Am 20. August 1936 schrieben die deutschen Bischöfe in einem gemeinsamen Hirtenwort: “Wir können es nicht begrüßen, dass man unsere katholischen Vereine in ihrer segensreichen Tätigkeit immer mehr behindert und deren Weiterbestand überhaupt infrage stellt. Wir können es nicht begreifen, dass man den Mitgliedern der kirchlichen Vereine, bis zu den Jungfrauenkongregationen, die Zugehörigkeit zu den staatlichen Organisationen verbietet, dass man sogar damit droht, brave Familienväter und ihre Angehörigen ums tägliche Brot zu bringen, wenn sie ihre bisherigen Beziehungen zu den katholischen Vereinen nicht lösen.”

Widerstand in Kirchenpingarten

1938 machte Kirchenpingarten im ganzen Reich von sich Reden. Am 10. April 1938 hatte die Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs an Deutschland stattgefunden. In Weidenberg, einer NS-Hochburg im Landkreis Bayreuth, brachte das gewünschte Ergebnis. Von 866 Wahlberechtigten hatten 861 (99,42 Prozent) mit “Ja” gestimmt. Jedoch wurde am Wahlabend gegen 19 Uhr die Freude über dieses Ergebnis abrupt getrübt, als das Wahlergebnis von Kirchenpingarten bekannt wurde. Dort war aus Nazi-Sicht etwas Ungeheuerliches geschehen: Mit 38 “Nein”-Stimmen gab es dort das schlechteste Ergebnis im Gau Bayerische Ostmark und, wie sich später herausstellte, im ganzen Deutschen Reich.

Die Weidenberger SA-Leute empfanden dies als “nationale Schande”. Sie fühlten sich bemüßigt, den Kirchenpingartner “Verrätern und Lumpen” einen Denkzettel zu verpassen. Es kam zu einer spontanen Aktion der Weidenberger SA. Mit zwei Lastwagen fuhren rund 30 SA-Leute mit ihrem Ortsgruppenleiter R., dem Gemeindekommissar W. und einer Anzahl Nichtparteigenossen gegen 20.30 Uhr nach Kirchenpingarten. Mit Fahne und Marschliedern zog man dort ein. In der Wirtschaft Käß wurde der Kaplan Winter vom Gendarm W. aufgefordert, das Schafkopfen einzustellen und in das Wahllokal zur Vernehmung mitzukommen.

VGN Nürnberg – Phase1
VGN Nürnberg – Phase1

Auch der Bürgermeister Scherm wurde dorthin zitiert. Die Pfarrkirche wurde mit Kot beschmiert. Vor dem Pfarrhof gab es Tumulte: Die Weidenberger SA läutete Sturm, beschimpfte in Sprechchören Pfarrer Geiger als Verräter und forderte ihn zum sofortigen Mitkommen in das Wahllokal auf. Dort wurde er mit seinem Kaplan vom Ortsgruppenleiter eingehend vernommen. Beide Geistlichen versicherten, dass sie keinen negativen Einfluss auf das Wahlverhalten ausgeübt hätten. Mit diesen nach Gestapo-Art durchgeführten Vernehmungen war die Aktion zu Ende.

Konsequenzen und Schweigen

In den Tageszeitungen war weder über das schlechte Wahlverhalten von Kirchenpingarten noch über die Weidenberger SA-Aktion etwas zu lesen. Der Gauleitung lag das schlechte Wahlergebnis gleichwohl schwer im Magen, und so betrieb man Ursachenerforschung. Der Grund für die vielen Nein-Stimmen war schnell gefunden und wäre für die Parteileitung eigentlich voraussehbar gewesen. Schon vor der Wahl hatte Bürgermeister Scherm den Kreisleiter Dennerlein darauf hingewiesen, dass nach der kürzlich erfolgten Auflösung der Marianischen Jungfrauenkongregation und der Beschlagnahme ihrer Fahne hier kein gutes Wahlergebnis zu erwarten sei. Und so kam es dann auch: Die Kirchenpingartner katholischen Volksgenossen erteilten mit ihren Stimmzetteln der Partei dafür die Quittung.