Die richtigen Fragen: Klinikchef Hoffmann zur Lage der Kliniken Nordoberpfalz
Die richtigen Fragen: Klinikchef Hoffmann zur Lage der Kliniken Nordoberpfalz
Wie erklären Sie die wirtschaftliche Schieflage des Klinikums jenseits der Strukturprobleme, die auch andere Kliniken dieser Größenordnung wie die KNO haben?
Hoffmann: Die Problemlage ist bei allen Kliniken unserer Größenordnung ähnlich, größere tun sich da etwas leichter. An den ganz kleinen Standorten geht es derzeit Richtung Ambulantisierung. Die Kliniken Nordoberpfalz (KNO) sind ein großes Haus mit mehreren kleineren Standorten, da dauert die Bereinigung etwas länger. Amberg hat diese kleinen Nebenstationen nicht.
Auch ein politisches Problem, weil jeder Bürgermeister und Landrat vor allem auf seinen Standort schaut?
Die Politik hat manchmal Wünsche, die nicht primär wirtschaftlich sind. Dennoch führte kein Weg daran vorbei, Standorte wie Vohenstrauß und Waldsassen zu schließen. Man versucht jetzt, Gesundheitszentren daraus zu machen, aber es sind eben keine Krankenhäuser mehr. Wobei ich sagen muss, dass die Träger hier ein beeindruckendes Engagement an den Tag gelegt haben. Dass solche Fehlbeträge ausgeglichen werden, findet man selten.
Heißt das im Umkehrschluss, dass die Standorte Kemnath und Tirschenreuth langfristig gesichert sind?
Die Kliniken hängen an der Finanzierung durch die Bundesländer. Wenn die Krankenhäuser so investieren, wie es der gesetzliche Rahmen vorgibt, werden sie überleben. In Kemnath sieht es da ziemlich gut aus, die Bausubstanz ist da noch besser, damit fährt man noch eine Weile ganz gut. Nach Tirschenreuth sind Förderungen in Höhe von rund 20 Millionen Euro gegangen. OP-Trakt, Notaufnahme und Funktionsbereiche wurden komplett modernisiert und ein Ärztehaus gebaut. Das dortige Krankenhaus deckt den Bedarf gut ab, es wird angenommen. Man ist stolz auf die Geburtshilfe, nach dem Motto, „hier werden noch Tirschenreuther geboren“. Die Geburtshilfe hatte im Mai 2021, nach der zwischenzeitlichen Schließung zur Behandlung von Corona-Patienten, in den ersten Wochen bereits 15 Geburten.
Ist es richtig, dass das Klinikum die Corona-Hilfen zur Stabilisierung der Schieflage genutzt hat?
Was dadurch an Co-Finanzierung reingekommen ist, war für große Kliniken wie Weiden ganz in Ordnung. Das hat die durch Corona entstandenen Verluste halbwegs ausgeglichen. Allerdings wurden die Ausgleichszahlungen bemessen am Geschäftsjahr 2019, in dem wir nicht so viele Leistungen erbringen konnten wie gedacht. Deswegen war der Ausgleich auch nur bescheiden. Bei kleineren Häusern haben diese Kompensationen überhaupt nicht gereicht. In Niedersachsen ist eine Strukturreform geplant, bei der 40 Standorte schließen sollen.
Ein Erklärungsansatz für das Defizit, den man immer wieder hört: Schuld sei die Konzentration auf die teure Gerätemedizin – Stichwort Da-Vinci-OP-System – und eine teils üppige Chefarztausstattung wie in der Urologie mit zu wenig Ertrag und Patienten?
Ein Doppelchefarzt wie in der Urologie ist in der Tat eine seltene Konstellation in Deutschland. Einer der beiden wird demnächst wechseln, es wird mit einfacher Besetzung weitergehen. Das Da-Vinci-Operationssystem, ein Roboter-assistiertes Chirurgiesystem, ist eine sehr moderne OP-Technik, die von der Finanzierung derzeit nicht abgedeckt ist. Männer im mittleren Alter können von dieser Technik aber profitieren, weil sie eine sehr schonende Prostata-OP ermöglicht. Aber es sind nicht nur Prostata-Operationen, sondern viel mehr Eingriffe, auch im Bereich der Allgemeinchirurgie möglich. Studien sagen, dass Chirurgen, die mit dem System gut umgehen können, bessere Ergebnisse erzielen. Das ist was Tolles für die Patienten, kann auch ein Magnet sein, aber man kann sich das nur leisten, wenn auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Weiden hat das Potenzial dazu, aber dafür müssen auch alle anderen Bereiche gut laufen.
Zum Thema Management: Über den 2019 zurückgetretenen Klinikvorstand Josef Götz sagt man, er habe versucht, die Kooperation mit Amberg zu stärken – gegen den Widerstand der Kommunalpolitik beider Standorte. Ist da was dran?
So wie ich Herrn Götz kennengelernt habe, war er ein erfahrener Klinikchef, der im Detail wusste, wo und wie das Unternehmen stand. Er hatte ein fundiertes Wissen, und was er an Kooperationen eingeleitet hat, konnte ich gut nachvollziehen, weil es dazu beitrug, die bestmögliche Gesundheitsversorgung in der Region zu gewährleisten. Er hatte auch einen politischen Blick darauf.
Management 2: Es heißt, die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Vorgänger als Klinikleiter, Dr. Thomas Egginger, und Ihnen als Vertreter der Beratungsfirma Oberender sei so lange harmonisch verlaufen, bis eine andere Beratungsfirma zur Stärkung des Teams auf Abteilungsleiterebene engagiert wurde. Eskaliert sei der Konflikt, als Sie die medizinische Direktorin Michaela Hutzler und Kaufmännischer Direktor Michael Gleißner durch eigene Leute ersetzen wollte. Ist das richtig?
Ich habe eine andere Wahrnehmung. Es gab keinen Konflikt zwischen mir und Herrn Dr. Egginger, sondern zwischen ihm und den Gesellschaftern. Wir hatten bis zum vorletzten Tag seiner Tätigkeit sachliche Meetings. Wenn man als Berater unterwegs ist, bekommt man Themen auf den Tisch, spricht Empfehlungen aus. Ob der Entscheider dem folgt, steht nicht in der Verantwortung des Beraters. In unserem Fall, wurden sehr viele Vorschläge umgesetzt, einige auch nicht. Ich habe auch im Aufsichtsrat Empfehlungen abgegeben, aber nicht gesagt, es muss Personal ausgetauscht werden. Aber dass man unterschiedliche Führungsstrategien hat, das ist normal.
Eine der jetzt ausgetauschten Führungskräfte ist Michaela Hutzler, die nicht länger medizinische Direktorin ist – und gegen ihre Absetzung klagt. Im Oktober 2021 war sie noch zur Ehrung für ihre Verdienste in der Pandemie auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten. Auch Michael Gleißner, zuletzt kaufmännischer Direktor, wurde zurückversetzt ins Controlling. Wie begründen Sie das?
Für mich ist wichtig, wenn man ein Krankenhaus kurz vor der Zahlungsunfähigkeit hat, Leute an Bord zu kriegen, die das schon ein-, zweimal gemacht haben. Deswegen diese Veränderungen. Wenn man das erste Mal Management unter diesen Bedingungen betreiben muss, ist das eine unglaubliche Herausforderung. Ich war auch mal Pflegekraft, ich weiß, wovon ich spreche, und ich hätte mich gefreut, wenn Frau Hutzler an meiner Seite geblieben wäre, weil sie einen echt guten Job in der Pandemiezeit gemacht hat. Sie verdient eine gute Perspektive.
Es gibt Politiker, die sagen, das Defizit verteilt auf die drei Schultern von den zwei Landkreisen und der Stadt Weiden sei gar nicht so schlimm. Es sei eben eine Frage, was einem die gute Gesundheitsversorgung der nördlichen Oberpfalz wert sei. Kann man das nicht auch so sehen?
Da stehen schon extrem hohe Beträge von 80 Millionen Euro als Zuschuss der Träger im Raum. Wenn man in so einem Klinikverbund einmal ein bis zwei Millionen ausgleichen muss, weil man nicht gut finanzierte Leistungen für die Menschen der Region trotzdem anbieten möchte, kann die Politik gut sagen, das wollen wir haben, da wäre ich auf gleicher Linie. Aber hier stand man kurz vor der Insolvenz. Im Gutachten stehen enorme Summen, die abgearbeitet werden müssen. Und man darf auch nicht vergessen: Weiden ist eine Stadt, die auf Stabilisierungshilfe angewiesen ist, und daher vieles auch nicht selbstständig entscheiden kann.
Die neue Führungsriege besteht Ihrem Organigramm zufolge mit Ihnen aus drei Leuten der Beraterfirma Oberender: Barbara Hane (Leiterin Finanzen) und Jens Brockmann (Leiter Klinikum Weiden). Personalchef ist (noch) Martin Neuhaus, dessen Vertrag im März endgültig ausläuft. Er war seit 2006 hier. Die Verunsicherung im Haus sei riesig, heißt es?
Herr Neuhaus hat sich eine neue interessante Perspektive gesucht, so dass wir jetzt eine Nachfolge suchen müssen. Diese zwei Berater waren Kollegen von mir. Wenn wir im Sanierungsmodus sind, brauche ich sofort erfahrene Leute im Bereich Finanzen und Kliniksanierung, um sicherzugehen, dass das in die richtige Richtung läuft. Ziel ist es, die Positionen schrittweise mit festangestellten Managern zu besetzen.
Für wie lange?
Man sagt, wenn man solche Positionen besetzen will, dass man etwa ein Jahr braucht. Es gibt Probezeiten, es dauert, bis man sich in so einer Position stabil bewährt.
Hat eine Beratungsfirma nicht systemimmanent ein Interesse an einer Verstetigung seiner Beratungstätigkeit durch Installation von selbst rekrutiertem Personal – ein schwer zu lösender Interessenkonflikt?
Was wäre die Alternative? Ich habe jetzt zwei versierte, arbeitsfähige Leute, die ich gut kenne, an meiner Seite. Das schafft Geschwindigkeit und hält uns den Rücken frei, um diese Positionen mittelfristig wieder dauerhaft zu besetzen. Das ist doch besser, als diese wichtigen Positionen unbesetzt zu lassen. Wir sollten schon jetzt bei der Sanierung deutlich weiter sein, wenn nicht Corona dazwischen gekommen wäre. Deshalb müssen wir die Zeit, die man verliert, so kurz wie möglich halten. Vor dem Ausscheiden von Herrn Dr. Egginger ist eine gewisse Starre eingetreten. Das ist oft so, wenn Vorstände und Gesellschafter nicht mehr gut miteinander können.
Ist es richtig, dass schon einmal ein Klinikleiter, den die Beratungsfirma Oberender ausgesucht hatte, bereits nach 6 Wochen wieder gehen musste. Wenn ja, warum?
Das stimmt so nicht. Richtig ist, dass ich bei der Auswahl eines Klinikleiters gebeten wurde, mit in ein Auswahlgremium reinzugehen als einer von vielen. Aber der Klinikleiter wurde nicht von Oberender eingestellt.
Ist der Oberender-Tagessatz von 2000 Euro korrekt? Und gilt der jetzt auch für die zwei Neuen in der Führungsriege?
Die Tagessätze sind niedriger. Wenn Beratungsfirmen länger für ein Unternehmen arbeiten, handelt man Rabatte aus. Die sind dann 10 bis 15 Prozent niedriger. Frau Hane und Herr Brockmann sind in der Personalgestellung, das ist eine Mitarbeiterüberlassung. Die Weisungsbefugnis liegt bei mir, nicht bei Oberender. Das ist wichtig, damit nicht zwei Chefs reinreden können. Die Gehälter kenne ich nicht, die verhandeln diese mit Oberender.
Das heißt, die Klinik bezahlt Beraterhonorare an die beiden?
Reduzierte Beratersätze. Was wir hier an Know-how einkaufen, ist für uns teurer als die Gehälter zuvor, aber für uns im Sanierungsprozess aktuell notwendig. Deshalb ist die Intention des Gesellschafters auch, das darf möglichst nicht viel länger als ein Jahr dauern. Herr Brockmann ist bereits seit April hier, das heißt, er könnte noch bis Oktober helfen.
Trägt die Firma Oberender als langjährige Beratungsfirma nicht zumindest eine Mitschuld an der derzeitigen Verfassung des Klinikums?
Diese Frage wurde mir selber gestellt. Aus meiner Beraterhistorie kann ich sagen, der Berater ist nicht der Entscheider. Wenn man etwas vorschlägt, kann man nur das verantworten, was auch wirklich umgesetzt wird. Beim Umgang mit den Standortschließungen wie z.B. Vohenstrauß, die nicht mehr zu halten waren, gab es lange Entscheidungswege.
Musste Vorstand Dr. Egginger wegen eines bestehenden Vierjahresvertrags mit einer 7-stelligen Summe abgefunden werden – und ist es richtig, dass eine Top-Anwaltskanzler keine gravierenden, Abfindungs-mindernde Verfehlungen finden konnten?
In der Phase war ich als Berater komplett raus, das habe ich nur am Rande wahrgenommen.
Kliniken Nordoberpfalz
- Die Kliniken Nordoberpfalz AG ist eine Aktiengesellschaft und betreibt mehrere Akutkrankenhäusern und medizinischen Einrichtungen in der Nordoberpfalz. Das Unternehmen wurde am 13. November 2006 gegründet und hat seinen Sitz in Weiden.
- Aktionärsstruktur: Stadt Weiden, Landkreis Tirschenreuth und Landkreis Neustadt/Waldnaab sind zu gleichen Teilen Träger der Kliniken Nordoberpfalz. Das heißt, ihre Anteile sind jeweils gedrittelt.
- Standorte: Klinikum Weiden, Krankenhaus Tirschenreuth, Krankenhaus Neustadt/Waldnaab, Krankenhaus Kemnath, Steinwaldklinik Erbendorf




