Genusspunkte
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Täter suchen Opfer, keine Gegner: SVT e.V. zeigt, was realistische Selbstverteidigung bedeutet

Neustadt/WN. Der Verein macht keine offensive Mitgliederwerbung. Man kommt meist durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder auf Empfehlung.

Täter suchen Opfer, keine Gegner: SVT e.V. zeigt, was realistische Selbstverteidigung bedeutet

Sie trainieren Konfrontationsmanagement und realitätsorientierte Selbstverteidigung. SVT ist die Abkürzung für Scientia Vicendi Tradita. Foto: Nicole Gleißner

Täter suchen Opfer, keine Gegner. Sie fühlen sich im Vorteil und nutzen dies rigoros und rücksichtslos aus. Das ist der Unterschied zu Kampfsportarten. Dort stehen sich die Gegner auf der Matte oder im Ring mit sportlichen Absichten gegenüber, vor dem Wettkampf gut aufgewärmt und in derselben Gewichtsklasse.

Jeder kennt die spezifischen Regeln. Trotz aller Härte, die mancher Kampfsport zeigt, ist man innerhalb des Regelwerks sicher und ein Schiedsrichter entscheidet am Ende über den Sieg. Bei Schlägereien, Raubüberfällen, sexualisierten Gewalttaten etc. ist das Szenario ein völlig anderes, kein sportliches, sondern ein gewalttätiges.

SVT ist die Abkürzung für Scientia Vicendi Tradita

Kein vorheriges Aufwärmen, keine Begleitung durch einen Coach. Das erfordert somit völlig andere Verhaltensweisen, Strategien und Kampfkonzepte, um solch prekäre Situationen möglichst zu vermeiden oder andernfalls möglichst unbeschadet wieder herauszukommen. Jede Frau, jeder Mann ist in so einer Situation sein eigener Bodyguard.

Genau damit befassen sich die Frauen und Männer im Neustädter Verein SVT e.V. Sie trainieren Konfrontationsmanagement und realitätsorientierte Selbstverteidigung. SVT ist die Abkürzung für Scientia Vicendi Tradita – Das überlieferte Wissen zu siegen. Prämisse ist, dass jeder vermiedene Kampf ein Sieg ist. Sollte er nicht vermeidbar sein, gilt es, sofort die Opferrolle zu überwinden, um Konzepte und Techniken anzuwenden, die das übergriffige Geschehen möglichst schnell und möglichst unbeschadet zu beenden.

Training mit Vollkontaktelementen erwies sich dabei immer als sehr guter Filter,

Der Verein besteht seit 1988. Mitbegründer und 1. Vorstand Dietmar Schmutzer erzählt über die Anfänge und die Entwicklung des SVT unter Gründer Werner Prischenk. Die meisten Mitglieder und Trainer hatten einen klassischen Kampfsporthintergrund, wollten aber darüber hinaus die Thematik der realistischen Selbstverteidigung ergründen. So hat man sich schon sehr früh mit diversen Kampfsystemen jenseits der bekannten Kampfsportarten beschäftigt und auch den Kontakt mit verschiedenen nationalen und vor allem internationalen Experten gesucht, um mit denen zu trainieren und sich weiterzuentwickeln. Training mit Vollkontaktelementen erwies sich dabei immer als sehr guter Filter, um Brauchbares von reinen Sporttechniken zu trennen, sei es im waffenlosen Kampf oder unter Nutzung von Alltagsgegenständen.

Vor allem philippinische Kampfkünste waren für letzteres extrem hilfreich, denn sie haben bis in unsere Zeit ohne Versportlichung überlebt. Die Verwendung von handlichen Stöcken lehrt dort den Einsatz und Umgang mit sog. stumpfen Waffen, sei es z.B. ein Regenschirm, eine Wasserflasche oder eine Taschenlampe. Ergänzend dazu gehörte aber auch, sich mit juristischen Themen wie dem Notwehrrecht zu befassen. Dazu hat man sich von Rechts- und Staatsanwälten informieren lassen, um sich im sozio-kulturellen Umfeld unseres Rechtsstaates entsprechend zu verhalten.

VGN Nürnberg – Phase1
VGN Nürnberg – Phase1

SVT-Fluchtkonzepte beinhalten Bewegungsmuster

Das Training umfasst neben dem Erlernen und Festigen diverser Kampftechniken auch Szenario-Training, um sich dem Stress und den körperlichen Herausforderungen übergriffiger Situationen zu stellen. Dabei wird stufenweise bis zum Vollkontakt-Sparring herangeführt. Zur Vermeidung von Auseinandersetzungen dient im Konfrontationsmanagement die Schulung der situativen Aufmerksamkeit, adäquater Körpersprache und der Deeskalation durch entsprechende Verhaltensweisen und Kommunikation.

Aber auch das Weglaufen aus brenzligen Situationen, die Flucht will gelernt sein. SVT-Fluchtkonzepte beinhalten Bewegungsmuster, um sich sichere Fluchtmöglichkeiten zu erarbeiten. Manchmal kann das bei entsprechender Aufmerksamkeit ein einfacher Wechsel der Straßenseite sein, um einen möglichen Übergriff zu vermeiden, so Schmutzer.

„Wer zu uns kommt, muss sein Ego vor der Türe lassen! “

Der Verein macht keine offensive Mitgliederwerbung. Man kommt meist durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder auf Empfehlung. Man muss bereit sein, im Training miteinander, voneinander zu lernen, um seine Verteidigungsfähigkeit unter Stress und mit entsprechender körperlicher Anstrengung zu entwickeln. „Wer zu uns kommt, muss sein Ego vor der Türe lassen! Wer ernsthaft Selbstverteidigung lernen will, muss mit Partnern trainieren wollen, die Widerstand leisten, Druck aufbauen, unkonventionell agieren. Vollkontakt-Sparring gehört dazu!“ betont Dietmar Schmutzer.

Er und sein Trainerteam wollen keine Straßenschläger ausbilden, sondern Trainierende befähigen, mit solchen Gestalten fertig zu werden. So müssen Neumitglieder eine dreimonatige Probezeit im aktiven Training absolvieren, bevor das Trainerteam über die endgültige Aufnahme entscheidet. Manche Neumitglieder kommen auch nach Seminaren oder Lehrgängen, die das Trainerteam auf Nachfrage bei Vereinen oder Firmen hält, die ihren Mitgliedern oder Belegschaften eine solche Fortbildung anbieten wollen.

Workshop unter dem Motto „Be Your Own Bodyguard“ am 8. November

Auch wenn Bayern und die Oberpfalz immer noch geringe Kriminalitätsraten bei Gewaltdelikten aufweisen, gibt es immer wieder Anfragen an den Verein auch von Privatpersonen. Aktuell wird daher ein Workshop unter dem Motto „Be Your Own Bodyguard“ am 8. November in der Neustädter Realschulturnhalle angeboten, um sich einen ersten Einblick in die Thematik verschaffen zu können. Für den Workshop ist jede Frau, jeder Mann ab 18 willkommen, es sind noch Plätze frei.

Näheres zu den Teilnahmemodalitäten erfahren Interessierte unter www.svt-new.de.