Partnerhochschule in Saporischschia: OTH Amberg-Weiden vertieft Zusammenarbeit trotz Krieg

Weiden. An der OTH Amberg-Weiden fand ein bedeutendes Treffen statt, um Hilfen für die Zaporizhzhia Polytechnic in Saporischschja zu koordinieren. Die Delegation aus der Ukraine schilderte die dramatischen Bedingungen vor Ort und bat um gezielte Unterstützung.

Partnerhochschule in Saporischschia: OTH Amberg-Weiden vertieft Zusammenarbeit trotz Krieg

Partnerhochschule in Saporischschia
Das Koordinationsteam der OTH Amberg Weiden will sich mit örtlichen Hilfsorganisationen für die Partnerhochschule “Zaporizhzhia Polytechnic” stark machen. Foto: Katrin Hirmer/OTH

Die OTH Amberg-Weiden hat ihre Partnerhochschule in Saporischschia zu einem mehrtägigen Arbeitstreffen in der Oberpfalz empfangen. Zwei Vertreter der “Zaporizhzhia Polytechnic” schilderten vor dem Unterstützerteam der OTH, Hilfsorganisationen und Unterstützern, wie sehr der russische Angriffskrieg das Bildungssystem in der Region erschüttert – und welche Rolle partnerschaftliche Hilfe aus Deutschland dabei spielt, Studium und Forschung trotzdem am Laufen zu halten. Eingeladen hatte Hochschulpräsident Professor Clemens Bulitta, der die Kooperation im Rahmen des Projekts TANDEM-UA-DE weiter ausbauen möchte.

Anreise aus der Krisenregion: drei Tage statt zwei Stunden Flug

Allein die Anreise der Delegation macht deutlich, unter welchen Bedingungen die Partnerhochschule in Saporischschia derzeit arbeiten muss. Während vor dem Krieg ein Flug von der Ukraine nach Deutschland etwa zweieinhalb Stunden dauerte, benötigten die Gäste nun drei Tage und Nächte: “Wir waren mit verschiedenen Verkehrsmitteln unterwegs, passierten mehrere Grenzen und mussten wegen zerstörter Infrastruktur immer wieder Umwege in Kauf nehmen.” Trotzdem kamen sie mit einem klaren Ziel nach Weiden: die Lage vor Ort schildern, Bedarfe konkretisieren und gemeinsame Schritte planen.

Zum Auftakt des Treffens begrüßte Clemens Bulitta die Gäste der “Zaporizhzhia Polytechnic” sowie regionale Partner im Weidener Hochschulstandort. Mit am Tisch saßen neben den Koordinatoren des Projekts TANDEM-UA-DE auch Andreas Lehner von der Weidener Niederlassung der Hilfsorganisation Space Eye, Rotary-Club-Präsident Robert Stahl und Prof. Dr. Julia Heigl, Mitglied des Inner Wheel Clubs Weiden und Projektkoordinatorin an der Hochschule. Sie alle eint das Ziel, die ukrainische Partnerhochschule nicht nur symbolisch, sondern sehr konkret zu unterstützen.

Was hinter TANDEM-UA-DE steckt

Das TANDEM-UA-DE Projekt ist das organisatorische Bindeglied, das die OTH Amberg-Weiden und die Partnerhochschule in Saporischschia eng verbindet. Die Zusammenarbeit wurde nach Beginn des russischen Angriffskriegs deutlich intensiviert. Ziel ist es, Studierende, Lehrende und Verwaltungsteams aus Deutschland und der Ukraine fachlich, sprachlich und technisch miteinander zu vernetzen.

Das Projekt verfolgt mehrere Schwerpunkte: Es baut Brücken zwischen den Hochschulsystemen, schützt Bildung in Krisenzeiten, stärkt die Digitalisierung von Lehre und Verwaltung und schafft belastbare Partnerschaften für den Wiederaufbau. Die OTH Amberg-Weiden gilt mit ihrer Erfahrung im Bereich digitaler Lehrformen als Modellpartner. Gemeinsame Online-Kurse, abgestimmte Curricula und digitale Sprechstunden zwischen den Standorten gehören inzwischen zum Alltag der Kooperation.

Partnerhochschule in Saporischschia: Zahlen, Fakten – und eine Stadt im Kriegszustand

Zu Beginn der inhaltlichen Gespräche stellte Dr. Andrii Kuts, Project Coordinator der Zaporizhzhia Polytechnic, die Stadt und Region Saporischschia näher vor. Er überraschte viele Anwesende mit wirtschaftlichen Kennzahlen, die in Friedenszeiten beeindrucken würden: Zwei Flughäfen, zwei Häfen, rund 1,6 Millionen Einwohner, acht Hochschulen mit mehr als 40.000 Studierenden und über 100 Kindergärten prägen die Metropole im Südosten der Ukraine.

VGN Nürnberg – Phase1
VGN Nürnberg – Phase1

Doch seit Beginn des großflächigen Angriffskriegs sind viele dieser Strukturen nur noch eingeschränkt funktionsfähig oder komplett zerstört. Nach den Schilderungen von Dr. Kuts sind etwa 70 Prozent der Stadt und weite Teile der umliegenden Dörfer von russischen Truppen besetzt oder dem Erdboden gleichgemacht. Anhand von Stadt- und Frontverlaufskarten zeigte er, wo sich aktuell Truppenansammlungen befinden und welche Stadtteile besonders gefährdet sind. Beschuss, Drohnenangriffe und Raketenalarm prägen den Alltag der Bevölkerung.

Die Schulen und Hochschulen versuchen, Unterricht weitgehend auf digitale Formate umzustellen. Doch regelmäßige Stromausfälle, beschädigte Leitungen und zerstörte Gebäude erschweren den Betrieb. Zugleich strömen Geflüchtete aus vollständig verwüsteten Orten in den noch kontrollierten Teil von Saporischschia, sodass sich die ohnehin angespannte Versorgungslage weiter verschärft.

„Education, Freedom, and Resilience under Fire“ – Hochschulalltag in Saporischschia

Wie sich die Situation konkret an der Partnerhochschule in Saporischschia auswirkt, schilderte Prof. Dr. Nadiia Shmygol unter dem Titel „Education, Freedom, and Resilience under Fire“. Die “Zaporizhzhia Polytechnic”, gegründet im Jahr 1900, war über Jahrzehnte ein Motor für Innovation, Forschung und wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Mit mehr als 13.000 Studierenden und 160 Ausbildungsrichtungen reicht das Spektrum von Ingenieurwissenschaften über Physik und Rechtswissenschaften bis hin zu internationaler Wirtschaft und Tourismus.

Seit 2022 steht der Campus jedoch unter ständigem Beschuss. Die Universität wurde gezielt zum Ziel russischer Raketenangriffe. Mehrere Vorlesungsgebäude, Labore, IT-Räume und Sportanlagen sind beschädigt oder zerstört. Besonders hart traf ein Angriff am 11. November 2024 die Hochschule: Fenster und Fassaden wurden herausgerissen, Haustechnik und Elektroanlagen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auch Studentenwohnheime wurden bombardiert, was die ohnehin angespannte Lage in der Stadt weiter verschärfte.

Prof. Shmygol machte deutlich, dass die Universität nicht nur Mauern und Ausstattung verloren hat, sondern auch Jahre an Aufbauarbeit und Investitionen. Gleichzeitig betonte sie den enormen Zusammenhalt von Studierenden, Mitarbeitenden und Lehrenden. Viele von ihnen unterrichten und lernen in Schutzkellern, improvisierten Räumen oder online unter ständiger Bedrohung.

Worauf es jetzt ankommt: Fenster, Heizung, Infrastruktur

Die Delegation brachte eine klare Liste an Prioritäten mit nach Weiden. Im Vordergrund stehen derzeit die Reparatur von Fenstern und Fassaden, die Instandsetzung der Heizung sowie die Sicherung von Wasser- und Stromversorgung in den Lehr- und Wohngebäuden. Ohne diese Grundversorgung sei an einen geregelten Studienbetrieb kaum zu denken, so Shmygol. Lehr- und IT-Ausstattung müsse ebenfalls teilweise neu beschafft werden, damit Studierende überhaupt an Online-Lehrangeboten aus dem In- und Ausland teilnehmen können.

„Wir sind für jede Form der Unterstützung dankbar – sei es durch Hilfsorganisationen, Hochschulpartnerschaften oder private Spenden“, betonte sie. Besonders wichtig sei, dass Studierende und Lehrende das Gefühl hätten, nicht vergessen zu werden. Internationale Kooperationen wie mit der OTH Amberg-Weiden gäben Mut und einen Ausblick auf eine Zukunft nach dem Krieg.

Bulitta: „Partnerhochschule in Saporischschia kann auf uns zählen“

Im Schlusswort des Treffens versicherte Präsident Clemens Bulitta der Delegation, dass die Partnerhochschule in Saporischschia auf die OTH Amberg-Weiden zählen könne. „Sie sind hier jederzeit willkommen. Bitte sagen Sie uns klar, welche Unterstützung Sie benötigen, damit wir unsere Hilfe gezielt einsetzen können“, sagte er. “Wir wissen, dass nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann. Dennoch werden wir von der OTH alles in unserer Macht Stehende tun, um die Folgen des Krieges für die Studierenden und Beschäftigten in Saporischschia abzumildern.”

Das Angebot des OTH-Präsidenten: “Wir unterstützen alle Bemühungen, dass die Sie
in Saporischschia baldmöglichst zu einem normalen Leben zurückkehren können und die Wunden des Krieges heilen.”
Bis dahin soll die Partnerschaft mit der “Zaporizhzhia Polytechnic” weiter wachsen. Nicht nur als akademische Brücke, sondern auch als moralische Unterstützung und als ganz praktische Hilfe, wenn es um Fenster, Heizungen, Stromleitungen und Lernräume geht.

Kommentar: Und plötzlich hat der Krieg ein Gesicht

Selten war ein Informationstermin für einen Pressemenschen so beklemmend und erschütternd. Die beiden ukrainischen Hochschulprofessoren schilderten ungeschminkt, wie russische Bomben ukrainisches Leben vernichten.
Ja, plötzlich hat der Krieg ein Gesicht.

Selten hat ein deutscher Politiker (die Tastatur weigert sich, den Namen anzunehmen) so viel Ekelpotential erregt: “Mir hat der Putin nichts getan!” verkündete dieser süffisant lächelnd in einer Talkshow.
Ja, Herr AfD-Politiker, uns hat auch niemand vergewaltigt und trotzdem kämpfen wir gegen Gewalt an Frauen, Kinder und anderen schutzbedürftigen Wesen.

Selten ruft ein Unternehmerverband (in dessen Bezeichnung das Wort “Familienunternehmer” steht) so viel Empörung hervor, weil er zukünftig mit den Putin-Anhängern ins Bett geht.
Ja, Herr Rossmann und “Herr” Vorwerk, bravo, dass Sie diesem Verband sofort den Rücken gekehrt haben.
Ja, Buchhändler Thalia, klasse, dass ihr schon vor einem Jahr, wegen unterschiedlicher ethischen Wertvorstellungen diesen Verband, verlassen habt.

Selten ruft ehrenamtliches Engagement, so große Bewunderung hervor, wie der Einsatz der oberpfälzischen LKW-Besatzung. Während nämlich diese Zeilen geschrieben werden, riskieren diese Menschen ihr Leben für einen Hilfsgütertransport von Space Eye mit 16.000 (sechzehntausend!!) Artikeln aus der Oberpfalz in die Ukraine.
Ja, Ihr seid echte Helden.

Nein, es soll hier nicht zum Boykott von Geschäften oder einer Partei aufgerufen werden. Dann wären wir gleich wieder in der finstersten deutschen Geschichte, die manche Extremisten so gerne hätten.

Diese Zeilen sollen anregen, scharf nachzudenken, an welcher Stelle bei der nächsten Wahl das Kreuzchen gemalt wird.
Und ja, ethisch fragwürdige Unternehmenswerte könnten beim bewussten Einkauf auch einer Überlegung wert sein.

Denn wie gesagt: Plötzlich hat der Krieg ein Gesicht!

Martin Stangl

Nach dem Bombenangriff der russischen Armee wurde die Fassade der “Zaporizhzhia Polytechnic” schwer in Mitleidenschaft gezogen. Foto/Screenshot: Prof. Dr. Nadiia Shmygol
So sah die stolze Fassade der Partnerhochschule “Zaporizhzhia Polytechnic” vor dem Bombernangriff am 11. November 2024 aus. Foto/Screenshot: Prof. Dr. Nadiia Shmygol
Dr. Andrii Kuts von der OTH-Partnerhochschule in Saporischschia (rechts) bedankt sich beim örtlichen Vertreter der Hilfsorganisation Space Eye e. V. Andi Lehner. Foto: Martin Stangl
Prof. Dr. Nadiia Shmygol (rechts) und Dr. Andrii Kuts von der OTH-Partnerhochschule in Saporischschia. Foto: Martin Stangl
Perfide Putin-Taktik: Studentenwohnheime werden durch Bomben zerstört. Foto/Screenshot: Prof. Dr. Nadiia Shmygol