Schobers-Rock-Kolumne: Seltsame Band-Namen, seltsame Musiken.

Weiden/Amberg. Auch in Sachen Musik dürfen wir in dieser Ausgabe auf gleich zwei leuchtende und „bunte“ Meisterwerke blicken.

Weiden/Amberg. Auch in Sachen Musik dürfen wir in dieser Ausgabe auf gleich zwei leuchtende und „bunte“ Meisterwerke blicken.
Mark Slate & Rotosphere, Portugal.The Man, Cautious Clay

Schobers-Rock-Kolumne: Seltsame Band-Namen, seltsame Musiken.

Traditionelles aus den USA

Es ist (nass-)kalt, um 17:00 Uhr schon stockdunkel und anstelle von weißen Schneelandschaften bekommen wir immer öfter ausschließlich grauen Matsch zu sehen. Da kann man schon seinen Winter-Blues bekommen. Passt, dass ich die Schweizer Blues-Institution Rotosphere mit dem Sänger Mark Slate zusammen getan haben um „Live“ (Dixiefrog) im Studio einzuspielen.

Dabei handelt es sich nicht um irgendein Studio in den Schweizer Bergen, nein es musste das renommierte Powerplay sein, wo zuvor schon Europe, Tina Turner, Prince oder Lenny Kravitz Platten aufgenommen hatten. In diese Fußstapfen werden Mark Slate & Rotosphere wohl trotz dieser soliden und vor Spielfreude strotzenden Darbietung nicht treten, aber Freunde von kraftvollem Blues-Rock werden hier auf das Beste bedient. Erwähnenswert zudem die ein wenig an Joe Cocker erinnernde Stimme des Frontmanns und an kernigen Gitarrensolos herrscht auch kein Mangel.

Experimentelles aus den USA

So weit, so gut, so traditionell. In eine ganz andere Kerbe schlagen da schon die Pop-Experimentalisten aus Alaska mit dem seltsamen Namen, Portugal.The Man. Auf ihrer neuen Platte, „Shish“ (Thirty Tigers) gibt es vom zarten Folk-Geschunkel über schrägen Art-Pop bis hin zu elektronischem Spielereien, Noise, Grunge und moshigem Metal so ziemlich alles auf die Ohren. Durchgeknallte The Polyphonic Spree treffen auf die Flaming Lips treffen auf das The Go! Team und die Tripping Daisys.

Nichts ist so wie es scheint und plötzlich ist es auch noch komplett anders. Stilistische Richtungswechsel sind der Stil, fassen kann man diese Kapelle nicht wirklich. Wahrscheinlich zählen sie zu den von Donald Trump am meisten gehassten Musikgruppen seines Landes, setzen sie sich doch unermüdlich für all das ein, was dem King Of America so zuwider ist: Demokratie, Menschenrechte, Klimawandel, schärfere Waffengesetze, Schutz indigener Völker, die Liste lässt sich beliebig erweitern. Schon für dieses Engagement, für diesen Mut kann man diese Jungs & Mädels lieben.

Charmantes aus den USA

Wir bleiben in der ehemalig ältesten Demokratie der Welt und lauschen einem lustigen Wortspiel, nennt sich der Singer-Songwriter, Produzent und Multiinstrumentalist Joshua Karpeh ganz frei nach dem dreimaligen Weltmeister Cassius Clay nun Cautious Clay. Ganz wie der größte Boxer der Welt steht auch Karpeh für Selbstbestimmung und Stolz auf die eigene schwarze Hautfarbe ohne so politisch explizit zu werden wie seine Kollegen aus Alaska. Der Albumtitel, „The Hours: Night“ (Fantasy Records) legt nahe, dass es hier um die Fortsetzung von „Morning“ handeln könnte.

Wie schon zuvor unterhält der aktuelle Longplayer bestens, sollte man auf eine Fusion aus R&B, Funk, Jazz, Indie-Soul und Pop, aus Daniel Caesar, Frank Ocean, Childisch Gambino und Leon Bridges stehen. Sein Falsettgesang ist warm und weich, man würde ihn als totaly smooth bezeichnen und cool ist er auch wie weiland Lenny Kravitz. Um das Name Dropping auf die Spitze zu treiben: „5th Floor (10pm)“ ist bester Roachford-Stoff. Also der Junge ist ein Guter, nicht zuletzt hat er bis dato schon mit Billie Eilish, John Mayer, John Legend, Khalid, Kavinsky, Melanie Martinez, Remi Wolf und zuletzt Tycho zusammen gearbeitet. Oh mein Gott, so viele Bezugspunkte hatte ich noch nie auf einen Haufen zusammen.

Zoigltermine
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Eventuell der „next big shit“ aus den USA

Und nochmals die USA: Aus dem inzwischen ebenfalls republikanischem Philadelphia stammt eine weitere Underground-Kapelle mit dem ebenso seltsamen Namen They Are Gutting a Body of Water. Dahinter steckt Sänger und Songwriter Doug Dulgarian, der sich inzwischen aber mit einer vollwertigen Band umgibt. „Lotto“ (PIAS) ist deren erster Wurf und verbindet Shoegaze mit Noise-Rock.

Warum diese Gruppe schon auf eine solide und extrem treue Fangemeinde bauen kann erschließt sich mir nicht so ganz, aber vielleicht sind sie ja die Nirvana der Tik-Tok-Generation. Deren Qualitäten hatten sich mir einst auch nicht offenbart und tun es bis heute nicht. Also hört Euch diese Platte ruhig mal an, wahrscheinlich ist es der nächste große Scheiß (der mal wieder an mir vorbei gegangen ist).

Nix USA, jetzt ist mal Britannien dran

Apropos Scheiß: auch die folgende Produktion könnte in dieser Schublade landen, denn auch der Künstler Daniel Avery erschließt sich mir nicht wirklich. In seiner Jugend hat der Bursche sicherlich gerne Kyuss oder My Bloody Valentine gehört, später dann vielleicht Hercules And Love Affair, denn es zog ihn (auch) auf die Tanzfläche. Und auch die Ambient-Alben vom Landsmann Brian Eno müssen Spuren hinterlassen haben.

Auf „Tremor“ (Domino) schmeißt er diese Einflüsse jedenfalls alle zusammen, so dass von ruhig dahin mäandernden Instrumentals über Noise-Attacken, Acid House und Techno doch einiges zusammen kommt. Verziert wird der an großen Momenten nicht darbende Mix von Kollaborateuren wie Yeule, Art School Girlfriend, Ryan von bdrmm, Yune Pinku, Cécile Believe, Walter Schreifels von Rival Schools, Julie von New Dad und Alison Mosshart. Tanz der Jugend.

Und zum Schluss: Die Kirsche auf der Torte

Jetzt aber ausgetanzt, wobei auf der seltsamen Platte von Birds On A Wire kann man durchaus ein Tänzchen wagen, aber halt eher im konventionellen Stil. Hinter dem Projekt stehen die französisch-amerikanische Sängerin Rosemary Standley (Moriarty) und die französisch-brasilianische Cellistin und Sängerin Dom La Nena. A

uf ihrem dritten Album, “Nuées Ardentes” (PIAS) verfolgen sie das Konzept der Vorgänger weiter, immer in der Originalsprache -wir treffen hier neben Englisch, Französisch und Spanisch auch auf Portugiesisch, Italienisch, Griechisch und gar Vietnamesisch- bekannte Pop-Klassiker mit Chansons und altertümlichen Weisen zu vermischen. „Smalltown Boy“ von Bronski Beat, „The Lovecats“ von The Cure, „People Are Strange“ von The Doors, „Perlimpinpin“ von Barbara und „La peinture à l’huile“ von Bobby Lapointe.

Diese ikonischen Songs werden auf ihre ganz eigene Weise neu interpretiert — mit Anmut, Mut und einer Prise sanfter Respektlosigkeit. Manchmal bis auf das Skelett reduziert, manchmal neu gedacht in weiten Klanglandschaften, in denen das Cello zum Orchester, zum Keyboard oder zur Percussion wird, erhalten diese vertrauten Stücke einen neuen, unheimlich eigenständigen Klang.

Neben italienischen Barock-Arien und traditionellen lateinamerikanischen Liedern entsteht eine empfindsame Karte der Adoleszenz – jener glühenden Lebensphase zwischen Schatten und Licht.

Und mit diesem wirklich interessanten Projekt verabschieden wir uns bis zum nächsten Mal.