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Schobers-Rock-Kolumne: Zwei alte Lieblinge, eine feine Neuentdeckung aus Schweden und ein wenig Spaß aus dem UK

Weiden/Amberg. Auch in Sachen Musik dürfen wir in dieser Ausgabe auf gleich zwei leuchtende und „bunte“ Meisterwerke blicken.

Weiden/Amberg. Auch in Sachen Musik dürfen wir in dieser Ausgabe auf gleich zwei leuchtende und „bunte“ Meisterwerke blicken.
Tortoise, Blue Aeroplanes, Nightmares On Wax, Emma Elisabeth, Solomon Cole, Thee Headcoatees

Schobers-Rock-Kolumne: Zwei alte Lieblinge, eine feine Neuentdeckung aus Schweden und ein wenig Spaß aus dem UK

Der Sound der Schildkröte

Ich hätte nicht gedacht, dass ich von einer meiner Lieblingsbands noch mal etwas hören würde. Fast zehn Jahre musste ich ohne neue Töne -und ich sage bewusst Töne- aus Chicago auskommen. Die Rede ist von Tortoise und man liebt diese Band nicht unbedingt wegen ihres Melodienreichtums oder der tollen Lyrics, man liebt sie, wegen ihres Einfallsreichtums, wegen der Dekonstruktion, wegen dem Weglassen, dem reduzierten Spiel. „Post-Rock“ wurde einst als Begriff für diese so schwer greifbare Musik erfunden.

Und so lebt auch „Touch“ (International Anthem) von den Zwischentönen, von den ziselierten Gitarrenparts, den eingestreuten elektronischen Verwirrspielen und Field Recordings, der Mischung aus fein austariertem Progressive-Rock, Elektronik, Ambient und Kraut-Rock, dem Verzicht üblicher Strophe-Refrain-Strukturen und der Vorliebe für unübliche Taktarten.

Tortoise sind Meister der Verfremdung und bringen uns dieses Mal sogar ab und an auf den Dancefloor einer besseren Welt (die es aber ja leider nicht gibt). „Touch“ ist radikaler und konsequenter als die Werke von The Sea & Cake, Gastr De Sol oder Four Tet. To Rococo Rot, Neu! oder Tarwater sind dieses Mal die Referenzpunkte.

Und sie fliegen noch, die blauen Flugzeuge

Und noch eine alte Liebe kommt mit einem weiteren „Best Of-Album daher, nachdem im Jänner schon mal die größten „Hits“ der Blue Aeroplanes in den Regalen standen. „Outsider Art: The Other Best Of The Blue Aeroplanes“ (Bertus) macht ja im Titel schon klar um was es sich handelt: Die CD b.z.w die Doppel-LP plus Bonus 7” taucht tief ein in vier Jahrzehnte voller Deep Cuts, Fan-Favoriten und Live-Klassikern, die The Blue Aeroplanes zumindest in UK zu wahren Kulthelden gemacht haben.

Die Collection enthält auch eine Fülle von bisher unveröffentlichtem Material aus den Archiven, darunter Aufnahmen aus der BBC-Sendung „In Concert“ sowie eine brandneue Version von „Winter Sun“, die 2024 während des legendären jährlichen Aufenthalts der Band in ihrem Domizil The Fleece in Bristol aufgenommen wurde. Weiters eine bisher unveröffentlichte exklusive Live-Aufnahme von „Lover & Confidante“ und „Tyger Tyger Burning Bright!“.

Wer die Kapelle nicht kennt: Hauptdarsteller sind Gerard Langley, sein Bruder John Langley und der Tänzer Wojtek Dmochowski. Man bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Post-Punk, Art- & Alternative-Rock, wobei der Sprechgesang und die Lyrics von Gerard Langley im Zusammenspiel mit heftigen Gitarrenbreitseiten den Signature-Sound ausmachen. Gefällt meist Leuten die auch auf The Fall und die Velvet Underground stehen.

OTH Amberg-Weiden
OTH Amberg-Weiden

Süßer die Albträume nie klangen

Nicht ganz so alt wie die die blauen Flugzeuge ist ein Soundprojekt namens Nightmares On Wax, dem der Produzent George Evelyn vorsteht. der feiert allerdings im kommenden Jahr auch gleich zwei Jubiläen und zwar am Donnerstag, 12. März in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall. Bei dieser Sonderaufführung mit dem Titel „In A Space Outta Delight” wird der legendäre Künstler seine bahnbrechenden, ikonischen und epochalen Alben „In A Space Outta Sound” (20-jähriges Jubiläum) und „Smokers Delight” (30-jähriges Jubiläum) in einer einzigartigen, unverzichtbaren Show mit einer zusätzlichen Live-Band, einem Streichquartett, einem Chor, Gastsängern und Überraschungsgästen neu interpretieren.

Hört sich nach den letzten beiden Alben von Moby an, wird wohl auch ähnlich sensationell klingen. Zuvor hat er aber eine Doppel-Lp in goldenem Vinyl mit dem Titel, „Echo45 Sound System“ (Warp Rec) herausgebracht. Die eröffnet mit einem durchgehend, über 40-minütigem Mix der gesamten Kollektion und präsentiert dann die Songs in Einzelteilen.

Soul, Roots, Hip-Hop, Dub und elektronische Texturen fließen wie selbstverständlich ineinander, manches startet als Western-Soundtrack („Desire“) oder Kinderlied („Bang Bien“) und wird dann durch eine üppige Gästeschar bereichert -u.a. Yasiin Bey, Greentea Peng, Sadie Walker, Liam Bailey- in den spacigen Klang-Kosmos von George Evelyn assimiliert. Gibt es natürlich auch als CD oder Download.

Ein Schweden-Happen ohne Verfallsdatum

Auch auf die Musik von Emma Elisabeth kann man tanzen, sie führt uns aber eher auf die Couch oder einen gemütlichen Road-Trip. Irgendwann mal kandidierte die Schwedin für den European Song Contest (und fiel gottlob durch), dann folgte das mit „Cover Stories“ treffend betitelte Debüt, wo sie sich so unterschiedliche Titel wie „Born To Be Wild“, „The Chain“ oder „I´ll Be your Mirror“ vornahm. Ein gutes Jahrzehnt später nun „A Sudden Break In The Clouds“.

Es entstand nach Mutterschaft und dem Umzug von Berlin zurück in die schwedische Provinz, wo sie jetzt rückblickend „Songs About The City“ besingt. Man hört all dieses Liedern an, dass Emma durch die Plattensammlung ihrer Eltern, von Carol King über Fleetwood Mac bis zu Patti Smith sozialisiert wurde. Es hat hier wehmütig klagende, romantische Balladen ebenso wie flotte Up-Tempo-Songs mit Fuzz-Gitarren und natürlich immer einen „Head Full Of Dreams“.

Im Zweifel spielt die Künstlerin auch „Chess With Death“ und gewinnt auch dieses Spiel. „A Sudden Break In The Clouds“ ist ein unspektakuläres Unterfangen, ein wohl austarierter Liedreigen ohne Effekthascherei der daher umso länger Spaß machen dürfte.

Auch Neuseeland hat den Blues

Gleiches mag für Solomon Cole aus Neuseeland gelten, der selbstbewusst mit seiner Gretsch Honey Dipper Gitarre auf dem Cover seiner ersten Solo-Platte, „Ain’t Got Time To Die“ (Dixiefrog) posiert. Aufgenommen hat er das gute Stück teils in einem alten Bunker aus dem 2. Weltkrieg (wegen des geilen Hall-Sounds), teils in seinem Heimstudio. Immer steht dabei der Blues im Mittelpunkt.

Der huldigt der rohen Intensität von Son House, dem Knurren von Howlin‘ Wolf und der poetischen Dunkelheit von Tom Waits und Nick Cave. Der klingt beim, Streicher-gestützten, Keyboard-umwehten und akustischen Schleicher, „Ain’t Got Time To Die“ und dem mit Gospel-Gesängen und Handclaps angereichertem „Day of Reckoning“ am authentischsten. Aber auch der Country-Blues mit Mundharmonika, „Call My Maker“ kann überzeugen. Insgesamt eine reife Leistung des Kiwi-Bluesers, die nur etwas kurz an Spielzeit ausgefallen ist.

Der Soundtrack für fröhliche Weihnachtsfeiern

Hat sich Solomon Cole satte zwei Jahre für sein Debüt Zeit gelassen, war das der Thee Headcoatees in ein paar Tagen im Kasten. „Man-Trap“ (Cargo), die Männerfalle haben es Ludella Black, Kyra LaRubia, Bongo Debbie und Holly Golightly augenzwinkernd betitelt und gleich noch zwei EP`s mit Man-Trap-Sessions nachgelegt. Darauf atemlose Rock`n`Roll- und Blues-Punk-Knaller mit zähnefletschenden Gitarren, polterndem Schlagwerk und wuchtigem Bass-Gewitter.

Dass die Gesänge dazu wenig schmeichelhaft sind versteht sich von selbst. Kein geringerer als Billy Childish hat die Produktion dieses Killer-Albums übernommen, das auch herzerfrischende Cover-Versionen von u.a. „Paint it Black“ oder „Fire On The Mountain“ enthält. Mit so einer Platte übersteht man auch die langweiligste Weihnachtsfeier!