Die Geschichte der Konnersreuther Resl: Wer's glaubt, wird selig?
Die Geschichte der Konnersreuther Resl: Wer's glaubt, wird selig?
Es ist eine – im wahrsten Sinn des Wortes – Glaubensfrage. Entweder man glaubt daran, dass die “Konnersreuther Resl” nichts gegessen, Wunder vollbracht und aus den gleichen Wundmalen geblutet hat wie Jesus. Oder man glaubt es nicht und tut dies als Unfug ab.
Start 2005
In Konnersreuth, dem 1.725 Seelen zählenden Marktflecken im Stiftland, zweifelt kaum jemand, zumindest der Älteren am wundersamen Wirken und der Nahrungslosigkeit der Therese Neumann. Im Gegenteil. Keine Zweifel daran hat auch ein nicht minder umstrittener, hochrangiger Kleriker: 2005 eröffnete der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller den Seligsprechungsprozess für die Resl. Ehe Müller als Kardinal nach Rom befördert wurde, ließ er verbreiten: “Christus in der heiligen Eucharistie war 34 Jahre ihre einzige Nahrung.”
Eifrige Unterstützer
Eifrige Unterstützer der Seligsprechung sind der “Freundeskreis der Therese Neumann” und der Verein “Konnersreuther Ring”. Letzterer gründete sich bereits 14 Jahre nach dem Tod von Therese Neumann, die am 18. September 1962 im Alter von 64 Jahren einem Herzversagen erlag. Der Verein hat es sich in erster Linie zur Aufgabe gemacht, den “Prozess finanziell zu unterstützen sowie sich für die Verbreitung von Informationen über das ‘Phänomen Konnersreuth’ mithilfe verschiedenster Medien einzusetzen.” Monatliche Gebetstage und Lichterprozessionen zum Grab der Resl gehören ebenfalls zum Repertoire des Rings mit seinem Vorsitzenden Pater Benedikt Leitmayr. Der Freundeskreis hat nach eigenen Angaben Unterstützer in Indien, Polen und in ganz Amerika.
Friedhof als Pilgerstätte
Seit Jahrzehnten ist das Grab der Resl auf dem Konnersreuther Friedhof eine Pilgerstätte. Auf Hunderten Votivtafeln, Bildern und Schildern danken Menschen aus aller Herren Länder der Therese Neumann für ihre Hilfe: “Durch Fürsprache in einem schweren seelischen Anliegen für meine Nichte Jutta der lieben Resl herzlichen Dank für ihre Fürbitte”, “Vergelt’s Gott Resl für Hilfe im Darmleiden. München 1984”, “Liebe Resl, vergelt’s Gott! Du hast mich bei einem schweren Verkehrsunfall als Beifahrer am 3. Oktober 2005 am Unfallort wieder ins Leben zurückgeholt, nach langem Koma wieder aufgeweckt, mir meine Sprache wiedergegeben und mir geholfen, vom Rollstuhl wegzukommen.” So und ähnlich lauten die Danksagungen – viele auch aus Holland: “Bedankt voor de Genezing in 1988” heißt es auf einem Schild. Mit Beginn des Seligsprechnungsprozesses mussten alle Danksagungen vom Grab entfernt werden. Seither hängen sie in einer eigens gebauten Votivkapelle.
Ab 1926 nahrungslos
Am 18. September jährte sich der Todestag der am 8. April 1898 als älteste von elf Geschwistern geborenen Schneiderstochter zum 60. Mal. Von 1918 bis 1923 lag sie nach einem Unfall gelähmt und später erblindet im Bett ihres Zimmers im elterlichen Haus, das später zur Pilgerstätte wurde und es noch heute ist. Just an den Tagen der Selig- und wenig später Heiligsprechung der Therese von Lisieux, einem großen Vorbild der Resl, wurde sie wieder gesund.
Ein Jahr später hatte sie laut Biografie des Konnersreuther Rings die erste Vision der Leidensgeschichte Christi, wenig später traten erstmals Stigmata in der Herzgegend sowie Wunden an Händen und Füßen auf. Im Oktober 1926 begann ihre Nahrungslosigkeit, ist auf der Homepage des Rings zu lesen. Jahrzehntelang soll sie danach ohne einen Tropfen Wasser ausgekommen sein und nur vom täglichen Empfang der Kommunion gelebt haben.
Die Stigmatisation
An der Frage, ob Resl eine fromme Betrügerin oder eine gottbegnadete Mystikerin war, schieden und scheiden sich die Geister. Wie die Süddeutsche Zeitung schon vor einigen Jahren schrieb, beschäftigt sich der Münchner Mediziner Otmar Seidl seit Jahrzehnten damit. Sein Großvater Otto Seidl war der Arzt, der Therese Neumann behandelte – und sie auf Bitten des Regensburger Bischofs intensiv untersuchte. Und Otmar Seidls Tochter promovierte mit einer Arbeit über “Stigmatisation mit den Wundmalen Christi”, Untertitel: “Zur Psychosomatik einer Körperinszenierung”. Wie die Seidls und andere Forscher herausgefunden haben, haben religiöse Fantasien viel mehr Kraft, sich in Symptome umzusetzen, als andere Fantasien. Autohypnotische Vorstellungen im Zustand der Ekstase können die Durchblutung verändern und an bestimmten Hautstellen spontane Blutungen auslösen.
Unzureichende Untersuchungen
Der Waldsassener Sanitätsrat Otto Seidl und vier Klosterschwestern untersuchten Therese Neumann im Juli 1927 zwei Wochen lang. Nun sind in einem Privatnachlass Notizen der Nonnen und zahlreiche Korrespondenzen Seidls aufgetaucht, die bestätigen: Die Untersuchungen waren unzureichend. Therese Neumann hatte sich geweigert, für diese zwei Untersuchungswochen in ein Krankenhaus zu gehen. Im Haus der Eltern aber hatte das Schwesternteam keine lückenlose Kontrolle über sie.
Reicher und reicher
Heikel wird es für die Seligsprechung, wenn die Prüfer Seidls Tagebuchaufzeichnungen lesen. Denn zu einer Beatifikation braucht es mehr als Blut und Heilungswunder: Es muss erst einmal nachgewiesen werden, dass der Mensch, der dann einmal im Gebet angerufen werden soll, wirklich durch und durch tugendhaft gelebt hat. Dem Arzt fiel auf, wie die einst bettelarmen Neumanns reicher und reicher wurden, und wie Resl die Konnersreuther steuerte: In Trance sagte sie, wer wen zu heiraten habe und welche Hochzeitsgäste einzuladen seien: Statt der Patin und dem Onkel sollte das Brautpaar lieber Honoratioren aus München einladen, die ihr sehr nahestanden.
Hostien und Wasser
Als eigentlichen Skandal bezeichnet Otmar Seidl die Nahrungslosigkeit. Demnach soll die Jungfer 36 Jahre lang nichts anderes und nicht mehr zu sich genommen haben als eine Hostie und zum Hinunterschlucken ein paar Tropfen Wasser. Jede weitere Untersuchung darüber lehnten sie strikt ab. Daran konnten selbst Weisungen aus dem Vatikan nichts ändern – die Neumanns blieben hart.
Zwei Fronten
Förderer und Kritiker des nun schon 17 Jahre dauernden Seligsprechnungsprozesses stehen sich unversöhnlich gegenüber. Glühender Befürworter des Prozesses ist neben den beiden erwähnten Vereinen und den meisten Konnersreuthern auch Toni Siegert. Der frühere Journalist gehört der Kommission aus Fachleuten an, die sämtliche Unterlagen, die etwas über die Wunder und die Tugendhaftigkeit dieser Frau aussagen könnten, überprüft. Äußern dürfen sie sich nicht. Alle Kommissionsmitglieder haben sich mit einem Eid auf die Bibel zum Schweigen verpflichtet. So auch Monsignore Georg Schwager, der im Regensburger Bistum die Abteilung für Selig- und Heiligsprechungsprozesse leitet. Lediglich über die Formalitäten darf er reden. Die Kommission prüfe sämtliche Unterlagen, die etwas über die Wunder und die Tugendhaftigkeit dieser Frau aussagen könnten. Eine komplette Erfassung von Schriften von und über Therese Neumann sei aber schwierig, denn die seien wegen ihrer internationalen Popularität zu Lebzeiten auf der ganzen Welt verstreut.
Das Bistum selbst gibt sich in dieser Frage recht neutral, hat auf seiner Homepage die Geschichte entschärft und stellt es distanzierter dar: “Nach ihren eigenen Aussagen lebte Therese mehr als 30 Jahre von der heiligen Eucharistie.”
Neues Museum im Schafferhof
Am 3. Juni wurde das Informations- und Begegnungszentrum Schafferhof mit dem Theres-Neumann-Museum eingeweiht.
Der Besucher lernt zuerst Therese Neumann kennen, bevor sie berühmt wurde und Besucher aus aller Welt nach Konnersreuth kamen. Auch die Phänomene Nahrungslosigkeit, Stigmata, Visionen kommen im neuen Museum nicht zu kurz. Egal ob „jung oder alt, Fachmann oder Laie oder vielleicht auch Skeptiker“ – jeder wird im Museum auf seine Kosten kommen, erklärt Museumsleiterin Elisabeth Vogl. „Wir haben nur Belege und Exponate aus erster Hand“. Den Besuchern soll durch die verschiedenen Blickwinkel die Möglichkeit gegeben werden, sich eigenständig über die Geschehnisse in Konnersreuth eine Meinung zu bilden. Das Museum ist medientechnisch auf dem neuesten Stand. An einigen Stationen gibt es originale Ton- und Filmaufnahmen zum Anschauen und Anhören.
Professor mahnt
Der Regensburger Professor Dr. August Jilek steht dem Seligsprechungsverfahren
skeptisch gegenüber und mahnt zu Nüchternheit. Wie beurteilt er die Nahrungslosigkeit und das Bluten aus Stigmata an Freitagen? “Der gesamte Komplex ist kein Feld für Glaubensfragen oder für Theologen, sondern für Fachleute der Psychiatrie.” Jilek verweist darauf, dass drei Regensburger Bischöfe ein Verfahren zur Seligsprechung der Resl abgelehnt hätten: Michael Buchberger, Rudolf Graber und Manfred Müller. “Sie hatten beste Gründe, die zweifelsfrei belegt sind, unter anderem in Schriften von Dr. Josef Hanauer“, sagt der Professor. Der katholische Priester Hanauer gilt als einer der größten Kritiker der Resl. In seinem Buch “Konnersreuth als Testfall” kommt er zu dem Ergebnis, dass anscheinend “das ganze Konnersreuther Gebäude von Anfang bis zum Ende ein frommer Betrug ist.” Was angeblich nur aus überirdischer Einwirkung abgeleitet werden könne, seien in Wahrheit “durchaus natürlich zu erklärende Dinge”.
“Kann damit nichts anfangen”
Weit unaufgeregter sieht ein Konnersreuther Mittvierziger den Fall. Beim Grabgießen auf dem Friedhof auf die Resl angesprochen, meint er, der seinen Namen “auf keinen Fall” lesen will: “Wer daran glauben will, soll es ruhig tun. Und meinetwegen sollen sie die Resl auch selig sprechen. Ich kann mit diesem Zirkus nichts anfangen.” Er erinnere sich an einen Arzt, der gefragt habe, ob die Therese Neumann auf die Toilette müsse, “also nicht nur klein.” “Nachdem die Frage mit Ja beantwortet werden musste, hat sich das Thema Nahrungslosigkeit wohl erledigt, oder?”, sagt der Mann schmunzelnd.






