Verfassungsviertelstunde: Elly-Heuss-Gymnasium lädt Richterin ein

Verfassungsviertelstunde: Elly-Heuss-Gymnasium lädt Richterin ein

Verfassungsviertelstunde? Noch nie davon gehört? Dann fragen Sie mal Ihre Kinder. Diese Erfindung des Kultusministeriums beschäftigt seit Schuljahresbeginn die Lehrkräfte an allen bayerischen Schulen. Sie sollen ihren Schülern die Verfassung, das Grundgesetz, generell Demokratie näherbringen. Jede Woche ist dafür eine 15-Minuten-Unterrichtseinheit reserviert.

Beispiel Elly-Heuss-Gymnasium. Immer wieder montags, 11.05 Uhr, trifft sich die ganze Schulfamilie in der Aula. Meistens gestalten Klassen ein Thema. Diesen Montag kann Schulleiter Harald Pröm einen externen Gast dazu begrüßen: Janina Leinhäupl, Richterin am Landgericht Weiden und selbst eine ehemalige Elly-Schülerin (Abitur 2009).

Thema: Wahrheit

Sie wäre vielleicht selbst keine schlechte Lehrerin geworden. In flotten 15 Minuten macht die Juristin die “Wahrheit” zum Thema. Was ist Wahrheit? Was ist Wahrnehmung? Gleich am ersten Praxisbeispiel wird das klar. Ganz nebenbei hat eine Schülerin vor dem Auditorium von rund 400 Schülerinnen ein Selfie gemacht. Oder hat sie nur eine leere Handy-Hülle hochgehalten? Plötzlich ist sich da keiner mehr so sicher.

“Habt ihr das jetzt genau gesehen?”, bohrt die Richterin nach. “Ihr habt’s doch geratscht.” Sie empfiehlt den Mädchen dringend, sich immer auf die Seite der Wahrheit zu stellen, gerade als Zeuge vor Gericht. Außerdem: Keine Angst vor schwierigen Situationen zu haben. Und: Keine Lügen zu verbreiten.

Die Kanäle dafür sind heute umfangreicher als nur Tratsch auf dem Pausenhof. Jede Schülerin hat ein Handy, jede hat WhatsApp. Fast alle Hände gehen hoch auf die Frage, wer TikTok und YouTube nutzt. Die Großen in den hinteren Reihen haben Instagram. “Aus all den Informationen die Wahrheit zu finden, ist schwierig”, weiß Janina Leinhäupl.

Akademie-Direktorin aus Tutzing zu Gast

Die Juristin (Studium in Bayreuth, dann Rechtsanwältin, Staatsanwältin in Bayreuth, Richterin am Amtsgericht Tirschenreuth, jetzt am Landgericht Weiden) plaudert auch ein wenig aus dem Nähkästchen. Sie berichtet von einem Fall, der ihr als Jugendrichterin in Tirschenreuth unterkam: Eine angeklagte Vergewaltigung pulverisierte sich während der Verhandlung. Die Geschädigte hatte gelogen, möglicherweise gar nicht verstanden, was eine Vergewaltigung ist.

Am Ende wird es trotz der ernsten Themen noch einmal heiter in der Aula. Mit roten und grünen Kärtchen sollen ein paar Fragen beantwortet werden. “Wer hat schon einmal geschwindelt?” Rot steht für Ja – und Janina Leinhäupl blickt in ein Meer aus roten Kärtchen. Am Ende bedankt sich eine Schülerin, “dass unser Elly als kleiner Gerichtssaal der Wahrheit dienen durfte”.

Aus Sicht von Schulleiter Pröm haben sich die Verfassungsviertelstunden durchaus bewährt, und zwar nicht nur im Sinne von politischer Bildung. So ganz nebenbei werden den Schülerinnen auch Karrieremöglichkeiten aufgezeigt. Kürzlich war beispielsweise Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, zu Gast. Weiteres Plus der Verfassungsviertelstunden: Die Schülerinnen üben dabei, vor großem Publikum ein Thema zu präsentieren.

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