Haushaltsdebatte in Weiden scheitert an Gewerbesteuer - OB Jens Meyer: Ich bin maßlos enttäuscht

Haushaltsdebatte in Weiden scheitert an Gewerbesteuer - OB Jens Meyer: Ich bin maßlos enttäuscht
Die Kämmerei der Stadt Weiden mit Dienstherr OB Jens Meyer hat einen Haushaltsentwurf 2026 vorgelegt. Die Rahmenbedingungen sind bekanntermaßen äußerst angespannt. Um eine Deckungslücke von 5,5 Millionen Euro zu schließen, führt aus Sicht der Kämmerei kein Weg an einer Erhöhung der Gewerbesteuer vorbei. Es wäre die erste Anhebung seit 2012/13. Nur auf diese Weise sei der unmittelbar bevorstehende Neubau der Realschulen gesichert.
Die Abstimmung endet mit 6:5 Stimmen gegen die Erhöhung. CSU, Bürgerliste, “Freie” überstimmen SPD, Grüne und Basis. Über den Haushalt und Finanzplan wird dann gar nicht weiter diskutiert. Das Thema Haushalt wird “mit Kopfschütteln”, so OB Meyer, in eine Sondersitzung vertagt. “Ich hätte mir das anders gewünscht. Vor allem für die Schulfamilien.” Im Zuhörerraum sitzen einige, recht blasse Vertreter der Scholl-Realschulen.
OB Jens Meyer: “Ich bin maßlos enttäuscht”
Im folgenden Interview sagt der Oberbürgermeister: “Ich bin maßlos enttäuscht.” CSU und Bürgerliste gefährden damit aus seiner Sicht den Neubau der Realschulen. Und das kurz vor der Ziellinie. Seit 2011 beschäftigt sich der Stadtrat mit den dringend renovierungsbedürftigen Realschulen. Der Neubau ist fest beschlossen. Alle notwendigen Schritte sind getan: Bebauungsplan, Rücklagen. Günstiger wird’s nicht: Die Fördersumme liegt bei 45 von 71 Millionen Euro Baukosten.
OB Meyer steht unmittelbar vor der Unterzeichnung des Projektauftrags (14. Dezember). In wenigen Monaten könnte es mit dem Neubau losgehen. Voraussetzung: “dieser Haushalt.” “Diese Schule bildet unseren Arbeitgebern die Arbeitskräfte aus. Sie hat es verdient, ins 21. Jahrhundert geführt zu werden.”
Kämmerer Stefan Rögner geht in der Sitzung noch weiter und wendet sich direkt an die Fraktionen der CSU, Bürgerliste und Freien: “Wir bekommen ein eklatantes Problem. Ihre Blockadehaltung gefährdet alle Projekte. Auch die Feuerwache.” Wenn der Haushalt nicht ausgeglichen würde, wäre Weiden als Kommune nicht mehr leistungsfähig. Ihm fehlen die Worte: “Ich weiß nicht, was man dazu noch sagen soll. Ob das noch Handeln zum Wohle der Stadt Weiden ist, muss man hinterfragen.”
OB Meyer und Kämmerei: Erhöhung der Einnahmen unvermeidbar
An der Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 380 auf 420 Prozent führt aus Sicht der Kämmerei und des Oberbürgermeisters kein Weg vorbei. “Es macht alles andere als Spaß, einen solchen Vorschlag vier Monate vor der Wahl zu bringen. Natürlich wünscht man sich da einen Haushalt voller Geschenke”, sagt Meyer. “Aber die Realität sieht anders aus. Mir geht es darum, Verantwortung zu übernehmen.” Er will “ehrlich sein”.
Der Stadt Weiden wird die Luft genommen: durch eine hohe Bezirksumlage, eine Explosion des Sozialhaushalts sowie durch Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst (“bei einer der niedrigsten Personalquoten Bayerns”). Jeder Ausgabeposten der Stadt Weiden ist ausgepresst wie eine Zitrone. Freiwillige Leistungen sind längst auf ein Minimum zurückgefahren. Landauf landab kämpfen Kommunen ums Überleben.
Kämmerer: Regierung wird nichts anderes genehmigen
Rögner und seine Kollegen aus der Kämmerei betonen mehrfach die Notwendigkeit der Erhöhung der Einnahmen. Die Regierung lasse als Genehmigungsbehörde gar nichts anderes zu. “Das ist kein Wunsch-Haushalt. 90 Prozent sind Pflichtaufgaben, die die Stadt erfüllen muss. Die restlichen 10 Prozent sind durch Stadtratsbeschlüsse hinterlegt.”
Den Kämmerer nervt der Vergleich mit kleinen Umlandgemeinden. Weiden habe als Oberzentrum ganz andere Aufgaben: Kliniken Nordoberpfalz, Max-Reger-Halle, drei Gymnasien, 18 Schulen, 19 Kindergärten, Regionalbibliothek… “Wir haben als Oberzentrum zig weitere Aufgaben. Wenn wir die streichen, dann töten wir diese Stadt.”
Diese Hebesatzanpassung fällt uns nicht leicht und sie erfolgt auch nicht aus fiskalischem Opportunismus. Sie ist absolut notwendig, um unsere dauernde Leistungsfähigkeit auf viele Jahre zu wahren.
Kämmerer Stefan Rögner
CSU-OB Kandidat Zeitler: “Für uns ist die Realschule nicht what-ever-it-takes”
OB-Kandidat Benjamin Zeitler (CSU) erklärt die Ablehnung der Gewerbesteuer-Erhöhung: “Es wirkt fast so, als wären wir alternativlos. Wir sind nie alternativlos.” Für alle Gewerbesteuerzahler der Stadt bedeute die Anhebung des Satzes eine zehn Prozent höhere Gewerbesteuer. “Das trifft nicht nur die großen Gewerbesteuerzahler. Es trifft vor allem die kleinen. Wer meint, das spielt keine Rolle, der soll sich mal in der Wirtschaft umhören.”
Zeitler warnt vor Umsiedlungsplänen der Firmen ins Umland, einer Abwanderung von Betrieben nach Luhe und Neuhaus, Parkstein und Altenstadt/WN, die “vor unserer Nase ein Gewerbegebiet erschließen”. Bei Gewerbesteuer-Hebesätzen von 300. “Wir brauchen doch nicht glauben, dass Unternehmen bei deutlich höherer Steuerlast in Weiden weitermachen.” Zeitler fordert vielmehr, proaktiv Gewerbe anzusiedeln.
Im Interview nach der Sitzung stellt der CSU-Fraktionschef den Realschulneubau in Frage. “Für uns ist die Realschule nicht what-ever-it-takes.” Es könne nicht angehen, dass auf Kosten einer Schule in Weiden alles andere hintenan stehen müsse. Auch andere Schulen: Für das Kepler-Gymnasium seien entgegen der beschlossenen 500.000 Euro stattdessen Null Euro im Haushalt eingestellt.
Wir brauchen doch nicht glauben, dass Unternehmen bei deutlich höherer Steuerlast in Weiden weitermachen.
Benjamin Zeitler (CSU-Fraktionschef)
“Freie” das Zünglein an der Waage
Gisela Helgath (Basis) bittet die CSU vergebens, “sich das zu überlegen”: “Sie, Herr Zeitler, als Geschäftsführer eines Bildungscampus, müssen doch wissen, was Bildung bedeutet. Hier geht es um die Zukunft unserer Stadt und unserer Kinder.”
Nach einer schlaflosen Nacht votiert Reinhold Wildenauer (FDP) für die “Freien” gegen die Anhebung der Gewerbesteuer. Obwohl sein Herz für die Realschulen schlage. Aber eine Gewerbesteuererhöhung könne seine Fraktion im Sinne einer wirtschaftsfreundlichen Politik nicht mittragen. Der “alte Hase” Wildenauer appelliert an Zusammenarbeit: “Wir sitzen in einem Boot, wir müssen gemeinsam rudern.” Der Bürger dürfe das Vertrauen in die Politik nicht verlieren. Christian Deglmann (Bürgerliste) moniert die “dauerhafte Einfallslosigkeit” der Verwaltung, die Finanzprobleme zu lösen.
Nächste Termine: Stadtratssitzung im Dezember, Sondersitzung noch davor
SPD-Fraktionschef Roland Richter richtet zum Abschluss eine Warnung an die politischen Kontrahenten: “Wenn wir am Ende eines gemeinsamen Wegs im Streit auseinander gehen, dann verliert Weiden seine größte Stärke: das Zusammenspiel der demokratischen Kräfte.”
OB Meyer kündigt die Terminierung einer Sondersitzung für den Haushalt 2026 an. Am 15. Dezember ist ohnehin Stadtratssitzung, im Januar die nächste Finanzausschuss-Sitzung an. Zur Erinnerung: Auch im letzten Jahr ging der Erstentwurf des Haushalts nicht gleich durch und wurde letztlich erst im Februar 2025 verabschiedet.
Beschlossene Gebührenerhöhungen
- Ein paar Dinge beschloss der Finanzausschuss am Mittwoch dann doch: Die Abfallentsorgungsgebühren werden ab dem 1. Januar 2026 für die nächsten vier Jahre neu festgesetzt. Alternativen zur Erhöhung gibt es nicht: Die Abfallwirtschaft muss kostendeckend finanziert werden. Wolfgang Pausch (CSU) sprach von einer “herben Erhöhung” von rund 30 Prozent. “Aber wir sehen auch, dass man nicht umhin kommt.” Wie Roland Richter (SPD) informierte, dass eine Überdeckung gegebenenfalls an die Bürger zurückgegeben wird.
- Der Finanzausschuss votierte zudem für eine Erhöhung der Turnhallengebühren für auswärtige Vereine, um ortsansässige Vereine zu priorisieren. Vorgesehen ist eine Anhebung der Gebühren auf 2,50 Euro werktags und 5 Euro am Wochenende je 15 Minuten. Im Januar entscheidet der Stadtrat.



