OTH Amberg-Weiden
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[Update] Kreistag Tirschenreuth lehnt Bürgerbegehren zur Krankenhaus-Zukunft ab

Tirschenreuth. Der Kreistag Tirschenreuth hat nach einer fünfstündigen Sitzung das von der "Initiative Klinik Retten" initiierte Bürgerbegehren zur Zukunft des Krankenhauses Tirschenreuth aus "rechtlichen Gründen" mit 28:10 Stimmen abgelehnt.

[Update] Kreistag Tirschenreuth lehnt Bürgerbegehren zur Krankenhaus-Zukunft ab

Klaus Gehring, Dr. Hans-Jürgen Jokiel (von rechts) und Dr. Bertram Völkl (nicht auf dem Bild) übergaben Landrat Roland Grillmeier am 19. April die Unterschriftenlisten. Foto: Udo Fürst

Die Ablehnung des Bürgerbegehrens der “Initiative Klinik Retten” (IKR) hatte sich bereits bei der Pressekonferenz vor der Kreistagssitzung angedeutet. Dort informierte Oberregierungsrätin Regina Kestel, dass das Begehren nach genauer Prüfung in mindestens drei Punkten nicht die “materielle rechtliche” Zulässigkeit erfülle.

Klinik-Retter übergeben fast 8000 Unterschriften an Landrat Roland Grillmeier

Klinik-Retter übergeben fast 8000 Unterschriften an Landrat Roland Grillmeier

Tirschenreuth. Mehr als ein Hoffnungsschimmer? Am Freitag übergaben die Initiatoren der Initiative "Klinik Retten" an Landrat Roland Grillmeier 7877 Unterschriften als Voraussetzung eines Bürgerbegehrens gegen die Schließung der Notaufnahme am Krankenhaus Tirschenreuth.

Eine rechtliche Würdigung des Bürgerbegehrens nahmen in der Kreistagssitzung Dr. Fritz Böckh und Regina Kestel vor. Diese kamen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass das Bürgerbegehren als nicht zulässig eingestuft werden muss. Hauptgründe sind die Übertragung der gesetzlichen Pflicht zum Betrieb von Krankenhäusern an die Kliniken Nordoberpfalz AG bereits seit 2006 sowie fehlerhafte Behauptungen im Bürgerbegehren selbst. Der Kreistag folgte den Ausführungen der beiden Juristen und der Sachverständigen und lehnte das Begehren mit 28:10 Stimmen als unzulässig ab.

Deutliche Worte fand nach der Sitzung Dr. Hans-Jürgen Jokiel, einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens der “Initiative Klinik Retten”. Er bezeichnete die Referentenvorträge und Stellungnahmen der Fraktionssprecher im Kreistag als “Geschwafel, das man sich hätte sparen können”.

Beim Bürgerbegehren ging es auch um das Aus der Notaufnahme am Krankenhaus Tirschenreuth. Foto: Udo Fürst

Landrat: “Wir haben verstanden”

Landrat Roland Grillmeier machte deutlich, dass man durchaus verstanden habe, was die
Bürgerinnen und Bürger mit ihren Unterschriften erreichen wollen. „Deutlich über 8.000 Unterschriften müssen wir sehr ernst nehmen. Wir als Kreistag wollen deshalb heute ein Signal senden. Gesundheitsversorgung für die Menschen ist für uns eine wichtige Aufgabe, der wir uns weiterhin aktiv stellen.“

Folgende Beschlüsse fasste der Kreistag Tirschenreuth zum Abschluss der Sitzung:

1. Der Kreistag beschließt, dass der Landkreis seinen Einfluss auf die KNO AG geltend macht, sich für den dauerhaften Erhalt und den Ausbau zukunftsfähiger Medizin und Strukturen an den Standorten Tirschenreuth und Kemnath einzusetzen. Dazu gehören am Standort Tirschenreuth die Stärkung der Inneren Medizin mit dem Schwerpunkt Altersmedizin und des MVZs, die Verbesserung der Notfallambulanz mit der KVB, der weitere Ausbau des ambulanten OP-Zentrums der KNO sowie der Erhalt des Standorts
Kemnath.

Zoigltermine
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2. Der Kreistag unterstützt eine adäquate Nachnutzung der KNO-Liegenschaft in Erbendorf.

3. Der Kreistag beschließt, dass sich der Landkreis beim ZRF dafür einsetzt, eine Verbesserung der Notfallrettung mit Erweiterung und Stärkung der RTW Standorte im Landkreis – insbesondere im Versorgungsbereich der Standorte Wernersreuth und Griesbach zu erreichen.

4. Der Kreistag beschließt, dass sich der Landkreis beim Bayerischen Staatsministerium des
Inneres erneut um eine Verbesserung der Flugzeiten für die Luftrettung, wie
Randzeitenerweiterung bzw. 24/7 Einsatz des Christoph 80, einsetzt.

5. Der Kreistag beschließt eine Arbeitsgruppe mit Vertretern/innen der Fraktionen, der KNO AG, Notärztinnen und Notärzten, niedergelassenen Ärzten, KVB, ZRF und Personen mit
medizinischer Fachkompetenz einzurichten, die dieses Thema begleiten und evaluieren. Diese Arbeitsgruppe soll in der nächsten Wahlperiode in einen Fachausschuss des Landkreises umgewandelt werden.

6. Der Kreistag beschließt, dass sich der Landkreis bei den Bundes- und Landesgesetzgebern dafür einsetzt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine bedarfsgerechte Krankenhausplanung und -finanzierung insbesondere im ländlichen Raum ermöglichen.

7. Der Kreistag beschließt, dass der Landkreis sein Maßnahmenbündel für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Akteuren der
Hausarztschmiede, Arztstipendien, Pflegekonferenz, Konzepte der GesundheitsregionPlus
Nordoberpfalz, Unterstützung der kommunalen MVZ-Strukturen, Unterstützung des
Programms der KNO zur Notarztausbildung und weitere durch die Arbeitsgruppe bzw. den
Fachausschuss zu erarbeitende Maßnahmen fortsetzen und verstärken wird.

Die Sicht des Zweckverbands für Rettungsdienst und
Feuerwehralarmierung

Hat die Schließung der Notfallaufnahme am Krankenhaus Tirschenreuth
Auswirkungen auf die rettungsdienstliche Versorgung in der Region? Diese Frage wurde vom Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Oberpfalz-Nord eingehend analysiert. Folgend auszugsweise die Ergebnisse der Analyse des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement (INM) München, die ZRF-Sprecher Jürgen Meyer mitteilt:

“Das Krankenhaus Tirschenreuth hat als Teil des Sanierungskonzepts wesentliche Bereiche an das Klinikum Weiden verlagert. Dies hat zur Folge, dass die rettungsdienstliche Versorgung in Tirschenreuth neu organisiert werden muss. Die Analyse, basierend auf aufbereiteten Einsatzdaten der Integrierten Leitstelle (ILS) in Weiden, untersuchte den Einfluss der Schließung auf die gesetzliche 12-Minuten-Frist in den Versorgungsbereichen Kemnath, Erbendorf, Mitterteich und Tirschenreuth.

Vor der Schließung wurden bereits Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen oder Verletzungen wie Kreislaufstillstand, Polytrauma, Schlaganfall oder Herzinfarkt in umliegende Kliniken transportiert“, erklärt Meyer. Die Untersuchung ergab, dass die gesetzliche Erreichungsfrist in allen Versorgungsbereichen weiterhin erreicht werden kann. Jedoch steigt die prähospitale Zeit (Zeitraum zwischen Notfallmeldung und Ankunft an der Zielklinik) für Notfälle mit Patiententransport im Versorgungsbereich Tirschenreuth an, was im Mittel einer Verlängerung um etwa 15 Minuten entspricht. “Der wesentliche Einflussfaktor auf den Erreichungsgrad der 12-Minuten-Frist ist die Fahrzeit der qualifizierten Rettungsmittel zum Notfallort. Diese ist weiter gewährleistet, da in den letzten Jahren bereits zusätzliche Rettungswagen-Standorte in Wernersreuth, Griesbach und Neusorg geschaffen wurden.“

Im bayernweiten Vergleich erreiche man in der Region auch nach den Veränderungen noch gute Werte bei der Einhaltung der 12-Minuten-Frist mit bis zu 86 Prozent. Die längere Einsatzbindung durch die Schließung der Notaufnahme in Tirschenreuth führe zwar zu längeren Fahrtwegen zu anderen Kliniken, was auch die Verfügbarkeit von Rettungswagen für Notfalleinsätze beeinträchtigen könnte. Durch die zusätzlichen Standorte sei aber bereits zusätzliche Sicherheit geschaffen worden.

Die Geschäftsleitung des ZRF Oberpfalz-Nord mit Katja Sonnauer und Rudi Niegl und dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD), Dr. Josef Kick, bewerteten das Gutachten. Laut deren Analyse habe die Verlängerung der prähospitalen Zeit um 15 Minuten keinen wesentlichen Einfluss auf die Notfallversorgung im Landkreis Tirschenreuth, solange die Umverteilung der Patienten auf andere Kliniken effektiv realisiert werde. Kick: “Die Einhaltung der 12-Minuten-Erreichungsfrist in allen Versorgungsbereichen ist gegeben. Jedoch verzeichnen wir eine deutliche Zunahme der Einsatz- und Transportzeiten für den Rettungsdienst. Die Bindung rettungsdienstlicher Ressourcen hat sich deutlich erhöht. Zudem muss unbedingt die Aufnahme-Fähigkeit der Kliniken Weiden, Kemnath und Marktredwitz deutlich verbessert werden. Insgesamt können die gesetzlichen Vorgaben der Einhaltung der 12-Minuten-Frist in den Versorgungsbereichen Kemnath, Erbendorf, Mitterteich und Tirschenreuth weiterhin eingehalten werden.” Es sei lediglich mit geringfügigen Verschlechterungen zu rechnen. “Daher ist laut Gutachten keine Anpassung der
derzeitigen Rettungsmittelvorhaltungen oder der räumlichen Verteilung von Rettungswachen und Stellplätzen erforderlich“, sagt Katja Sonnauer.

Bayernweit im Vorderfeld

Zuvor hatten Dr. Josef Kick, ärztlicher Leiter des Zentralen Rettungsverbands, und die vom Landkreis beauftragte medizinische Sachverständige Dr. Regina Klakow-Franck dargelegt, dass die Erreichbarkeit der infrage kommenden Krankenhäuser Weiden, Kemnath und Marktredwitz innerhalb von 30 Minuten für 95,7 Prozent aller Landkreisbürger gewährleistet sei. Lediglich auf 3102 Einwohner (Bad Neualbenreuth und Mähring) treffe das knapp nicht zu. Doch das liege im gesetzlich vorgeschriebenen “Betroffenheitsmaß”.

Bayernweit rangiere man mit diesen Zahlen sogar im Vorderfeld, betonte Landrat Roland Grillmeier. Sowohl Kick als auch Klakow-Franck hatten ihre Vorträge detailreich und mit aufschlussreichen Zahlen untermauert. Josef Kick wies ferner darauf hin, dass man 30 Minuten mit dem Pkw nicht mit einer Fahrt im Rettungswagen vergleichen könne. Alle drei Redner betonten, dass die Schließung der Notaufnahme am Haus Tirschenreuth keine oder kaum Folgen für die Patienten habe. Sie verwiesen erneut darauf, dass bisher schon alle zeitkritischen Fälle (“Tracer-Diagnosen”) wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder (unfall-)chirurgische Verletzungen in anderen Krankenhäusern wie Weiden behandelt worden seien.

“Geschwafel hätte man sich sparen können”

Dr. Hans-Jürgen Jokiel zeigte sich enttäuscht über das Ergebnis, obwohl man das “fast erwarten habe können”. Der Notarzt kritisiert das Prozedere der Sitzung mit den “ellenlangen Vorträgen”, die Jokiel als “Werbeveranstaltung für die KNO und Geschwafel” bezeichnete. Es hätte gereicht, wenn allein die rechtlichen Gründe für die Ablehnung dargelegt worden wären. Er zweifelte die Aussagekraft der Argumente sowohl von Dr. Josef Kick (“Thema verfehlt, Note 5”) als auch von Dr. Regina Klakow-Franck an. “Uns geht es um die 30-Minuten-Frist, die für ein paar Tausend Landkreisbewohner nicht eingehalten werden kann. Geredet wurde aber immer von der bayerischen 12-Minuten-Hilfsfrist, um dies es aber gar nicht ging. Man hätte sich auch das Geschwafel der Fraktionssprecher sparen können. Die wissen seit einem halben Jahr, worum es geht.” Abschließend befürchtet Jokiel, dass die Leute die Entscheidung des Kreistags mit ihrer Stimme bei der nächsten Wahl entsprechend quittieren könnten.