Schulabsentismus rückt beim Fachtag in Weiden in den Fokus

Schulabsentismus rückt beim Fachtag in Weiden in den Fokus
Regionale Verantwortung für Kinder und Jugendliche
Zunächst verlas Dr. Christian Rexroth das Grußwort von Bezirkstagspräsident Franz Löffler, der kurzfristig erkrankt war. Löffler erinnerte darin, dass Schulbesuch mehr sei als das Erreichen eines Abschlusses. Er bedeute Zugang zu Bildung, Teilhabe und Zukunft – wer lange draußen bleibe, habe es später auf dem Arbeitsmarkt deutlich schwerer. In Bayern seien statistisch bis zu 170.000 Kinder und Jugendliche von Schulabsentismus betroffen, in der Oberpfalz gehe man von rund 6.000 Fällen aus. Löffler rief dazu auf, gemeinsam gegenzusteuern, damit keine Generation den Anschluss verliert.
Regierungspräsident Walter Jonas sprach von erschreckenden Zahlen
Wie wichtig das Thema für die Regierung der Oberpfalz ist, unterstrich die Anwesenheit von Regierungspräsident Walter Jonas. Er bezeichnete das systematische Fernbleiben vom Unterricht als drängendes Problem: “Wie wichtig für die Gesellschaft eine gute Schulbildung ist, zeigt, dass bereits 1919 die allgemeine Schulpflicht eingeführt worden ist. Seit mehreren Jahren kämpfen wir nun gemeinsam darum, dass diese Errungenschaft nicht ausgehöhlt wird. Was in früheren Schülergenerationen eine pubertäre Mutprobe war, ist heute ein Phänomen, das bereits in der Grundschule auftaucht.”
Jonas rief zu vereinten Anstrengungen aller gesellschaftlich relevanter Kräfte auf.
Wenn das Warnlicht bei Schulabsentismus blinkt
Viele Fälle beginnen schleichend: Erst fehlt ein Schüler an einzelnen Tagen, später werden ganze Wochen daraus. Eltern hoffen zunächst, dass sich alles von selbst regelt, und Schulen versuchen, mit Gesprächen gegenzusteuern. Irgendwann jedoch melden sich Jugendamt oder Polizei, weil ein Jugendlicher seit Monaten nicht mehr im Unterricht erschienen ist. Experten schätzen, dass etwa fünf bis zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler zeitweise vom sogenannten Schulabsentismus betroffen sind.
Schulabsentismus als Symptom tiefer Belastungen
Dr. Christian Rexroth bezeichnet Schulabsentismus als ernstzunehmendes Symptom. In der Regel zeige sich darin eine länger andauernde seelische Belastung oder eine psychische Erkrankung. Viele Jugendliche litten unter Ängsten, depressiven Symptomen oder psychosomatischen Beschwerden und erlebten die Schule eher als Ort der Überforderung denn als Raum des Lernens. Umso wichtiger sei es, frühzeitig hinzuschauen, Ursachen zu klären und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Fachtag vernetzt Schule, Medizin und Jugendhilfe
Beim Fachtag stellten Fachleute aus Regensburg und Weiden erfolgreiche Interventionsmodelle vor. Die Chefärztin der medbo Kinder- und Jugendpsychiatrie Regensburg, PD Dr. Stephanie Kandsperger, präsentierte Daten der Spezialambulanz für Schulabsentismus. Das Team der Ambulanz in Weiden um Dr. Christian Burger zeigte, wie eine enge Zusammenarbeit mit Schulen, Beratungsstellen und Hausärzten hilft, gefährdete Jugendliche früh zu erreichen. Schulpsychologen und Berater aus der Oberpfalz gaben Einblicke in erfolgreiche Projekte, bei denen Eltern eng einbezogen und klare Vereinbarungen getroffen werden.
Polizei und Justiz setzen auf frühe Ansprache
Eine wichtige Rolle im Kampf gegen Schulabsentismus spielt auch die Polizei. Polizeihauptkommissar Manuel Ott von der Polizeiinspektion Weiden erläuterte den sogenannten ‘Schulverweigereransatz’. Dabei arbeiten Polizei, Schulen und Jugendämter eng zusammen, dokumentieren Kontakte und begleiten Familien über längere Zeit.
Mehrere Workshops befassten sich außerdem mit der Kooperation von Jugendhilfe und Gerichten sowie mit regionalen Frühwarnsystemen. Ziel ist es, Zuständigkeiten klar zu definieren, bestehende Netzwerke zu stärken und Kinder nicht erst nach Monaten aus dem Blick zu verlieren.
Eltern als wichtigste Partner im Alltag
Immer wieder wurde beim Fachtag betont, welche Schlüsselrolle Eltern beim Umgang mit Schulabsentismus spielen. Sie erleben den Rückzug ihrer Kinder aus nächster Nähe, fühlen sich jedoch häufig überfordert und alleingelassen.
Die Referentinnen und Referenten warben deshalb für niedrigschwellige Beratungsangebote, klare Ansprechpartner in der Schule und verlässliche Absprachen mit Jugendhilfe und Ärzten. Wichtig sei zudem, dass Eltern bei Schwierigkeiten nicht aus Angst vor Schuldzuweisungen zögerten, Hilfe zu suchen, sondern dies als verantwortungsbewussten Schritt verstünden.
Mehrere Praxisberichte zeigten, wie offene Gespräche, Hausbesuche und gemeinsame Zielvereinbarungen dazu beitragen können, Schulabsentismus zu unterbrechen und wieder Vertrauen in den Schulalltag aufzubauen. Eltern brauchen nach Einschätzung der Fachleute klare Informationen über vorhandene Hilfen, verständliche Sprache und ausreichend Zeit, um Sorgen und Ängste äußern zu können. Nur wenn sie sich ernst genommen fühlen, lassen sich längerfristige Vereinbarungen im Interesse ihrer Kinder wirklich einhalten. Dazu gehören auch verständliche Schreiben, erreichbare Telefonnummern und flexible Gesprächstermine. Das hilft nachhaltig.
Neue Klinikstrukturen in Weiden unterstützen Betroffene
Die medbo (Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz) nutzte den Fachtag auch, um über den Neubau der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Weiden zu informieren. Bereits seit 1998 gibt es hier eine Ambulanz, seit 2001 ergänzt durch eine Tagesklinik. Mit dem neuen Gebäude entstehen 32 stationäre Plätze und 18 Tagesklinikplätze, zusätzlich ist eine Mutter-Kind-Tagesklinik geplant. Für Familien in der Nordoberpfalz bedeutet das kürzere Wege, mehr spezialisierte Angebote und bessere Chancen, Schulabsentismus früh zu behandeln.



