Jahn in Liga 3: In Ulm wieder kein Erwachsenenfußball
Jahn in Liga 3: In Ulm wieder kein Erwachsenenfußball
Erst vergibt der ebenfalls krisengeschüttelte Mitabsteiger SSV Ulm nach der Trainerentlassung nach kaum zwei Minuten die erste Großchance des Spiels – postwendend gelingt Benedikt Bauer nach Ballverlust, Gegenpressing, Kuddelmuddel im Strafraum von der 16er-Kante zum 0:1. Anschließend stellen die Oberpfälzer zum Erstaunen aller Beobachter das Spielen ein – zum Aus-der Haut-Fahren für Jahn-Chefcoach Michael Wimmer, der an der Seitenlinie vergeblich tobt.
Die Spatzen übernehmen etwas couragierter das Kommando, haben klare Feldvorteile, gewinnen mehr Zweikämpfe, nur der letzte Pass in die Box will noch nicht so recht gelingen. „Uns fehlte die schnellere Verlagerung und die Boxbesetzung“, moniert Ulms Interimscoach Moritz Glasbrenner nach der Partie.
Seit vier Wochen reden wir darüber, dass wir diese Fehler abstellen müssen, und seit vier Wochen schaffen wir es nicht
Jahn-Chefcoach Michael Wimmer
Für den Befreiungsschlag gegen kopflose Regensburger reicht es dennoch. Weil der Jahn einmal mehr seine Kontrahenten regelrecht zum Toreschießen einlädt. Wimmer bringt es auf den Punkt: „Das ist nicht Erwachsenenfußball“, ist der Fußballlehrer fassungslos. „Seit vier Wochen reden wir darüber, dass wir diese Fehler abstellen müssen, und seit vier Wochen schaffen wir es nicht – wir spielen zweimal dem Gegner direkt in die Füße, so dass sie alleine aufs Tor zulaufen. Das funktioniert so nicht. wenn wir das nicht abstellen, wird’s ganz schwierig Punkte zu holen.“
So steht am Ende nach, über weite Strecken trostlosen 96 Minuten nicht nur passend zur Gesamtstimmung eine Rote Karte für Comebacker Bene Saller (89.), sondern ein 1:2 bei Mitabsteiger SSV Ulm, 4 Punkte nach sieben Spieltagen und außer einem couragierten Auftritt des endlich wieder einsatzfähigen Eric Hottmann wenig Lichtblicke.
Früher Treffer, frühe Passivität
Traumstart nach Lehrbuch: In Minute 4 klärt Ulm eine Hereingabe von Noel Eichinger nur bis an die Kante – Benedikt Bauer nimmt den Ball mit, zieht trocken ab und jagt ihn flach links unten rein: 0:1. Keeper Christian Ortag blickt stumm hinterher. Und dann? Regensburg macht das Licht aus. Der Jahn überlässt Ulm das Feld, betet Fehlpässe herbei und hält den Vorsprung nur, weil Ulm in der Box zu zahm bleibt.
Die Ecken von Adrian Fein geraten zur Parodie – eine dieser zu kurz geratenen Heber muss er im Sprint weggrätschen und leitet damit fast den Konter ein. Auf der anderen Seite segeln Flanken von Leon Dajaku durch den Fünfer, ohne Abnehmer – Glück für die Oberpfalz im Donaustadion. Vor der Pause noch ein Lebenszeichen: Dustin Forkel läuft frei durch, will’s frech mit dem Lupfer lösen – Ortag katapultiert sich hoch und pflückt den Ball aus der Luft (43.). Halbzeit: Führung auf dem Papier, Bauchweh im Kopf.
Hottmanns Chance, Konter im Gegenzug
Nach Wiederanpfiff zunächst etwas mehr Aktivität der Gäste. Joker Eric Hottmann startet in die Tiefe, sucht am Fünfer Forkel, Ortag ist mit Fußabwehr dazwischen. Doch wenn der Gegner schon nicht entschieden auf den Ausgleich drückt, hilft eben die Jahn-Abwehr nach. Fehler im Spielaufbau, Konter über Paul-Philipp Besong, halbhohe Hereingabe in den Fünfer, Felix Strauß will noch retten, seine Intervention wird zur Vorlage für Elias Löder, der die Kugel über die Linie drückt – 1:1 (50.).
Die Entscheidung verursacht einer jener „nicht erwachsenen“ Momente: Leo Mätzler verliert die Kugel im Spielaufbau, Niklas Kölle marschiert an den Fünfer, lässt Benedikt Saller ins Leere grätschen und serviert quer auf André Becker – ausgerechnet. Der Ex-Regensburger haut das Ding aus sieben Metern rechts oben rein – 2:1 (62.). Die Spatzen drehen’s, der Jahn lässt die Köpfe hängen.
Fazit: Ausreden aus, Arbeit an
Regensburg müht sich: Philipp Müller dicke Chance aus sieben Metern streicht knapp vorbei (68.), Hottmann köpft aus spitzem Winkel, David Asante bringt Tempo über rechts – aber keine Präzision. In Minute 89 kommt Benedikt Saller zu spät – offene Sohle gegen Luis Görlich. Schiri Simon Schulz steht daneben – glatt Rot, vertretbar. In der Nachspielzeit checkt Nick Seidel Ortag den Ball aus den Armen, Schulz lässt laufen, ein möglicher Treffer hätte für Diskussionsstoff gesorgt – bleibt aber graue Regensburger Theorie.
Der Jahn wartet nun seit 24 Auswärtsspielen auf einen Sieg. Die Fehler sind keine Laune des Schicksals, sondern Systembruchstellen: unsauberer Aufbau, Ecken wie Einladungskarten, mentale Zitterhand im letzten Drittel. Wechsel bringen Impulse – aber keine Struktur. „Wenn wir das nicht abstellen, wird’s ganz schwierig, Punkte zu holen“, sagt Michael Wimmer. Recht hat er. Jetzt zählen Handwerk, Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung.
Stimmen zum Spiel
Michael Wimmer (Jahn): „Wir kommen gut rein, gehen schnell in Führung, haben Mut, Linien zu überspielen – machen ein super Tor. Danach ist Ulm zwingender. Die Gegentore: zweimal den Gegner in die Füße, alleine aufs Tor – das funktioniert so nicht. Chancen zum Ausgleich waren da, aber ohne Brust, nicht konsequent, nicht reif genug.“
Moritz Glasbrenner (Ulm): „Erste Halbzeit bemüht, mutig gegen das Mann-Mann-Angriffspressing – mit Fehlern, klar. Uns fehlte die schnellere Verlagerung und die Boxbesetzung. Zweite Halbzeit: großes Kompliment. Räume gut genutzt, ein großer Sieg der Mannschaft.“
André Becker (Ulm): „Nach vier Minuten 0:1 – das ging zu schnell. In der Pause hat der Trainer uns ermutigt, weiter mutig zu bleiben, im Zentrum Ruhe zu bewahren. Zwei Topchancen, eine machen wir – am Ende ein verdienter 2:1-Sieg.“
Schlüsselszenen kompakt
- 0:1 Benedikt Bauer (4.) – flach ins linke Eck nach geklärter Eichinger-Hereingabe.
- Forkel frei durch, Lupfer – Ortag pariert stark (43.).
- 1:1 Elias Löder (50.) – Besong setzt nach, quer in den Fünfer, Abstauber.
- 2:1 André Becker (62.) – nach Mätzler-Ballverlust, Kölle-Vorarbeit, Saller ins Leere, Abschluss rechts oben.
- Rot Benedikt Saller (89.) – offene Sohle gegen Luis Görlich.
- 90+3: Ortag hat den Ball, Nick Seidel räumt ihn ab; Simon Schulz lässt laufen – ohne Folgen.
Einzelkuriositäten & Knackpunkte
- Adrian Feins Ecken: harmlos bis brandgefährlich – für den falschen Kasten.
- Felix Gebhardt: diesmal ohne Elfer-Glanz, solide unter Dauerbeschuss.
- Leo Mätzler: Pech-Tag im Aufbau, Kettenreaktion vor dem 1:2.
- Wechselpaket (46./66./79./86.): Tempo ja, Linie nein.
Vorschau: Heimspiel vs. SC Verl
- Nächster Gegner: SC Verl (aktueller Tabellen-6., 12 Punkte), formstark im Umschalten, variabel zwischen 4er- und 5er-Kette, am kommenden Sonntag, 28. September, 13.30 Uhr.
- Tabellensituation: Jahn 17. mit 4 Punkten aus 7 Spielen (Tordifferenz −7). Verl typischer „Mittelfeld-Killer“: bestraft Aufbaufehler sofort.
- Hausaufgaben für den Jahn:
- Standards auf Wettkampfniveau (Eckenvariante statt Alibi-Flanke).
- Erster Pass nach Ballgewinn: vertikal & scharf – keine lateral-lauen Einladungen.
- Absicherung hinter dem ballführenden Flügelspieler; klare Zuordnung in der Box.
- These: Verl ist kein Übergegner – aber ein Team, das genau jene Regensburger Schwächen (Fehlpässe im Aufbau, schlampige Restverteidigung) maximal ausnutzt. Ohne Strukturupdate droht der nächste Nackenschlag.




