Europas Börsen glänzen, der Dollar schwächelt – die Halbzeitanalyse

Europas Börsen glänzen, der Dollar schwächelt – die Halbzeitanalyse
Dr. Matthias Bernhardt arbeitet als Fondsmanager, Vermögensverwalter und Dozent für Finanzmathematik und Finanzmärkte. In seinen Tätigkeiten beschäftigt er sich täglich mit Themen rund um Finanzmärkte, Investmentstrategien und Kapitalmarktforschung. Bei OberpfalzECHO bezieht er Stellung zu wirtschaftlich relevanten Fragen.
US-Märkte unter Druck: Politik, Zölle und Währung
In Washington sorgt Präsident Trump mit einer sprunghaften Handelspolitik erneut für Unruhe. Die Rückkehr zu Zollmaßnahmen, die an seine erste Amtszeit erinnern, belastet die Märkte. Gleichzeitig schwächt sich der US-Dollar deutlich ab. Genauer gesagt um mehr als zehn Prozent gegenüber einem Währungskorb aus Euro, Yen und anderen Leitwährungen. Das deutet auf Kapitalabflüsse hin und verstärkt den Druck auf amerikanische Unternehmen, deren Gewinne bei der Umrechnung in Euro weniger wert sind.
Gewinnwachstum stützt die Wall Street
Doch hinter der kurzfristigen Kursschwäche Amerikas verbirgt sich bei genauerem Hinsehen ein differenzierteres Bild. Zwar sind US-Aktien hoch bewertet, doch diese Preise beruhen auf einer beeindruckenden Gewinnentwicklung. Während europäische Unternehmen ihre Gewinne in den letzten zehn Jahren verdoppelten, konnten die größten US-Konzerne ihre Ergebnisse verdreifachen. Auch in diesem Jahr erwarten Analysten ein Gewinnwachstum von 16 Prozent für den S&P 500, während europäische Schwergewichte bei fünf Prozent stagnieren.
Trotzdem ist auch Vorsicht geboten. Die wirtschaftliche Unsicherheit in den USA ist nicht mehr zu übersehen. Das US-Finanzministerium greift zu ungewöhnlichen Mitteln und kauft in großem Stil eigene Staatsanleihen zurück. Diese Maßnahme, die zur größten ihrer Art zählt, soll die Zinsen senken, das Vertrauen stabilisieren und die Liquidität verbessern. Doch Kritiker wittern eine Art verstecktes Quantitative Easing. Langfristig könnte dies das Vertrauen in die fiskalische Disziplin der USA untergraben und die Inflation anheizen.
Inflation oder Haushaltskrise? Die Zwickmühle der Fed
Bereits jetzt zeigen sich erste Auswirkungen: Viele US-Unternehmen halten die Preise noch künstlich niedrig, obwohl die Importzölle gestiegen sind. Doch sobald Lagerbestände aufgebraucht sind drohen Preisanstiege und ein zusätzlicher Inflationsschub ist wahrscheinlich. Für die US-Notenbank bedeutet das ein Dilemma: Soll sie die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bremsen, oder niedrig halten, um die Staatsfinanzen nicht zu gefährden?
Auch international hinterlässt die Dollar-Schwäche Spuren. Schwellenländer, die stark auf den Dollar angewiesen sind, gewinnen zwar kurzfristig an Spielraum aufgrund günstigeren Schulden. Doch sie riskieren Kapitalabflüsse und höhere Rohstoffpreise, denn Öl, Kupfer und viele andere Rohstoffe werden weltweit in Dollar gehandelt. In Europa hingegen profitieren Sektoren wie Infrastruktur, Banken und Maschinenbau von Investitionen, die dem unsicheren US-Markt ausweichen. Zudem beleben neue Ausgabenprogramme in Brüssel und Berlin die Konjunktur.
Chancen und Risiken für Anleger
Für Privatanleger ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Auf der einen Seite eröffnen sich Chancen durch günstigere Einstiegskurse bei Qualitätsaktien oder durch Anleihen, deren Kurse stabilisiert werden. Auf der anderen Seite steigen die Risiken: Ein schwindendes Vertrauen in die US-Finanzpolitik, Inflationsgefahren und Währungsrisiken könnten mittel- bis langfristig schwer wiegende Folgen haben.
Gold glänzt als sicherer Hafen
Als klarer Gewinner in diesem Umfeld hat sich Gold behauptet. Als krisenresistenter Sachwert, erlebt es eine Renaissance. Viele Zentralbanken stocken ihre Reserven auf, um sich vom Dollar unabhängiger zu machen und ihre finanzielle Stabilität zu stärken. Der gestiegene Goldpreis ist nicht nur als Schutz vor Inflation zu sehen, sondern auch als Signal für eine wachsende Unsicherheit.
Die kommenden Monate werden höchstwahrscheinlich für den weiteren Verlauf der Märkte bedeutend sein. Läuft die aktuelle Zollpause aus, könnte ein neuer Inflationsschub drohen. Gleichzeitig stehen politische Entscheidungen an, die die Märkte stark beeinflussen könnten.
Anleger sind gut beraten, flexibel zu bleiben und weltweit zu streuen. Wer auf Substanz und clevere Investmentstrategien setzt statt auf Spekulation und wild zusammengewürfelte Portfolios, hat auch 2025 noch gute Chancen.
Denn so unterschiedlich die Entwicklungen auch sein mögen, Stabilität, Transparenz und Vertrauen bleiben das Fundament jedes erfolgreichen Investments.



