Ukraine-Konflikt: Reden ist besser als kämpfen
Ukraine-Konflikt: Reden ist besser als kämpfen
Josef Ziegler, Initiator der Ukraine-Hilfe aus Pfreimd, ist am Boden zerstört angesichts der Situation in dem Land, dem sein ganzes Herz gehört, und dem er gerade kaum helfen kann. OberpfalzECHO hat außerdem die Oberpfälzer Bundestagsabgeordneten um ihre Einschätzung der Situation gebeten. Quintessenz der Befragung: Reden, reden, reden.
Nicht nur die Vereinigten Staaten schätzen die Gefahr einer Invasion Russlands in der Ukraine als hoch ein. “Die USA sind bereit für den Verhandlungstisch – aber auch für eine Eskalation des Konflikts”, sagte zum Beispiel der Nationale US-Sicherheitsberater Jake Sullivan kürzlich.
Nach Dutzenden Krisengesprächen zwischen Russland und den westlichen Staaten folgten in dieser Woche auch Treffen auf allerhöchster diplomatischer Ebene. So kamen sowohl Außenministerin Annalena Baerbock als auch ihr amerikanischer Kollege Antony Blinken jeweils mit ihrem russischen Amtskollegen Sergey Lawrow zusammen. Trotz allen Säbelrasselns auf beiden Seiten: Man ist sich einig, dass der diplomatische Prozess fortgesetzt werden muss.
Josef Ziegler “fix und fertig”
Josef Ziegler klingt resigniert – und sehr traurig. “Ich trau mich schon gar nicht mehr anrufen bei meinen Freunden in der Ukraine”, sagt der 80-Jährige. Zum einen, weil meist gar keine Verbindung zustande komme und zum anderen, weil er Angst vor den Schreckensmeldungen habe. Er sei “fix und fertig” angesichts der dramatischen Lage in dem auch von Corona stark heimgesuchten Land. Im vergangenen Jahr habe der Verein noch medizinische Geräte in die Ukraine geliefert und er wollte im März hinfliegen, aber Corona habe das unmöglich gemacht.
“Ja”, sagt der Arzt in Ruhestand auf die Frage, ob er einen Krieg befürchtet in dem Land, mit dem ihn eine jahrzehntelange und tiefe Freundschaft verbindet. Ziegler: “Putin verfolgt dort gnadenlos seine Interessen und nimmt keinerlei Rücksicht.” Er wisse, dass auch viele Ukrainer von einem neuerlichen Einmarsch der Russen ausgingen. “Die Lage ist deprimierend. Zuerst hat Corona mit aller Macht zugeschlagen und jetzt stehen die Russen wieder vor der Tür.” Die Situation gehe ihm und seinen Mitstreitern, allesamt betagte Leute, gewaltig an die Nieren.
Dialog mit Russland suchen
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch glaubt nicht, dass Russland in die Ukraine einmarschiert. “Das kann sich Putin schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht erlauben. Es wäre verheerend für sein Land.” Dennoch müsse man jede Möglichkeit zum Dialog mit den Russen suchen. Grötsch lobt den Auftritt von Außenministerin Baerbock bei ihrem Besuch in Moskau, wo sie mit deutlichen Worten die Linie von Kanzler Olaf Scholz vertreten habe. “Völlig klar ist, dass wir solidarisch an der Seite des Westens stehen.” Im Falle einer russischen Aggression sei das Thema “Nordstream II” vorerst erledigt. “Auch wenn wir energiepolitisch in gewisser Weise von Russland abhängig sind, kann man die Gaspipeline dann nicht mehr ernsthaft in Betracht ziehen.”
Für Ulrich Lechte von der FDP sei die Gefahr einer Eskalation zwar gegeben, doch er glaube nicht an einen Einmarsch der Russen. “Das ist ein reines Taktikspiel Putins, der seine Großmachtansprüche mal wieder zeigen will.” Als “hanebüchen” bezeichnet der Regensburger Bundestagsabgeordnete die Darstellung Russlands, dass sich die Nato verpflichtet habe, sich nicht gen Osten auszuweiten. “Es ist vielmehr so, dass die Selbstbestimmung der Ukraine und anderer souveräner Staaten gewährleistet bleiben muss.” Natürlich aber sei die Diplomatie immer jeder militärischen Auseinandersetzung vorzuziehen.
Drohkulisse aufbauen
MdB Albert Rupprecht von der CSU sieht die Entwicklung in der Ukraine “mit großer Sorge und Anspannung”. Wichtig sei jetzt eine klare und gemeinsame Position der westlichen Allianz. “Wir müssen neben der Diplomatie eine deutliche Drohkulisse aufbauen, denn Putin wird sich nicht von Nettigkeiten beeindrucken lassen.” Der russische Präsident werde vielmehr rational abwägen, was seinem Land im Falle einer Eskalation drohe. “Genau das müssen wir ihm klar machen.”
Der Westen müsse mit aller Deutlichkeit auf die Drohungen Russlands reagieren, meint der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Stefan Schmidt aus Regensburg. “Wir dürfen nicht warten, bis die Russen einmarschieren, sondern Putin schon jetzt die Konsequenzen verdeutlichen.” Er sei einigermaßen ratlos, warum Putin ausgerechnet jetzt seine Truppen ohne konkreten Anlass aufmarschieren lässt. “Ich habe schon große Sorge, dass es eskalieren könnte, hoffe aber weiterhin auf die Kunst der Diplomatie.”
Von Baerbock positiv überrascht
Diesbezüglich habe ihn Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Moskaubesuch positiv überrascht. “Das war ein hochprofessioneller Auftritt mit klaren Worten und einem dennoch diplomatischen Ton”, lobt Schmidt seine Parteifreundin. Das positive internationale Presseecho auf ihren Besuch in Russland sei sozusagen als Ritterschlag zu verstehen.
Trotz aller Befürchtungen und Ängste: Bei der US-Army und damit auch bei der US-Garrison Bavaria in Grafenwöhr gibt es zumindest laut offizieller Aussage vom Oberkommando in Wiesbaden derzeit keinen Grund zur Aufregung. “Not alert”, also keine erhöhte Alarmbereitschaft, lautet die Antwort auf eine entsprechende Anfrage von OberpfalzECHO.
Im Ukraine-Konflikt mit Russland hat die US-Regierung Insidern zufolge mit Energiekonzernen Notfallpläne für Gaslieferungen nach Europa sondiert. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Vertreter des Außenministeriums hätten mit den Unternehmen über Kapazitäten für höhere Liefermengen gesprochen, für den Fall, dass russische Gaslieferungen unterbrochen werden, hieß es demnach in Branchen- und Regierungskreisen.
Dabei sei auch eine Verschiebung von Wartungsarbeiten erörtert worden, um die Gasproduktion hochzuhalten. Die Unternehmen hätten allerdings erklärt, dass ein Ausfall großer Mengen aus Russland schwer zu ersetzen sei, und dabei auf die weltweit knappen Gasvorräte verwiesen.
Welche Konzerne angesprochen worden seien, wurde zunächst nicht bekannt. Die Europäische Union (EU) bezieht rund ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Russland. In Deutschland beträgt der Anteil russischen Gases sogar rund 50 Prozent.




