Bombenangriffe auf Grafenwöhr – Engelbert Reiter erinnert sich
Grafenwöhr. „Ich habe viel Furchtbares und Schreckliches in dieser Zeit erlebt. Mit den Bombenangriffen war der ‘totale Krieg’ auf einmal total nahe gekommen“, erinnert sich der 91-jährige Engelbert Reiter.
Von Gerald Morgenstern
Im Mai 1943 begann Engelbert Reiter in Nürnberg eine Lehre als Werkzeugmacher und erlebte dort die verheerenden Bombardements auf die Reichshauptstadt. Nach einen der Angriffe am 2. April 1945 traf er im herrschenden Durcheinander zufällig die Grafenwöhrer Feuerwehr, die in Nürnberg löschen musste. Der 16-Jährige nutzte die Chance, kehrte mit der Feuerwehr nach Grafenwöhr zurück und entfloh so dem Chaos der Nürnberger Bombennächte.
Der 5. April 1945 war in Grafenwöhr ein klarer und sonniger Tag. Im Hof seines Elternhauses in der Neuen Amberger Straße direkt am Bahngleis hörte der Bub das dumpfe Motorengeräusch der herannahenden Bomber. Nach kurzem Aufblitzen von Markierungssignalen warfen die tieffliegenden Flugzeuge beginnend beim Geismannskeller ihre Last ab. „Die Pferdegespanne der Ungarndisivion, die Gasgranaten vom Lagerbahnhof in die Mark transportierten, liefen wild durcheinander. Am Lagerbahnhof ließen zwei Loks ihren Dampf ab, bevor ich mich in den Keller rettete“, so der Erzähler.
Im abgestützten Keller seines Elternhauses überlebte Engelbert Reiter auch den Angriff am 8. April. „Unter dem tosenden Lärm und wuchtigen Detonationen verspürte man direkt wie die Mauern ‘dicke Backen’ bekamen“, so Reiter. Durch das Dach schlugen Stabbrandbomben, sie hatten Feuer im Haus entfacht. „Zwischen den Angriffswellen rannte ich mit meinen Bruder und Vater in die oberen Stockwerke, um brennende Betten und Möbel aus dem Fenster zu werfen, ehe die Bomber zurückkamen“.
Bomben, Feuer, Verzweiflung – Ein Bild immer im Kopf
Auf der anderen Straßenseite standen die Stallungen des Anwesens und der Schreinerei Kraus (heute Hotel, Pension Rattunde) lichterloh in Flammen. Nur um fünf Meter verfehlte beim Bombardement eine 1.000-Pfund-Bombe das Wohnhaus und Ladengeschäft der Reiters und hinterließ im Hof einen riesigen Krater.
Wir hatten überlebt, doch das Chaos war groß, es galt zu retten, was zu retten war“
schildert Engelbert Reiter die Ereignisse. Er rannte durch die brennende Straße, um nach den Häusern der Verwandten zu sehen und dort Hilfe anzubieten. Dabei passierte er nach nur hundert Metern das Horschelt-Haus, es war durch einen Volltreffer komplett zerstört. „Weinend und schreiend wühlte ein total verzweifelter Mann mit blanken Händen und einem Pickel alleine in dem Trümmer- und Steinhaufen, um die Verschütteten zu befreien. Die Hilfe für die Familie und Tochter des Mannes kamen zu spät, sie mussten jämmerlich im Keller der Trümmerruine ersticken“. Ein Bild, das Engelbert Reiter nie aus seinem Kopf bekam.
Noch am gleichen Abend des großen Bombenangriffs verließ die Familie Reiter mit nur wenig Hab und Gut das zerstörte Grafenwöhr und zog zu Verwandten nach Runkenreuth. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner kehrten sie nach Grafenwöhr zurück.
Einen ausführlichen Bericht zum Bombenangriff, liest du hier.
Bilder: Gerald Morgenstern
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