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Landgericht verurteilt Immobilienmakler zu 7,5 Jahren Haft: Skrupellos Existenzen ruiniert

Weiden. Das Landgericht hat einen Immobilienmakler (45) zu 7,5 Jahren Haft verurteilt. Er habe sich des gewerbsmäßigen Betrugs schuldig gemacht. Der Richter geht mit ihm hart ins Gericht: Skrupellos habe der Angeklagte Existenzen ruiniert - nur um mit der Breitling am Arm im Porsche herumfahren zu können.

Landgericht verurteilt Immobilienmakler zu 7,5 Jahren Haft: Skrupellos Existenzen ruiniert

Urteil im Prozess gegen einen Immobilienmakler vor dem Landgericht Weiden. Foto: Christine Ascherl

Neben dem Angeklagten steht ein gelber Kübel. Falls ihm schlecht wird. Dem 45-Jährigen geht es dem Vernehmen nach gesundheitlich nicht gut. Sogar eine Terminabsage stand am Morgen im Raum. Am Ende muss er durch. Hinter ihm steht bei der Urteilsverkündung eine Mauer aus Hass. Wie immer sind die Besucherreihen im Sitzungssaal voll besetzt. Die Zuhörer – zumeist Geschädigte und deren Angehörige – machen aus ihrem Zorn keinen Hehl. Verwünschungen werden nach vorne geraunt.

Als Dr. Marco Heß für die 2. Strafkammer das Urteil verkündet, weht der scharfe Wind auch noch von vorne. Der Richter wird schneidend im Ton. Was dieses Betrugsverfahren von anderen abhebe, sei die Gesinnung des Täters: “Was dem Fass den Boden ausschlägt ist, dass er Leute vernichtet, buchstäblich über Leichen geht. Es ist ihm egal, ob die alleinerziehende Mutter ihrem Kind etwas zum Anziehen kaufen kann. Hauptsache, er kann Porsche fahren.” Der Angeklagte habe um die finanziell bescheidene Situation seiner Opfer gewusst. Er habe gewusst, dass sie nichts Erspartes auf der hohen Kante haben. “Sie wurden in Schulden hineingejagt.”

Mit Eimer: Der Angeklagte und sein Verteidiger am Tag des Urteils. Dem Immobilienmakler war nicht wohl. Foto: Christine Ascherl

Mit Betrugsgeld auch Sponsoring finanziert

Der Angeklagte habe Existenzen vernichtet. Heß listet alle zehn Betrugsfälle auf, die in das Urteil eingeflossen sind. Das befreundete Ehepaar, das an einer Privatinsolvenz vorbeischrammte. Den Sandkastenfreund, dem aufgrund der Tilgungsraten 500 Euro im Monat zum Leben bleiben. Den Landwirt, dessen Vater ein Feld verkaufte, weil der Gerichtsvollzieher mit einem Haftbefehl vor der Tür stand. Eine Dolmetscherin, die nach dem Betrug einen Monat stationär in Behandlung war. Die krebskranke Frau, der nun das Geld für eine medizinische Behandlung fehlt. Und und und.

Und wofür? “Weil man 1,1 Millionen Euro für Kfz-Kosten ausgibt!” Richter Heß ringt um Fassung. “Es sind Gelder eingesammelt worden, nur, um sie selbst zu verprassen.” So wie die Privatdarlehen eingingen, flossen sie wieder ab: 770.000 Euro nur für Leihwagen; 107.000 Euro für Urlaube, Tickets, Konzerte; 40.000 Euro für die “Blue Devils”. “Das ist ja wohl dreist: Man leiht sich Geld von anderen und macht damit Sponsoring.”

Er hat den Leuten suggeriert, er sei der große Macher. Er hat ja nicht gesagt: Ich bin arm wie eine Kirchenmaus, würde aber gern Porsche fahren.

Richter Dr. Marco Heß

Richter: Täter darf sich nicht zum Opfer machen

Energisch widerspricht das Gericht dem Versuch des Verteidigers, den Ermittlungsbehörden eine Teilschuld am Betrug zu geben. Verteidiger Oliver Plate sprach im Plädoyer von einem “staatlichen Anteil an der Eskalation” durch die lange Ermittlungsdauer. Heß teilt diese Ansicht nicht. Betrugsermittlungen bräuchten Zeit, “das ist anders als im Fernsehen”. Nicht jeder säumige Zahler könne gleich eingesperrt werden. Heß warnt vor einer Umkehr: “Schuld ist der Angeklagte. Und niemand anders. Es war sein ureigenster Entschluss.”

Die jetzt verurteilten Betrugsfälle spielten sich zwischen 2017 und 2021 ab. 2017 – als der Angeklagte schon einen Schuldenstand von einer Million Euro und selbst Insolvenzantrag gestellt hatte. Er sammelte die Gelder ein, vorgeblich um in Immobilien in Zwickau und Regensburg, in Nato-Häuser und Immobilienfonds zu investieren. Investiert wurde: nichts, gar nichts. “Ihm war klar, dass alles, was er erzählt, Märchen sind. Lügen!” Als der Angeklagte auf seinen Anwalt einschwätzt, fängt er sich eine Rüge ein. “Herr S., Sie hören zu, jetzt wird das Urteil verkündet.”

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Kinderzahl – drei oder vier?

Am Mittwoch, dem sechsten Verhandlungstag, macht der 45-Jährige erstmals einen angeschlagenen Eindruck. Befragt nach seinen persönlichen Verhältnissen, antwortet er so leise, dass das Gericht mehrfach nachfragt. Ein völlig unauffälliger Lebenslauf: Fachabitur, Banklehre, Tätigkeit bei Banken und Versicherungen. Auf die Frage nach der Zahl seiner Kinder, antwortet er erst mit “drei”, auf Nachfrage will er keine Auskünfte dazu geben. Dem Vernehmen nach gibt es ein viertes von einer anderen Frau.

Die Frauen. Es erscheint aus jetzigem Blickwinkel unverständlich, wie der blasse, schlaksige Makler so gut landen konnte. Zu mehreren Geschädigten unterhielt er eine Art Beziehung, manche lernte er auf Dating-Plattformen kennen. Im Tatzeitraum waren mehrere Lebensgefährtinnen am Start, über deren Konten Betrugsgelder flossen. Gut möglich, dass in den kommenden Monaten wegen Beihilfe noch Köpfe rollen.

Dunkelziffer nicht angeklagter Fälle

Mit den 7,5 Jahren Haft bleibt das Landgericht genau in der Mitte des Korridors, der am zweiten Prozesstag bei einem Verständigungsgespräch zugesagt wurde (7 Jahre 3 Monate bis 7 Jahre 9 Monate). Der Deal war: Der Angeklagte kassiert diese recht hohe Strafe (zum Vergleich: Im WSW-Prozess lag die Höchststrafe bei 5 Jahren 10 Monaten). Er gesteht – und im Gegenzug gilt ein ganzer Schwung anhängiger Betrugsfälle als erledigt.

Klar ist, dass hinter den abgeurteilten zehn Fällen eine riesige Dunkelziffer steht. Bis zuletzt 2025 trieb der Angeklagte Geld ein. Am Mittwoch sagte ein letzter Geschädigter als Zeuge aus. Der Kfz-Meister aus Niederbayern hat von 2024 bis Februar 2025 rund 300.000 Euro überwiesen. Er wird an seinem Schuldenberg noch jahrelang zahlen: “Bildlich gesagt: Das ist ein Riesenhaufen – und ich habe eine ziemlich kleine Schaufel in der Hand.”

Die Plädoyers im Prozess gegen Immobilienmakler

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Weiden. Im Prozess gegen einen Immobilienmakler aus Weiden haben am Mittwochvormittag Staatsanwalt und Verteidiger plädiert, auf 7 Jahre 9 Monate beziehungsweise 7 Jahre 3 Monate Haft. Thema in den Schlussvorträgen ist auch die lange Verfahrensdauer.