OTH Amberg-Weiden
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Operation Rückführung läuft: Erster Lkw mit Müll rollt zurück nach Deutschland

Weiden/Jiříkov. Es ist so weit. Die "Operation Rückführung" läuft. Der erste Lkw, beladen mit Müll von illegalen Deponien in Tschechien, rollt zurück nach Deutschland. Das ist erst der Anfang. 700 Tonnen sollen folgen. Die Regierung hat mit der Abholung die Firma Kraus aus Windischeschenbach beauftragt.

Weiden/Jiříkov. Es ist so weit. Die "Operation Rückführung" läuft. Der erste Lkw, beladen mit Müll von illegalen Deponien in Tschechien, rollt zurück nach Deutschland. Das ist erst der Anfang. 700 Tonnen sollen folgen. Die Regierung hat mit der Abholung die Firma Kraus aus Windischeschenbach beauftragt.
Montagnachmittag, Těchanov bei Jiříkov. Der erste beladene Lkw macht sich auf den Weg nach Deutschland. Foto: Kraus

Operation Rückführung läuft: Erster Lkw mit Müll rollt zurück nach Deutschland

Der renommierte Entsorger hat es im Kreuz, diesen Kraftakt zu stemmen. Das Familienunternehmen aus Windischeschenbach (mit weiterem Standort in Weiden) ist in dritter Generation in der Entsorgungsbranche tätig. Seit 33 Jahren ist Kraus zudem mit der Schwestergesellschaft IGRO in Tschechien vertreten.

Für die Geschäftsführer Christian Kraus und Markus Kraus ist der Auftrag zugleich eine gute Gelegenheit, ein für allemal klarzustellen, dass man mit den illegalen Deponien nichts zu tun hat. Gleiches gilt im Übrigen für den Entsorger Bergler aus Weiherhammer, ebenfalls ein seit Generationen zuverlässiges Recyclingunternehmen der Region. Kraus löffelt nun im Auftrag von Regierung und Freistaat aus, was ein anderer Konkurrenzbetrieb hinterlassen hat.

Vorwurf: Seit 2022, mindestens 21 Fälle, rund 700 Tonnen

Ermittelt wird – wie mehrfach berichtet – gegen Michael R., Geschäftsführer eines Unternehmens mit Betriebsstelle in Wernberg (Firmensitz in Weiden gemeldet). Der 52-Jährige sitzt seit 21. August in Untersuchungshaft, seit 27. August zudem ein mutmaßlicher Mittäter (56) aus Tschechien. Die Beschuldigten sollen seit 2022 in mindestens 21 Fällen falsch deklarierten Müll im Nachbarland abgeladen haben.

Die Staatsanwaltschaft Weiden spricht von über 700 Tonnen, gelagert in den Orten Těchanov bei Jiříkov im mährischen Bezirk Bruntál sowie nahe der Stadt Brno (Brünn). Darunter sind auch gefährliche Abfälle. Enthalten sind laut Staatsanwaltschaft beispielsweise Glasfaserreste aus Propellern und Batterien.

Entsorgung in Anlagen in ganz Deutschland

Die Rückholung ist ein Kraftakt. Begonnen wird in Těchanov, einem Ortsteil von Jiříkov. Markus Kraus, der in Tschechien verantwortlich für den Ablauf ist, hat eine vorübergehende Baustelle mit Bagger und Tieflader errichtet. “Wir fangen heute an, das Personal ist da”, sagte er am Montagmorgen. Zunächst werde der Müll nach Fraktionen sortiert. Am Nachmittag nahm der erste Lkw Kurs nach Deutschland auf. Bis zur tschechisch-deutschen Grenze bei Waidhaus sind es gut 400 Kilometer.

Die sortierten Abfälle werden in verschiedene Anlagen in Deutschland gebracht. Verteilt auf die ganze Republik: Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Brandenburg und Bayern. Dort werden sie nach Auskunft von Regierungssprecherin Kathrin Kammermeier “thermisch und stofflich verwertet oder beseitigt”. Allerdings nicht, ohne dass zuvor die Ermittler noch einmal Proben nehmen. Die Ermittlungen liegen in der Hand des Zollfahndungsamtes München und der Staatsanwaltschaft Weiden, die auch schon vor Ort in Tschechien recherchiert haben. Es gibt eine gemeinsame Ermittlungsgruppe mit der Staatsanwaltschaft Bruntal.

Zoigltermine
Zoigltermine

Aufatmen in Tschechien

Die Rückführung des Mülls hatte sich bis zur letzten Minute immer wieder verzögert. Zuletzt hakte es an den nötigen Notifizierungsverfahren. Der tschechische Umweltminister reagierte im August verärgert, ebenso die Bürgermeisterin des Ortes Jiříkov, Barbora Šišková. Sie hatte den Skandal im Januar aufgedeckt und persönlich ein weiteres Abladen von Müll verhindert: Sie blockierte mit ihrem Privat-Pkw fünf Lastwagen. In einem Facebook-Post von letzter Woche atmet sie auf und zitiert die Beatles: “John Lennon wusste es:  Everything will be okay in the end. If it’s not okay, it’s not the end.”

Die mutige Rathauschefin berichtete in einem Interview mit Onetz, den beschuldigten Firmengründer inzwischen selbst kennengelernt zu haben. So sei er vor seiner Inhaftierung bei einem Ortstermin mit Audi in Jiříkov erschienen. Dabei ging es Karbon-Karosserien, die bei der Rallye Dakar im Einsatz waren. Audi hatte offenbar das Oberpfälzer Unternehmen mit der Entsorgung beauftragt und war überrascht, die Autoteile auf einer illegalen Deponie wiederzufinden. Die Bürgermeisterin beschreibt das Auftreten des beschuldigten Geschäftsführers als arrogant. So habe er ihr laut Onetz Vorwürfe gemacht, die Probleme durch den “Medienzirkus” erst geschaffen zu haben.

Diskussion im Landtag über Fördergelder

Auch politisch hat die Affäre ein Nachspiel. Die Grünen im Landtag hatten eine Anhörung beantragt, die im Umweltausschuss schließlich auch erfolgte. Dabei ging es um eine staatliche Förderung, die der jetzt inhaftierte Geschäftsführer erhalten hat. Konkret wurde die Firma 2023 mit Fördermitteln von 2,1 Millionen Euro aus dem regionalen Förderprogramm für die gewerbliche Wirtschaft (BRF) unterstützt. Obendrauf bekam die Entsorgungsfirma 10.000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Die Weidener Abgeordnete Laura Weber fordert, es müsse unbedingt verhindert werden, dass sich ein solcher Skandal wiederholen könne: “Ein Skandal, bei dem ein Unternehmen zunächst Fördergelder aus Steuermitteln erhält und die Steuerzahler anschließend auch noch für die Rückholung des illegal entsorgten Mülls aufkommen müssen.” Sie zweifelt an, ob es die geförderte “Anlage zum Recycling von Batterien” überhaupt gibt.

Kleine Randnotiz: Bei einem Pressetermin 2023 hatte Unternehmer Michael R. vollmundig verkündet: “Wir lösen Probleme, statt sie zu hinterlassen.”

Těchanov bei Jiříkov am Montag, 8. September: Die Firma Kraus organisiert die Sortierung, Verladung und den Abtransport des illegalen Mülls aus Tschechien. Dazu ist eine Baustelle mit Bagger eingerichtet worden. Foto: Kraus
Illegale Müllhalde in Tschechien. Foto: Zoll
Abladestelle in Tschechien. Foto: Zoll