Prozessauftakt: Geständnis kann Immobilienmakler vor hoher Haft retten
Prozessauftakt: Geständnis kann Immobilienmakler vor hoher Haft retten
Im Vorfeld des Prozesses hatte es Erörterungstermine des Gerichts mit dem Verteidiger des Angeklagten, Oliver Plate, gegeben. Im Winter 2024 hatte es dabei noch nach einer Verständigung ausgesehen. Das Gericht stellte 4 Jahre Haft in Aussicht – bei einem Geständnis. Das hätte den Prozess erheblich verschlankt. Ohne Geständnis wollte die Staatsanwaltschaft 6 bis 7 Jahre sehen.
Dieser Vorab-Deal platzte im Februar 2025 mit dem Einstieg eines weiteren Verteidigers: Stephan Lucas (bekannt aus dem Fernsehen und von Bühnenprogrammen auf Kreuzfahrtschiffen). Der Münchner teilte dem Gericht mit, “dass der Angeklagte an den Vorschlägen nicht festhalten will”. Es kam zur Kehrtwende: kein Geständnis, keine vier Jahre. Folge: Das Landgericht hat einen aufwändigen Prozess mit Verhandlungstagen bis in den Oktober terminiert. Über 30 Zeugen sind geladen.
In Bauchgurt und Fußfesseln vorgeführt
Am Montag war nun Auftakt. Wer nicht kam: der glamouröse Fernseh-Anwalt. Keiner weiß am Montagmorgen, wo Lucas abgeblieben ist. Der Angeklagte sagt auf Nachfrage von Richter Marco Heß: “Ich woiß gor nix.” Er ist von der Polizei aus der Untersuchungshaft vorgeführt worden. Mit Bauchgurt über dem weißen Pulli und Fußfesseln über der Jeans. Ob sein ehemals ausgeprägtes Selbstbewusstsein gelitten hat? Schwer zu sagen.
Denn: Vorerst sagt der Angeklagte nichts, außer seinen Personalien. 45 Jahre, ledig, Vater dreier Kinder, von Beruf Immobilien- und Versicherungsmakler. Als solcher soll er etliche Kunden, aber auch Freunde und Sportler betrogen haben. Er war Sponsor mehrerer Vereine, etwa der “Blue Devils” und der SpVgg SV Weiden. Die Schadenssumme, die in die Anklage einfließt, beträgt rund 820.000 Euro. Insgesamt sind 20 Fälle des Betrugs angeklagt. Etliche weitere Ermittlungsverfahren waren im Vorfeld eingestellt worden.
Eine Art Schneeballsystem: Kredite mit Krediten gestopft
Aber auch so ist es schwer, den Überblick zu bewahren. In absoluter Kurzform, was Staatsanwalt Matthias Bauer in 60 Minuten vorträgt. Erstens: Der Angeklagte soll seinen Compagnon in der gemeinsamen Immobilien-Firma um 330.000 Euro geprellt haben. Er spielte ihm vor, Geld für den Kauf von Nato-Häusern zu benötigen – die er dann nie kaufte.
Zweitens: Er soll auf sechs Kunden, darunter Eishockeyspieler des 1. EV Weiden, private Rentenversicherungen abgeschlossen haben. Er kassierte Provisionen in Höhe von rund 72.000 Euro. Den Kunden gaukelte er vor, nie selbst einzahlen zu müssen. Die Versicherungen platzten natürlich, als die Agentur keinen Zahlungseingang verzeichneten. Aber der Angeklagte war auf diese Weise wieder eine Weile flüssig.
Ziel: “Aufrechterhaltung des exzessiven Lebensstils”
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm eine Art Schneeballsystem vor: Mit immer neu erschwindeltem Geld seien alte Löcher gestopft worden. Und damit zum größten “Brocken” der Anklage: Der Angeklagte soll in neun Fällen im Rahmen von Immobilienerwerb betrogen haben. Beispielweise erzählte er einer Frau, dass sie mit dem Kauf von alten Wohnungen nach einer Renovierung einen schönen Profit machen könnte. Sie überwies für die “alten Wohnungen” 82.000 Euro – die er nie dafür verwendet, sondern selbst eingesteckt haben soll.
Warum? Zur Fortführung seines “exzessiven Lebensstils”, so wörtlich in der Anklage. Er ist ein großer, schlaksiger Typ. Während der Anklageverlesung stützt er den Kopf in die Hand, lümmelt fast ein wenig herum. Es dauert aber auch lange. Staatsanwalt Bauer ackert sich über eine Stunde durch drei Anklageschriften, die verbunden wurden. Die erste stammt aus dem Jahr 2016, die letzte wurde 2023 noch angefügt. Während der Ermittlungen kam es zu immer neuen Strafanzeigen.
Ergebnis der Erörterung: Freitag, 9 Uhr
Die Verhandlung ist wenig spektakulär – auch für die Zuhörer: eine Schulklasse aus Neustadt/WN und drei privat Interessierte. Die Musik spielt heute im nicht-öffentlichen Besprechungszimmer. Hier beraten die Strafkammer – besetzt mit Marco Hess, Florian Bauer, Konrad Roth und zwei Schöffen -, der Staatsanwalt und Verteidiger Plate. Nach gut anderthalb Stunden wird die öffentliche Verhandlung um 12 Uhr mittags fortgesetzt und gleich wieder beendet. Vorsitzender Richter Heß teilt mit: Über das Ergebnis der Erörterung wird am Freitag, 9 Uhr, informiert.
Denkbar ist eine erneute Kehrtwende. Sprich: Der Angeklagte könnte mit einem Geständnis retten, was zu retten ist.
Staatsanwaltschaft: schon 2016 eine Million Euro Schulden
Einziger Zeuge am Freitag, 6. Juni, ist der Insolvenzverwalter. Laut Anklage war die Situation des 45-Jährigen schon 2016 desolat. Er hatte laut Anklage 530.000 Euro Schulden auf Bankkonten. Dazu kamen Verbindlichkeiten gegenüber Versicherungen in Höhe von weiteren 570.000 Euro.
Das wird dem Immobilienmakler vorgeworfen:
Konkret geht es um drei Komplexe. Erstens: Als Versicherungsmakler soll der Angeklagte für Kunden private Rentenversicherungen abgeschlossen haben. Er kassierte hohe Provisionen. Die Kunden waren teilweise Spieler des Eishockeyvereins 1. EV Weiden, dessen Sponsor der Angeklagte war. Er gaukelte ihnen vor, nie selbst für diese Versicherungen einzahlen zu müssen, damit sie ihre Unterschrift darunter setzten. Die Anklage enthält sechs Fälle mit einem Schaden von 72.500 Euro. Wegen dieser Fälle ist er 2022 bereits zu 1 Jahr 9 Monaten Haft verurteilt worden, dieses Urteil wurde aber nie rechtskräftig. Das anhängige Berufungsverfahren ist mit dem aktuellen Verfahren verbunden worden.
Zweitens: Der Angeklagte soll zwei Sportvereine geschädigt haben, den Eishockeyverein “Ice Tigers” Nürnberg und den Fußballclub SpVgg/SV Weiden. Bei den “Ice Tigers” soll ein Sponsoring-Volumen von 35.000 Euro vereinbart gewesen sein, bezahlt wurden 3.800. Bei der Spielvereinigung Weiden waren es etwa 60.000 Euro, von denen etwa die Hälfte geflossen sein soll.
Der dritte Komplex umfasst Kredite für angebliche Immobiliengeschäfte. Hauptgeschädigter ist laut Staatsanwaltschaft der frühere Kompagnon des Angeklagten. Ihm soll er vorgespiegelt haben, für den Kauf von Nato-Häusern einen Kredit zu benötigen. Für das Geld habe der Angeklagte aber keine Häuser gekauft. Er blieb dem Geschäftspartner mindestens 333.000 Euro schuldig, so die Anklage.
Insgesamt flossen in die Anklage elf Fälle ein. Bei den Geschädigten handelt es sich um Kunden, Angestellte, aber auch (damalige) Freunde des 45-Jährigen. Das soll – beispielsweise – wie folgt abgelaufen sein: Die Geschädigten wollten eine Kreditvermittlung für einen Hauskauf oder ein Immobilien-Invest. Der Angeklagte forderte dafür Eigenkapital ein, das er für sich selbst behielt.







