Toxische Beziehung endet fast im Gefängnis - 26-Jähriger verurteilt

Toxische Beziehung endet fast im Gefängnis - 26-Jähriger verurteilt
Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Hans-Jürgen Schnappauf verhängt am Mittwoch 1 Jahr und 8 Monate Haft – “gerade noch” auf Bewährung. Der Angeklagte sei einen “Nanometer” vom Gefängnis entfernt, so Schnappauf.
Das Gericht hat in das Urteil ein paar Auflagen eingebaut: Die Bewährungszeit läuft ungewöhnlich lange, nämlich vier Jahre. Der 26-Jährige darf sich der Ex-Freundin nicht mehr nähern, auch nicht per Social Media. Ein Fehltritt – und er geht hinter Gitter. Zudem muss er ihr 3.000 Euro zurückzahlen. Während der Beziehung hatte er sie zu einem Online-Kredit erpresst. Beim Videoident-Anruf saß er mit erhobener Hand neben ihr.
Verletzungen dokumentiert
Neun Monate ließ sich die junge Arzthelferin gefallen, dass sie der Partner schlug, würgte, demütigte. Vor Gericht werden verstörende Videos gezeigt, die er gedreht hat. Er provoziert, sie heult, er haut hin, sie schlägt zurück. Verteidiger Marcus Becker nennt das Ganze ein “dysfunktionales Partnerschaftssystem”.
Warum wirft man den Typen nicht aus der Wohnung? Immerhin war es ihre Wohnung. Er lebte von ihrem Geld und ihrer Bankkarte. Während sie zur Arbeit ging, zockte er im Casino. Im Zeugenstand versucht es die junge Frau zu erklären. Der Angeklagte habe sie von Familie und Freunden isoliert. Bei Treffen war er immer dabei. Zuhause wurde er zunehmend aggressiver. Sie berichtet am Ende von täglichen Ohrfeigen und Fausthieben.
Von März bis Juni 2024 hat sie die Hämatome an Armen und Beinen fotografiert. Sie benutzte dazu das Smartphone einer Freundin an der Berufsschule. “Er hat täglich mein Handy kontrolliert.” Dass sei auch ein Grund gewesen, nie die Polizei um Rat zu fragen. “Ich hatte Angst, dass er das gleich sieht. Oder das ein Rückruf kommt.”
Fast ein Monat in U-Haft
Die Situation eskalierte im Juni 2024. “Ich weiß nicht, warum er da ausgetickt ist.” Er habe sie geschlagen, gewürgt, durch die Wohnung gejagt. Im Bad habe er ihr den Duschschlauch um den Hals gewunden. “Ich hatte Todesangst. Sonst hätte ich nie um Hilfe geschrien. Ich hatte mir schon so viel gefallen lassen.” Sie habe gedacht: “Das ist ein Femizid. Ich bin die nächste.”
Vier Nachbarn schritten ein, “sehr couragiert”, wie Richter Schnappauf lobt. Sie ließen sich von seinen Abwiegelungen nicht beeindrucken. Sie bestanden darauf, eine Stunde lang in der Wohnung zu bleiben. Letztlich verwiesen sie ihn des Hauses. Erst ermittelte die Polizeiinspektion Eschenbach, dann auch die Kripo Weiden. Anfangs ging man von einem versuchten Tötungsdelikt aus.
Das ließ sich nicht festklopfen. Hat er zugezogen oder nicht? Die 23-Jährige weiß es nicht mehr genau. Es gab eine Rötung am Hals. Die könnte auch von vorherigem Würgen gekommen sein. Abgeurteilt werden am Ende “nur” sechs Körperverletzungen und die Erpressung, dafür gibt es 1 Jahr 8 Monate.
“Ausreichend, aber erforderlich”, meint Richter Schnappauf. Die 23-Jährige hätte sich “wesentlich früher aus dieser für sie gefährlichen Beziehung lösen müssen”. Das Gericht mache ihr das nicht zum Vorwurf, aber das müsse bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Staatsanwalt fordert 3 Jahre Haft
Staatsanwalt Andreas Falk hätte den Angeklagten für drei Jahre in Haft geschickt. Ihn stört das “leichte Grinsen” des 26-Jährigen während der Zeugenaussagen. Der Staatsanwalt ist froh, dass nicht mehr passiert ist: “Muss die Geschädigte erst schwer verletzt im Krankenhaus liegen? Kann man nicht auch in vorgelagerter Ebene solche Handlungen sanktionieren?”
Verteidiger Marcus Becker plädiert auf eine Geldstrafe. Die Justiz müsse sich mit den Trümmern einer gescheiterten Beziehung zweier Menschen auseinandersetzen, die “offensichtlich nicht dafür geschaffen waren, ein Leben miteinander zu verbringen”.




