Genusspunkte
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100 Jahre alt und kein bisschen leise

Weiden. Der evangelische Posaunenchor von St. Michael in Weiden feiert sein Jubiläum und geht außerdem mit spannenden neuen Ideen in die Zukunft.

100 Jahre alt und kein bisschen leise

Ein Bild aus alten Tagen: Konzert des Posaunenchores in der Michaelskirche Foto: Evangelischer Posaunenchor Weiden
Nicht nur in der Kirche, sondern auch unter freiem Himmel lässt der Posaunenchor seine Instrumente erklingen. Foto: Karin Hannes
Chorleiter Günter Weigl (rechts) und Bläser Richard Keßler und beugen sich über die Chronik, in der die hundertjährige Geschichte festgehalten ist. Foto: Susanne Götte
1979 berichtete der neue Tag über das Turmblasen zu Weihnachten. Foto: Susanne Götte

Am 1. Oktober um 9.30 Uhr feiert der Posaunenchor von St. Michael in Weiden sein hundertjähriges Bestehen mit einem Festgottesdienst in der Michaelskirche. Dass ein Chor über eine so lange Zeit besteht, ist keine Selbstverständlichkeit, wie der Blick in die Vergangenheit beweist.

Gründungsgeschichte

Die Idee zur Gründung entstand 1923 bei einem Ausflug des Evangelischen Männer- und Jünglingsvereins ins Pfreimdtal. Am 27. Juli desselben Jahres war es so weit: Auf Veranlassung des damaligen Stadtvikars v. Lips fanden sich im evangelischen Vereinshaus vier Bläser zusammen – es war die Geburtsstunde des Posaunenchors von St. Michael.

Die Gründungsmitglieder sind noch heute in der akribisch geführten Chronik zu finden: Heinrich Keppner (Trompete), Stadtvikar v. Lips (Flügelhorn), Hans Beer (Basstrompete) und Karl Mocker (Posaune). Ihren ersten öffentlichen Auftritt bestritten die Bläser bei der Glockenweihe am 11. August.

Seitdem gehört das Musizieren im Gottesdienst zur DNA des Posaunenchores. „Gott zur Ehr`, den Menschen zur Freud“ lautet das Motto. Beim Erntedankfest, zu Weihnachten oder beim Michaelsfest verleihen die Bläserinnen und Bläser den Feiern mit ihren Trompeten und Posaunen musikalischen Glanz. Der war anfangs hart erarbeitet. Gleich zweimal wöchentlich trafen sich die Musiker zur Probe, berichtete Chronist Hans Beer aus dem Jahr 1923.

Schwierige Zeiten

Die Herrschaft der Nationalsozialisten brachte schwierige Zeiten mit sich. Die Chronik beschreibt, dass die Führung der SA-Reserve die Mitglieder nötigte, „es solle sich die Kapelle geschlossen der besagten Parteiorganisation als SAR-Kapelle zur Verfügung stellen“. Andersfalls drohe eine Untersagung jeglicher Aktivitäten. Schweren Herzens stimmte man zu. Trotz gegenteiliger Zusage: Zeit für das Blasen in der Kirche blieb von da an nur noch selten. Arbeitsdienst und Wehrmacht ließen den Posaunenchor erheblich schrumpfen.

Nur durch beherztes Handeln einige Mitglieder konnten nach Kriegsende einige Instrumente vor der Plünderung gerettet werden. Doch nach und nach ging es aufwärts und die Mitgliederzahlen entwickelten sich positiv. Nicht zuletzt deshalb, weil das Blasen im Posaunenchor bald bei manchen Familien zum „guten Ton“ gehörte. Die Kinder der Mitglieder nahmen ganz selbstverständlich ein Blasinstrument zur Hand und verstärkten die Reihen.

VGN Nürnberg – Phase1
VGN Nürnberg – Phase1

So tauchen Namen wie Stahl oder Leupold im Laufe der Jahrzehnte immer wieder in der Chronik auf. Gründer Hans Beer ist ein Großonkel von Christian Stahl, der heute nicht nur langjähriges Mitglied im Posaunenchor ist, sondern auch Mesner und Türmer von St. Michael. Viele gemeinsame Einsätze schweißten die Mitspieler, zu denen seit 1974 auch Frauen gehören, zu einer Gemeinschaft zusammen.

Über Jahrzehnte ein echtes Highlight

Für 1989 verzeichnet die Chronik 45 Proben sowie 11 Anfängerproben und 20 musikalische Einsätze, dazu 16-mal Blasen mit dem Bezirkschor und fünfmal Turmblasen. Ein enormes Pensum! Das Blasen vom Turm der Michaelskirche war für den Posaunenchor über viele Jahrzehnte ein echtes Highlight – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem in der Silvesternacht. In alle vier Richtungen spielten die Musiker dann einen festlichen Choral.

Damit sich der Klang der Instrumente mit dem der Glocken harmonisch verband, wählten sie die Musik mit Bedacht. Meistens stimmten sie deshalb den Choral „Herzlich lieb hab ich dich, o Herr“ an. Einige Silvesterraketen, die vor rund zwanzig Jahren gezielt in Richtung Michaelsturm abgeschossen wurden, machten der Tradition jedoch ein Ende.

Schweißtreibender Aufstieg

Die geschockten Bläser wollten sich dieser Gefahr nicht noch einmal aussetzen. Mittlerweile, gibt Günter Weigl, der den Chor seit 1992 leitet, mit einem Schmunzeln zu, hat die Absage des Turmblasens noch einen weiteren Grund. Einige der Mitglieder seien doch etwas in die Jahre gekommen. Nach dem schweißtreibenden Aufstieg fehle ihnen einfach die Puste, um anschließend ihr Instrument zu spielen.

Grund genug, neue Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Eine davon: Der Posaunenchor von St. Michael wird sich in diesem Herbst mit den Bläserinnen und Bläsern der Nachbargemeinde St. Markus zusammenschließen. Der Chor von St. Markus besteht seit 65 Jahren und wird von Fritz Landgraf geleitet. Beim gemeinsamen Musizieren bei den Freiluftgottesdiensten in den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass es miteinander passt. Den Taktstock übernimmt zukünftig Dekanatskantorin Anna-Magdalena Bukreev.

Posaunenchor ab Oktober

Auch in der Werbung neuer Mitglieder will der Posaunenchor neue Wege gehen: „Jungbläser“ sind gern gesehen – wobei die durchaus auch erwachsen sein können. Denn wer das Spiel auf der Trompete, der Posaune oder einer Tuba neu erlernen möchte, ist gewissermaßen „jung“ an Erfahrung, unabhängig vom Lebensalter. Auch ehemalige Bläser sind willkommen, die wieder Zeit und Lust bekommen, ein Instrument in die Hand zu nehmen.

Damit es mit dem richtigen Ansatz klappt und aus ersten Tönen wohlklingende Melodien werden, kooperiert der Posaunenchor ab Oktober mit der Weidener Franz-Grothe-Musikschule. Für einen geringen monatlichen Beitrag können alle Interessierten ein Blechblasinstrument erlernen. Weitere Informationen gibt es bei Kantorin Anna-Magdalena Bukreev: anna-magdalena.bukreev@elkb.de.