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Historiker Rossner widerlegt Sagen des Fichtelgebirges in Kemnath

Kemnath. Historiker Adrian Rossner entzauberte im Musikeum vor rund 100 Gästen Mythen aus Fichtelgebirge und Steinwald. Er erklärte, warum es weder Menschenopfer noch Geheimgänge gab und wie Legenden um den Ochsenkopf entstanden.

Kemnath. Historiker Adrian Rossner entzauberte im Musikeum vor rund 100 Gästen Mythen aus Fichtelgebirge und Steinwald. Er erklärte, warum es weder Menschenopfer noch Geheimgänge gab und wie Legenden um den Ochsenkopf entstanden.
Foto: Bernhard Piegsa

Historiker Rossner widerlegt Sagen des Fichtelgebirges in Kemnath

Menschenopfer auf dem Waldstein, ein unterirdischer Geheimgang bei Speichersdorf und der seltsame Bergname „Ochsenkopf“: Die Geschichte des Fichtelgebirgs- und Steinwaldgebietes ist voller Legenden und Rätsel. Etliche davon entschleierte der Historiker Dr. Adrian Rossner im Kemnather „Musikeum“ für den Heimatkundlichen Arbeits- und Förderkreis in seiner bekannten, gleichermaßen fachkundigen wie unterhaltsamen Weise – vor einem rund 100-köpfigen neugierigen Publikum.

Legenden und Rätsel im Fichtelgebirge: Historiker klärt auf

Viele derartige Geschichtsmythen, so Rossner, gingen auf Heimatforscher zurück, die zwar in der Bevölkerung als Honoratioren großes Ansehen genossen hätten, deren geschichtswissenschaftliche Sachkunde aber oft nicht mit ihrem guten Willen, Licht ins Dunkel der Vergangenheit scheinen zu lassen, Schritt gehalten habe. Ein klassisches Beispiel sei die „Ostburg“ auf dem Großen Waldstein: Der im 19. Jahrhundert hochangesehene Münchberger Kommunalpolitiker und Heimatforscher Ludwig Zapf habe die Ruine als umfriedete zentrale Kultstätte einer von Norden über das Elb- und Saaletal bis ins heutige Nordbayern vorgedrungenen slawischen Bevölkerung fehlgedeutet. Sogar Menschenopfer habe es dort gegeben.

Inzwischen sei all dies widerlegt, hielt Rossner fest: Die slawische Urreligion habe keine Menschenopfer gekannt, die Burg sei etwa im elften Jahrhundert als Adelssitz errichtet worden. Ein grundsätzliches Fragezeichen setzte der Referent hinter die Annahme einer bruchlosen mittelalterlichen slawisch-germanischen Siedlungskontinuität: Er selbst gehe von einer allenfalls vorübergehenden Slawenansiedlung „in kleinerem Rahmen“ im unwirtlichen Fichtelgebirgsraum aus, den diese Menschen später weitgehend wieder verlassen hätten, um einer allgemeinen slawischen Wanderungsbewegung ins klimatisch günstigere Gebiet um das heutige Bamberg zu folgen.

Christianisierung, Burgen und Klima: Ein Blick ins Mittelalter

Demgemäß habe das Christentum auch nicht durch eine Slawenchristianisierung hier Fuß gefasst, sondern durch die Ansiedlung christlicher Baiern und Franken. Klöster wie Speinshart hätten nicht der Missionierung gedient, sondern seien ebenso wie die zahlreichen Höhenburgen und Turmhügel Teil und „Machtstützen“ des mittelalterlichen Herrschafts- und Sicherungsapparats für das seit dem Hochmittelalter von vielen Handelswegen durchzogene heutige Nordostbayern gewesen. Das Hochmittelalter sei als klimatische „Warmzeit“ auch die Zeit einer ertragreichen Landwirtschaft gewesen, die im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit durch eine „Kaltzeit“ abgelöst worden sei.

Als Folge dieser klimatischen Veränderung hätten Handwerk und Fernhandel gegenüber der nun weniger einträglichen Landwirtschaft an Bedeutung gewonnen, als Begleiterscheinung seien das 13. und 14. Jahrhundert die hohe Zeit der Gründung der als Handwerkszentren und Handelsplätze dienenden Städte gewesen. An Bedeutung habe damals auch der Bergbau gewonnen: „Bei der Suche nach Erzvorkommen halfen gut ausgebildete, geologisch kundige ‚Schatzsucher‘ aus Italien, die als ‚Venezianer‘, ‚Venediger‘ oder ‚Walen‘ bekannt waren.“ Diese Fachleute hätten Mineralfundstätten mit alchimistischen Symbolen für das betreffende Element gekennzeichnet: Ein in einen Stein eingeschlagenes Symbol für Silbererz sei möglicherweise später volkstümlich als Ochsenkopf fehlgedeutet worden, der dem gleichnamigen Berg zu seinem Namen verholfen haben könnte.

Geheimgänge, Steinkreuze und Sagen im Faktencheck

Prinzipiell zweifelhaft sind nach Adrian Rossners Überzeugung die Erzählungen über kilometerlange unterirdische Geheimgänge, die – wie man etwa in Speichersdorf erzählt – als Fluchtwege für etwaige Belagerungszeiten angelegt worden seien: „Wie fragwürdig wäre der Sinn eines unterirdischen Ganges, durch den zwar die Bevölkerung den Ort verlassen, der Feind aber auch in ihn eindringen könnte?“ Vermeintliche Reste solcher Fluchtwege hätten sich regelmäßig als schlichte Keller, Abwasserkanäle oder Fragmente von Bergbaustollen entpuppt. Der Historiker ging auch auf die häufig anzutreffenden Steinkreuze ein, die oft an schreckliche Ereignisse wie Überfälle und Morde erinnerten: „Manchmal mussten Täter selbst derartige Kreuze als Sühne anfertigen und zum Tatort schleppen.“ Weitere von Rossner angesprochene Themen waren die „Bilmesschneider“-Sage, der medizinisch leicht zu erklärende „Drudendruck“, die Wüstungen (im Mittelalter und in der Frühneuzeit abgesiedelte Dörfer), die vier im 17. Jahrhundert im Fichtelgebirgsraum nachgewiesenen Windmühlen, ferner der „Pestilenzgarten“ bei Gefrees, ein im 17. Jahrhundert angelegter besonderer Friedhof für Opfer einer Pestepidemie, und der britische Bombenangriff auf Münchberg im August 1940, der wohl eigentlich der Stadt Hof gegolten habe: „Hof hatte damals aber eine sehr gute Flugabwehr, und Münchberg hatte die vorgeschriebene Verdunkelung nicht eingehalten und musste deshalb als Ersatzziel herhalten.“

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