Archäologie der Slaven in der nördlichen Oberpfalz – mehr als nur ein paar Ortsnamen
Archäologie der Slaven in der nördlichen Oberpfalz – mehr als nur ein paar Ortsnamen
Denn wie der Bamberger Archäologe Dr. Hans Losert in seinem Vortrag „Neues zur Archäologie der Slaven in der nördlichen Oberpfalz“ anklingen ließ, wurde die Bedeutung der slavischen Ethnien und ihrer Kultur in der Geschichte des östlichen Bayerns bis in die jüngste Zeit unterschätzt und geringgeachtet. Wie windschief dieses Geschichtsbild war, führte Losert den rund 130 Besuchern im voll besetzten Pressather Pfarrsaal in seiner reich bebilderten anderthalbstündigen „Reise“ durch die früh- und hochmittelalterliche Historie Nordostbayerns vor Augen.
Doch wer waren diese „Slaven“ oder „Wenden“, die vor rund 1500 Jahren von Südosten her in das heutige Oberpfälzer Gebiet vordrangen? Ursprünglich, so der Referent, hätten die Volksstämme der „Venethi“, „Antes“ und „Sclaveni“, von denen der im sechsten Jahrhundert lebende griechisch-römische Geschichtsschreiber Jordanes berichtet, zwischen Weichsel, Dnipro, Schwarzem Meer und mittlerer Donau gesiedelt. Die etwa im heutigen Ungarn ansässigen slavischen Volksgruppen seien ab 568 unter die Hoheit des neu errichteten Reiches der von Asien her eingewanderten Awaren geraten.
Erste Funde bei Regensburg
Für die zweite Hälfte des sechsten Jahrhunderts seien dann auch Slaven in der Nähe von Regensburg nachgewiesen: Ein Gräberfeld, das 2003 bei der Erschließung eines Neubaugebietes nahe Großprüfening entdeckt worden sei, bezeuge dies. „Die in ihrer Tracht gewandeten Toten wurden auf Bärenfellen aufgebahrt und auf Scheiterhaufen verbrannt“, beschrieb Hans Losert die dort praktizierte, charakteristisch slavische „Brandbestattung“. Klar zuzuordnen seien auch die Urnen: Sie zählten zur Keramik des „Prager Typs“, der für die „frühestslavische“ Kultur „von Böhmen bis Südrussland“ typisch sei.
Auch die Schmuckbeigaben seien frühslavisch-awarischer Machart. Bemerkenswert an diesem Fund, der „mehr als hundert Jahre älter ist als die ältesten slavischen Funde in Ostdeutschland“, sei auch, dass ein benachbartes ehemaliges Römerkastell zu jener Zeit als Sitz der „allerersten baierischen Herzöge“ gedient habe: „Mutmaßlich haben diese Herzöge bewaffnete Eliten aus dem slavischen Kulturbereich angeworben und ihnen gestattet, ihre Toten nach eigener Tradition beizusetzen.“ Der Eintritt in den baierischen Heeresdienst sei für die Slaven attraktiv gewesen, weil sie offenbar unter den Baiern bessere Lebensbedingungen vorgefunden hätten als unter den Awaren.
Aktuelle Erkenntnisse
„Großprüfening ist der Ausgangspunkt slavischer Kultur in der Oberpfalz, deren Anfang in die gleiche Zeit fällt wie die frühesten slavischen Funde in Böhmen und Mähren“, resümierte Hans Losert. Von dort aus seien slavische Siedler ab dem späten sechsten Jahrhundert naabaufwärts bis in die heute ostfränkischen Regionen an Untermain und Regnitz vorgedrungen: „Noch vor 30 Jahren hätten Historiker und Archäologen dieses heutige Wissen als Verrücktheit abgetan.“
845 hätten sich in Regensburg 14 böhmische Fürsten taufen lassen: „Das belegt die lebendigen Beziehungen der Stadt zu den slavischen Nachbarn und ihre Bedeutung für die Slavenmission.“ Allerdings habe sich die Verdrängung altgläubiger Kultpraktiken bis ins elfte Jahrhundert hingezogen. Auch die slavischen Sprachen in der Oberpfalz seien erst im Spätmittelalter ausgestorben.
Erster Slavenkönig war Franke
Im siebenten Jahrhundert habe sich das slavische „Reich des Samo“ vermutlich auch bis ins heutige Nordostbayern hinein erstreckt, nimmt Losert an. Samo sei ein fränkischer Kaufmann gewesen, der mit den Slaven im böhmisch-mährischen Raum so erfolgreich Handel getrieben und dadurch ein solches Ansehen erworben habe, dass diese ihn zu ihrem „König“ erhoben hätten: „dem ersten slavischen König, den wir überhaupt kennen.“
Dieses Reich sei allerdings eine Episode geblieben. Aus den 740er Jahren sei dann überliefert, dass die nun unter fränkischer Hoheit lebenden Slaven als „gleichberechtigte Siedler neben den Ostfranken“ anerkannt gewesen seien. Die Gründung der Bistümer Regensburg, Würzburg und Eichstätt durch den Missionsbischof Bonifatius falle in diese Zeit: „Die Slaven Nordbayerns waren die ersten außerhalb des Byzantinischen Reiches, die christlich missioniert wurden, und die drei Bistumsgründungen hängen mit der Slavenmission zusammen.“
Als Kuriosität erwähnte Losert die im achten Jahrhundert von den Franken und Slaven im Würzburger Bistumsgebiet erhobene „ostarstuopha“-Steuer in Form von Textilien und Honig: „Honig spielte in Nordostbayern ganz lange eine wichtige Rolle – die Nürnberger Lebkuchen erinnern noch daran.“
Auch keltische und germanische Kulturrelikte
Hans Losert zeigte in seinem Vortrag zahlreiche Grabstätten, Bautenreste, Schmuckstücke, Rüstungsteile und Kultgegenstände, die man an Orten wie Barbaraberg, Dietstätt bei Schwarzenfeld, Eichelberg bei Pressath, Großprüfening und Iffelsdorf bei Pfreimd, in Matzhausen bei Hohenfels, Mockersdorf und Regensburg-Niedermünster und natürlich am Rauhen Kulm, dem Mittelpunkt der „slavischen Siedlungskammer“ Flednitz, fand.
Diese stellte er gleichartigen Funden aus dem böhmisch-mährischen Raum, Polen und anderen slavischen Kerngebieten gegenüber. Beeindruckt zeigte sich der Archäologe von einem in Dietstätt entdeckten handwerklich anspruchsvollen Eichenholzbrunnen aus der Zeit um 765: „Etwas Vergleichbares in ähnlicher Perfektion kennt man dann erst wieder von einem Bayreuther Brunnen aus dem 14. Jahrhundert.“
Nicht unerwähnt ließ er die Netzaberger Funde aus der vorchristlichen Keltenzeit, die auf eine unmittelbare Abfolge germanischer und slavischer Besiedelung hindeutenden vorslavisch-germanischen Flussnamen wie Creußen und Naab, die Parallelen zwischen germanischer und slavischer Religion, die im Kulmgebiet aufgefundenen Überbleibsel des Ungarneinfalls im zehnten Jahrhundert und die „Bergbaurelikte“ auf dem Barbaraberg, die das Patrozinium der Barbarakirche erklären könnten.




