Der Klostergarten als Gleichnis (5): Von Honig, Hierarchie und Herbstgold
Der Klostergarten als Gleichnis (5): Von Honig, Hierarchie und Herbstgold
Das Summen unzähliger Bienen wird lauter. Wir steigen in eine Art Bauwagen mit geschütztem Blick auf die Bienenstöcke. Äbtissin Laetitia Fech legt die Hand auf die hölzernen Deckel an den Fenstern. „Spüren Sie das? Es ist wie ein Ohm – ein Summen aus tausend Flügeln.“ Der Klang des Bienenvolks ist mehr als Naturgeräusch – er ist Meditation, Klangraum der Stille, Gebet ohne Worte.
Der Bienenstock ist Symbol und Sinnbild zugleich. „Der heilige Ambrosius“, erklärt sie, „hat so gepredigt, dass es den Leuten wie Honig in die Seele ging.“ Ordnung, Hingabe, Demut – all das finde sich im Bienenstaat wieder. „Vielleicht bin ich etwas agiler als die Königin“, lacht sie. „Aber es braucht beides: Struktur und Bewegung.“
Unweit der Meditationsbank wachsen Kosmeen, Kornblumen, Königskerzen. „Das ist kein Deko-Garten“, betont Monika Keck vom Maschinenring, die mit ihren Kolleginnen den Garten in Schuss hält.
Das ist ein Lebensraum. Für Bienen. Für Menschen.
Monika Keck
Äpfel von 1668 und andere Schätze
Einige Meter weiter hängen kleine gelbgrüne Früchte an einem knorrigen Stamm. „Das ist unser ältester Apfelbaum“, sagt die Äbtissin. „Die Sorte stammt aus dem Jahr 1668 – sie hat ein ganz eigenes Aroma.“ Alte Sorten, robust und oft verträglicher für Allergiker, sind hier keine musealen Exoten, sondern Teil eines lebendigen Kreislaufs.
Und wenn geerntet wird? „Was faul ist, bekommen die Rehe“, sagt Laetitia. „Der Rest geht in die Presse – oder zur Apfelbörse.“ Dort wird nicht verkauft, sondern getauscht – gegen Sortenvielfalt, Erinnerung, Heimatgefühl. „Das ist kein Spekulationsobjekt“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Nicht so wie die holländische Tulpenbörse, die Rembrandt fast in den Ruin getrieben hätte.
Ernten, was die Schöpfung schenkt
Was von den Obstbäumen nicht gegessen oder gepresst wird, wird gebrannt. „Unser Zwetschgenschnaps ist wirklich gut – aber die Früchte müssen fast überreif sein“, sagt Keck. „Dann geht das Aroma richtig auf.“ Auch in diesen Prozessen schwingt mehr mit als kulinarischer Pragmatismus. Es ist ein Ernten, das nie nur materiell gemeint ist.
„Die Natur gibt – und wir danken“, sagt die Äbtissin. „Das ist ein ganz einfacher, uralter Rhythmus. Wir versuchen, ihn zu bewahren.“ Wer hier durch den Garten geht, sieht mehr als Pflanzen: Man sieht ein Gleichnis für klösterliches Leben – und für ein Weltverständnis, das mit beiden Beinen in der Erde steht.
Teil 6 –„Der Klang des Glaubens“: Barocke Satire und zisterziensischer Ernst in der Stiftsbibliothek
Der Gartenkreislauf von Waldsassen
- Bienenstock: Symbolik des Heiligen Ambrosius – Predigt als Honig für die Seele
- Meditation: Summen der Bienen als geistige Klanglandschaft
- Alte Obstsorten: Apfelsorten bis 350 Jahre alt, allergikerfreundlich, regional
- Verwertung: Überreifes Obst für Schnaps, gutes für Apfelmost, faules für Rehe
- Apfelbörse: Tauschen statt kaufen – Erhalt der Sortenvielfalt als kulturelle Aufgabe
- Philosophie: Nichts wird verschwendet – alles hat seinen Platz im Kreislauf.




