Schobers-Rock-Kolumne: Einmal um den Globus mit den Genre-Bus und zurück

Schobers-Rock-Kolumne: Einmal um den Globus mit den Genre-Bus und zurück
Auch New York hat den Folk
Die Nächte sind inzwischen schon recht kühl, ja mancherorts gefriert es bereits. In New York war es auch letzten Winter recht frostig, was die drei Mitglieder von Big Thief, Adrianne Lenker, Buck Meek und James Krivchenia nicht davon abhalten konnte, drei Wochen lang tagtäglich mit dem Fahrrad von Brooklyn ins Studio nach Manhattan zu fahren um “Double Infinity” (4AD) aufzunehmen. Manchmal sammelten sie dabei auch befreundete Kollegen ein, darunter Hannah Cohen, um am Ende mit gut einem Duzend Musikern vielschichte Klanglandschaften mit Zither, Sitar, exotischen Perkussion, Droones und Loops zu kreieren.
Ein durchaus aufhorchender Sound ist hier entstanden zu dem Lenker ihre poetischen Texte über den eigenen Seelen- und Bewusstseinszustand, über die Liebe zu sich selbst und anderen, über das Älterwerden (“How can beauty that is living be anything but true?”) singt. Das ist so anrührend ehrlich wie schön, ohne in seichte Betulichkeit abzurutschen.
Und die Schotten können natürlich auch Folk
Recht frostig wird es auch letzten Winter in den schottischen Highlands gewesen sein. Dort hat sich Josienne Clarke für ein paar Tage zusammen mit einem Tonband eingeschlossen um „Far From Nowhere“ (Corduroy Punk Records) aufzunehmen. Das eben besprochene Big Thief-Album könnte, reduziert auf Stimme und Fingerpicking-Gitarre, durchaus ähnlich klingen.
So aber drängt sich vor allem bei “Tiny Bird’s Lament” sofort Nick Drake auf, aber auch Adrianne Lenker`s Solo-Werke, Bon Iver, die junge Joni Mitchell oder Bonnie „Prince“ Billy dürfen als Referenz herangezogen werden. Die reine, zarte und klare Stimme der Protagonistin steht dabei oft in krassem Gegensatz zu ihren von beißender Ironie durchzogenen Texten, denen man aber ob des jungfräulichen Wohlklangs umso lieber lauscht -und sich verführen lässt.
Ein Alleskönner der viel zu erzählen hat
Ein Verführer ist auch Cass McCombs. Der Musiker aus der Bay Area hat mit ein paar Kumpel aus den Anfangsjahren – Jason Quever (Papercuts), Chris Cohen, Matt Sweeney- gleich ein Doppel-Album (passiert ja inzwischen sehr selten) aufgenommen. Da hatte sich wohl viel angestaut, was raus musste. Und die Themen sind vielseitig und umfangreich, reichen vom politischen Statement über die Umwelt bis -natürlich- zur Liebe.
McCombs findet dazu immer die rechte, oft zurückgelehnte, unaufgeregte und reduzierte Untermalung. Das Repertoire reicht vom schlicht gezupften Folk`n`Contry-Song über den knackigen 80er-Indie-Rocker bis zum soulful Pop-Schlenker. Wer will, mag auch noch Blues- und Jazz-Elemente ausmachen. Diese 16 Songs auf „Interior Live Oak“ (Domino) sind jedenfalls allesamt hörenswert, sei es musikalisch, sei es um den Botschaften das Cass McCombs zu lauschen.
Soulful Mainstream-Mucke ohne Tadel
Von Zurückhaltung hält der Barde James Morrison eher wenig. Das beweist schon das Artwork seiner neuen Platte, „Fight Another Day“ (Cooking Vinyl), das sagen auch seine Lieder aus, die neben dem Titelsong „Save a Place For Me“, „The Man Who Can’t Be Loved“, „Cry Your Tears On Me“ oder „New Day“ heißen. Da hat einer eine Therapie gemacht, hat sich einer selbst gefunden und reflektiert nun die Vergangenheit um optimistisch und voller Tatendrang zurück in die reelle Welt zu wandern.
„Als ich mich meinen Gefühlen hingab, kamen die Songs von selbst. Ich begann, über das zu schreiben, was ich durchmachte. Meine eigenen Kämpfe mit mir selbst. Jeder Tag war ein kleiner Kampf. Ich versuchte, das Licht zu finden, nachdem ich mich so lange in der Dunkelheit gefühlt hatte“, sagt der Künstler selbst. Dazu gibt es ausschließlich positiv klingende Rock- und Pop-Musik mit heftigen Soul-, Rhythm & Blues- und Funk-Zitaten und auf dem Rausschmeißer, „Fill My Glass“ klingt der Mann mit der markant-rau raspelnden Soul-Stimme sogar wie Groß-Meister Stevie Wonder. Mainstream at it´s best.
Brüderliche Vielfalt aus Kanada
Zwei Brüder aus Montreal waren wohl auch ein wenig auf der Sinnsuche und fochten so manche Kämpfe auch unter sich aus. Ein Grund, warum man ganze acht Jahre auf „“Let it Hiss” (Secret City Records) warten musste. Aber man darf sagen, die Auferstehung der Barr Brothers darf beklatscht werden. Da ist z.B. der sämige Duett-Gesang auf „English Harbour“, eine elegische Ballade zu der auch Jim James sein Scherflein beiträgt. Die Everly Brothers könnten nicht runder klingen. Gleich nach dem Schmelz-Song ist mit „Run Right Into It“ flotter Rock`n`Roll angesagt.
Elizabeth Powell von Land of Talk wirkt hier als Gast mit. Oder auch der Opener, „Take it From Me“, der nur mit Klampfe und einer sehnsüchtigen Stimme beginnt um sich dann zu einem wundervoll orchestrierten Pop-Song a la Randy Newman auszuwachsen. Und habe ich schon den Titel-Song erwähnt, der startet mit einer Queen`schen Stromgitarre, oder das psychedelisch-soulige „Moonbeam“ und am Ende dieser so vielschichtigen (und immer einnehmenden) Platte wird man mit dem Rumpel-Rocker mit Punk-Appeal und Wah-Wah-Gitarren-Orgie, „Upsetter“ entlassen -um sofort die Repeat-Taste zu drücken. Gratulation!
Blues aus Kiwi Country
Ich glaube, die letzte Ausgabe dieser Kolumne hatten wir auch mit erdigem Blues-Rock abgeschlossen. Das muss jetzt keine Reihe werden, aber dieses Mal bleiben wir dem Prinzip nochmals treu. Also: Blues-Rock zum Abschluss. Der kommt dieses Mal wieder erwarten aus Neuseeland, die Kapelle nennt sich BB & The Bullets. Mit dem fernen Paradies verbindet man eher flockigen Indie-Pop von den Chills, Tall Dwarfs, Split Enz und natürlich Crowded House. Die beiden letztgenannten kommen auch hier ins Spiel, denn Bandleader Brian Baker arbeitet seit den 80ern mit Crowded House und Split Enz Keyboarder Eddie Reyner zusammen, der hier auch einen kurzen Gastauftritt an der Orgel bei „High Tide“ hat.
Ansonsten auf dem Debüt, „High Tide“ (Bertus) wie gesagt solider Blues-Rock aus eigener Feder aber auch Coverversionen wie z.B. Albert Kings „Born Under A Bad Sign“, das über den Umweg Cream Legendenstatus erreicht hatte. Gleiches gilt für Rufus Thomas „Walking The Dog“ und die Rolling Stones, den Beatles-Titel, „I Want You / She’s So Heavy“ oder B.B. Kings „The Thrill Is Gone“. Man braucht diese Platte sicherlich nicht wirklich, sie tut aber auch nicht weh.


