Spaziergang mit Äbtissin Laetitia durch Kloster Waldsassen (1): Unsere Pforte steht offen, noch mehr unser Herz
Spaziergang mit Äbtissin Laetitia durch Kloster Waldsassen (1): Unsere Pforte steht offen, noch mehr unser Herz
An diesem freundlichen Sommernachmittag leuchtet der weitläufige Innenhof des Zisterzienserinnenklosters im Sonnenlicht. Das leise Plätschern des Brunnens, das Klackern von Schritten auf Kopfsteinpflaster und der Duft nach barockem Mauerwerk und frischem Kaffee vom Gästehaus St. Josef in Sichtweite bilden den Klang- und Duftraum für einen besonderen Moment.
Äbtissin M. Laetitia Fech OCist tritt aus dem Schatten des Gästehauses und begrüßt mit freundlicher Stimme zum Rundgang durch eine spirituelle, wirtschaftliche und soziale Welt hinter alten Mauern – die quicklebendig ist. In unserer sechsteiligen Reportage begleitet OberpfalzECHO die Äbtissin durch „ihr“ Kloster. Da das Gespräch in voller Länge im Video zu sehen ist, reißen wir im Text die Themen nur kurz an – zum besseren Überblick, welche Stationen wir bei diesem Streifzug besuchen durften.
„Dreimal dürfen wir feiern“, sagt sie und breitet leicht die Arme aus, als wolle sie auch symbolisch einladen: 160 Jahre Schulbildung für Mädchen seit 1865, 100 Jahre Erhebung zur Abtei im Jahr 1925 – und ihr eigenes, persönliches Jubiläum: 30 Jahre im Amt seit ihrer Benediktion am 3. Oktober 1995. „Ich freue mich sehr, wenn Menschen mit uns feiern. Und ich meine das ganz wörtlich: Porta patet, magis cor – unsere Pforte steht offen, noch mehr unser Herz.“
Der Brunnen, der verbindet – und ein Versprechen trägt
Doch bevor wir aufbrechen, deutet sie auf das zentrale Element des Hofes: den kunstvoll geschichteten Brunnen aus rötlichem Veroneser Marmor. „Das ist mein Symbol“, sagt sie, „der Brunnen mit meinem persönlichen Wappen – er ist Zeichen der Freundschaft mit Verona und Ausdruck meines Wahlspruchs: Die dem Herrn vertrauen, schöpfen neue Kraft.“
Die Äbtissin erzählt von der tiefen Verbundenheit mit dem Freundeskreis aus Verona – über 120 Unterstützerinnen und Unterstützer, die dem Kloster in der Umbauphase mit Spenden und Benefizaktionen den Rücken stärkten. „Dieser Brunnen ist ein Geschenk. Und für mich ist Wasser sowieso das Lebenselixier – Grundlage allen Lebens. Ich glaube, es wird in Zukunft noch viel wichtiger für unsere Welt.“ Ihr Blick streift nachdenklich das fließende Nass.
Wie Bernhard von Clairvaux sagte: Die Schale muss sich erst füllen – dann fließt sie über. Kein hektischer Kanal, sondern ein Kreislauf.
Äbtissin Laetitia
Wasser sei auch ihr persönliches Bild für die Spiritualität. Am Tag ihrer Weihe wurde im Gottesdienst das Evangelium (Joh 4,5-42) mit der Frau am Jakobsbrunnen gelesen – ein tiefes Symbol: „Christus spricht mit einer Fremden, einer Frau, einer Ausgegrenzten – und offenbart sich ihr als Messias. Das bewegt mich bis heute. So verstehe ich auch mein Amt: nicht von oben herab, sondern als Schwester unter Schwestern.“
Gästehaus, Mühlenviertel, Kirche – ein Kloster als Spiegel der Zeit
Dann skizziert sie den Weg, den wir gemeinsam gehen werden: „Zuerst besuchen wir das Gästehaus St. Joseph – das war unsere wirtschaftliche Rettung und ist heute ein Ort der Gastfreundschaft, wie sie schon Benedikt vor 1500 Jahren beschrieben hat.“ Über 40 Jahre lang habe das Gebäude leer gestanden, dann sei es 2008 eröffnet worden: Ein Dialog der Jahrhunderte aus mittelalterlicher Bausubstanz, Barock und moderner Architektur – und vor allem ein Ort der Begegnung.
Anschließend besuchen wir gemeinsam die Klosterkirche Mariae Himmelfahrt, die 1924 eingeweiht und 2009 generalsaniert wurde: mit reduzierter Architektur, dem Altarraum auf Augenhöhe mit dem Kirchenvolk und einem schlichten, eigens für sie gestalteten Äbtissinnenstab aus französischem Nussbaumholz – Symbol der Hirtensorge, nicht der Hierarchie.
Ich bin keine Vorgesetzte – ich bin Dienerin meiner Mitschwestern. Und wenn Christus am Gründonnerstag den Jüngern die Füße gewaschen hat, dann ist das mein Maßstab.
Äbtissin Laetitia
Weiter führt der Spaziergang über den Weg ins Mühlenviertel: „Ein Herzensprojekt“, sagt sie. Aus alten Ökonomiegebäuden des Klosters – Mühle, Schmiede, Sägehaus – wurde ein Inklusionsprojekt für Menschen mit Handicap. „Ich dachte damals, wir tun Gutes für Benachteiligte. Aber inzwischen glaube ich: Wir sind die Beschenkten. Ich habe selten so viel Lebensfreude und Stärke erlebt wie dort.“
Und dann, als kunsthistorisches Highlight, darf natürlich auch die Klosterbibliothek nicht fehlen – auch wenn die barocken Regale derzeit ihre Bücher vermissen, die vorübergehend in München gelagert sind.
Nächster Teil: Spaziergang mit der Äbtissin (2): Kindheit, Berufung und das Wunder von St. Josef
Das Dreifachjubiläum im Kloster Waldsassen
🕯 160 Jahre Mädchenbildung
Seit dem 5. Oktober 1865 werden im Kloster junge Frauen unterrichtet – der Ursprung der heutigen Schule.
⛪ 100 Jahre Abtei
Am Dreikönigstag 1925 wurde das Kloster Waldsassen zur Abtei erhoben – ein Schritt in die Eigenständigkeit.
👑 30 Jahre Äbtissin Laetitia
Seit dem 3. Oktober 1995 leitet M. Laetitia Fech OCist das Kloster – mit Haltung, Humor und Herzensgüte.
🎉 Feierlicher Festgottesdienst am 5. Oktober, 11.15 Uhr in der Klosterkirche
Mit dem Präses der Kongregation und geladenen Gästen. Doch wie Laetitia sagt: „Wer kommen mag, ist willkommen!“











