Letzte Stolpersteine für ermordete Juden - 1942 in Konzentrationslager deportiert
Letzte Stolpersteine für ermordete Juden - 1942 in Konzentrationslager deportiert
In der Bahnhofstraße schließt sich der Kreis: Im November 2022 waren vor der Nummer 33 die ersten Weidener Stolpersteine für die Fabrikantenfamilie Kupfer verlegt worden. Jetzt, am 27. November 2025, um 11 Uhr findet der zentrale Gedenkakt ebenfalls in der Bahnhofstraße statt: vor der Hausnummer 11, wo Bankiersgattin Klara Thomé zuhause war. Danach werden 14 Steine aus der Werkstatt des Künstlers Gunter Demnig an neun Adressen im Boden eingelassen. Die GCJZ übernimmt – dank zahlreicher Spender – die Finanzierung.
Organisator Stadtarchivar Dr. Sebastian Schott und die Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Alfons Forster und Werner Friedmann, laden alle interessierten Bürger zur Verlegung ein. OB Jens Meyer wird vor Ort sein. Das Gedenken wird von Schülern der Wirtschaftsschule Weiden mit den Lehrerinnen Ursula Soderer, Christine Hein und Sabine Lettl gestaltet.
Gedenken an verlassene Bankiersgattin
Die Neuntklässler planen eine szenische Darstellung des Schicksals von Klara Thomé. Ihr Mann, der katholische Bankier Anton Thomé (Schmidtbank-Direktor), ließ sich auf Druck der Nationalsozialisten scheiden. Damit verlor seine Frau Klara den letzten, vagen Schutz. Im Alter von 60 Jahren wurde sie ins KZ Auschwitz deportiert und ermordet.
Nach der Verlegung in der Bahnhofstraße führt der Weg weiter zu den Adressen Naabstraße 8, Max-Reger-Straße 2a und 11, Ringstraße 14, Wörthstraße 12, Sedanstraße 2 und Türlgasse 2. Mitarbeiter des Bauhofs übernehmen die technische Ausführung.
Angehörige in aller Welt
Es leben noch Angehörige, am “berühmtesten” wohl Stephen Schwarz, Professor für Philosophie an der Rhode Island University und heute 93 Jahre alt, Enkel von Frieda Katzenstein. Bekannt ist auch der Österreicher Hanno Loewy (64), Gründungsdirektor des Fritz-Bauer-Instituts Frankfurt, heute Direktor des Jüdischen Museums Hohenems. Er ist Großneffe von Hilda Lamm, geborene Loewy aus Waidhaus.
In mindestens vier Familien war es zumindest einigen erwachsenen Kindern gelungen, rechtzeitig ins Ausland zu fliehen. Bei den ermordeten Juden, für die jetzt Steine verlegt werden, handelt es sich überwiegend um ältere Männer und Frauen zwischen 57 und 71 Jahren, darunter drei Kaufmannsehepaare und drei Witwen.
Alle 14 lebten unmittelbar vor ihrer Deportation nicht mehr in der Stadt Weiden. Vier sind in Weiden geboren, bei vielen kamen die Kinder in Weiden zur Welt, bei manchen war es “nur” der jahrelange Wohn- und Geschäftssitz. Stadtarchivar Schott hat die Verlegungen bewusst so weit gefasst. Unter den Familien, für deren Angehörige Steine verlegt werden, sind ein paar feste Größen der jüdischen Gemeinde Weiden/Floß: Sterzelbacher, Loewy, Bloch, Bäuml.
Ort und Zeit: Stolpersteinverlegung
- Bahnhofstraße 11 (Gedenkakt gegenüber in der Grünanlage neben der Sparkasse)
- Donnerstag, 27. November, 11 Uhr
- Ablauf: Reden Pfarrer Alfons Forster (Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit), OB Jens Meyer, Gestaltung durch Schüler der Wirtschaftsschule Weiden
Sedanstraße 2, Emma Grünebaum und Frieda Katzenstein
Hier wohnte: Emma Grünebaum, geb. Bloch, Jg. 1870, deportiert 1942 Theresienstadt, ermordet 23. 7. 1943
Frieda Katzenstein, geb. Bloch, Jg. 1871, deportiert 1942 Theresienstadt, ermordet 23. 11. 1942
Die in Weiden geborenen Kaufmannstöchter (Eltern Sigmund und Elisabeth Bloch) lebten zum Zeitpunkt ihrer Deportation 1942 in München. Die Schwestern waren 70 bzw. 71 Jahre alt und verwitwet. Beide wurden im Juli 1942 im gleichen Zug ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Frieda starb im November 1942, Emma im Juli 1943. Sie erlagen den katastrophalen Lebensbedingungen. Im Sommer 1942 lebten in der ehemaligen Festung Terezin knapp 54.000 Menschen auf einem Quadratkilometer.
Zwei Katzenstein-Töchter emigrierten in den 1930er Jahren in die USA. Helene war mit dem deutschen Philosophen Dr. Balduin Schwarz verheiratet. Ihr heute 93-jähriger Sohn Stephen D. Schwarz (Jahrgang 1932) war Professor für Philosophie an der Rhode Island University.
Naabstraße 8, Hedwig Bloch
Hier wohnte: Hedwig Bloch, geb. Bäuml, Jg. 1883, interniert 1941 München, deportiert 1942 nach Theresienstadt, ermordet.
Die Tochter des Weidener Viehhändlers Nathan Bäuml hatte ebenfalls einen Viehhändler geheiratet, die Familien stammten alle aus Böhmen. Als Witwe betrieb sie einen Schnittwarenhandel in der Naabstraße. 1939 zog sie nach München, wo ein Versuch scheiterte, nach Chile zu emigrieren. Ihre zwei Schwestern Rosa und Lina waren bereits ausgewandert: ein mit heute unbekanntem Zielort, eine nach Kuba.
Hedwig wurde 1942 im Alter von 59 Jahren direkt von München nach Auschwitz gebracht und ermordet. Sie wurde im sogenannten “Straftransport” deportiert. Der Transport ging von Stuttgart über München, Chemnitz nach Auschwitz. Er wurde von Gestapobeamten so genannt, weil einige Deportierte direkt aus der Haft kamen, einige der 50 Betroffenen aus München tragen auf der Liste den Vermerk “St” (Staatsfeind), Hedwig Bloch nicht. Es gibt einen Sohn Rudolf, geboren 1910 in Neuern (Böhmen). Er lebte 1939 in Prag, über ihn gibt es keine weiteren Einträge.
Ringstraße 14, Ludwig Bloch
Hier wohnte: Ludwig Bloch, Jg. 1882, deportiert 1941 Kowno/Kaunas Fort IX, ermordet 25. 11. 1941
Ludwig Bloch wurde als Sohn der Rohproduktenhändlern Emmanuel und Fanny Bloch in Weiden geboren. Die Familie zog 1901 nach München. Dort arbeitete Ludwig als Lagerist, nach der Arisierung war er als Straßenmusikant registriert. Er und seine Schwester Martha wurden im November 1941 mit einem Deportationszug mit insgesamt 999 Juden in die ehemalige Festung Fort IX in Litauen gebracht. Die Fahrt dauerte vier oder fünf Tage, die Deportierten wurden sofort nach Ankunft ermordet. Das Fort im von Deutschland besetzten Litauen wurde im Zweiten Weltkrieg als Ghetto und Konzentrationslager für Massenmord genutzt. Insgesamt wurden dort 50.000 Menschen ermordet. Ludwig Bloch starb im Alter von 59 Jahren.
Wörthstraße 12, Max und Regine Goldschmidt
Hier wohnten: Max Goldschmidt, Jg. 1876, deportiert 1941 Ghetto Riga, ermordet
Regine Goldschmidt, geb. Baum, Jg. 1876, deportiert 1941 Ghetto Riga, ermordet.
Das Kaufmannsehepaar (er stammt aus Eisenach, sie aus der Nähe von Prag) hatte zwei Töchter, die 1907 und 1908 in Weiden zur Welt kamen. Schon ab 1909 war die Familie in Hannover ansässig. Beide Töchter emigrierten nach England. Die Eheleute Goldschmidt lebten zuletzt in einem “Judenhaus” in Hannover und wurden 1941 im Alter von 65 Jahren mit 1000 weiteren Juden aus Hannover nach Riga deportiert.
Türlgasse 2, Edgar und Lina Gutmann
Hier wohnte: Edgar Gutmann, Jg. 1884, “Schutzhaft” 1938 KZ Dachau, deportiert 1942 Ghetto Piaski, ermordet
Lina Gutmann, geb. Steinberger, Jg. 1876, interniert 1942 München, deportiert 1942 Ghetto Piaski, ermordet.
Die Kaufleute betrieben am Oberen Markt in Weiden eine Maßanfertigung für Hemden und Gardinen, 1933 zogen sie nach München. Die in Weiden geborenen Töchter Nora und Luise emigrierten 1937 und 1938 nach New York. Die Eltern bemühten sich 1941 vergeblich um eine Ausreise in die USA. Edgar und Lina Gutmann wurden am 4. April 1942 im Alter von 58 und 66 Jahren ins Durchgangslager Piaski deportiert.
Bahnhofstraße 11, Klara Thomé
Hier wohnte: Klara Thomé, geb. Illfelder, Jg. 1882, deportiert 1942 Theresienstadt, 1944 Auschwitz, ermordet. Kurzfassung: Die Bankiersgattin wurde 1944 im Alter von 62 Jahren in einem der letzten Deportationszüge in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht und ermordet. Klara Thomé war als Tochter eines jüdischen Kaufmanns in Iserlohn (Nordrhein-Westfalen) geboren worden. Hier heiratete sie 1905 den katholischen Bankbeamten Anton Thomé. Es kamen zwei Kinder zur Welt. 1915 kam die Familie nach Weiden. Anton Thomé wurde Filialleiter der Schmidtbank.
Die “Mischehe” geriet mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten immer mehr unter Druck. Die Gestapo zog die Pässe ein. 1939 kam es zur Scheidung. Klara Thomé zog in die Münchner Wohnung der Familie. Im Juli 1942 wurde sie – acht Tage nach ihrem 60. Geburtstag – per Zug von München in das Ghetto Theresienstadt deportiert, 1944 nach Auschwitz. In Theresienstadt befanden sich zeitgleich mehrere ihrer Geschwister aus Iserlohn. Keiner hat den Holocaust überlebt.
Max-Reger-Straße 2a, Luise Maienthau
Hier wohnte: Luise Maienthau, geb. Sterzelbach, Jg.1883, deportiert 1942 nach Theresienstadt, 1944 Auschwitz, ermordet.
Luise war Tochter von Heinrich Sterzelbach und Bertha Lichtenstätter. Sie hatte zwei Brüder in Weiden: Leo Sterzelbach (dessen Tochter Berta heiratete später Kossy Strauss) und Moritz Sterzelbach, der später nach Uruguay auswanderte. Die Brüder betrieben miteinander ein Geschäft in Weiden. Luise heiratete erst den Kaufmannssohn Leo Maienthau aus Forth (Jahrgang 1875). Nach der Scheidung heiratete sie dessen Bruder Max Maienthau (Jahrgang 1872).
Alle drei – inzwischen 59, 67 und 70 Jahre alt – wurden am 18. Mai 1942 im Deportationszug von Nürnberg nach Theresienstadt gebracht. Im Ghetto lebten sie laut einer Todesfallanzeige im gleichen Haus. Luises zweiter Mann Max starb in Theresienstadt 1943. Sie und ihr Exmann Leo wurden 1944 nach Auschwitz weiter deportiert (er im Mai, sie im Oktober/gleicher Zug wie Klara Thomé) und dort ermordet. Luise Maienthau starb mit 61 Jahren.
Max-Reger-Straße 11, Johanna Kohn
Hier wohnte: Johanna Kohn, Jg. 1891, deportiert 1941 Kowno/Kaunas Fort IX, ermordet 25. 11. 1941
Johanna Kohn wurde als Tochter des Kaufmanns Simon Kohn und seiner Betty in Weiden geboren. Die ledige Frau zog 1928 nach München, 1941 ist sie laut Melderegister “Privatiere”. Sie wurde am 20. November 1941 ins von Deutschland besetzte Litauen deportiert. Johanna Kohn befand sich im gleichen Deportationszug wie der gebürtige Weidener Ludwig Bloch. Am 20. November 1941 fuhr der Zug mit 999 Juden von München ab und kam am 24. oder 25. in Kaunas an. Dort wurden diese und weitere 1935 Gefangene aus Berlin und Frankfurt in der Festung Kowno/Kaunas (Fort IX) ermordet.
Moltkestraße 8, Josef Lamm, Hilda Lamm, Edith Loewy
Hier wohnten: Josef Lamm, Jg. 1885, deportiert 1942, Transit-Ghetto Krasnystaw, ermordet
Hilda Lamm, geb. Loewy, Jg. 1885, deportiert 1942, Transit-Ghetto Krasnystaw, ermordet
Edith Loewy, Jg. 1904, deportiert 1942 Ghetto Piaski, ermordet
Hilda Lamm, geborene Loewy, gehört zur großen Loewy-Familie aus Waidhaus. Der 1851 in Langendörflas geborene Benjamin Loewy hatte acht Kinder, darunter Hilda. Er war Viehhändler und Metzgereiartikel-Großhändler und ließ sich erst in Pleystein, ab 1890 in Waidhaus nieder. Vier Söhne kämpften im Ersten Weltkrieg. Hilda heiratete 1919 den Kronacher Viehhändler Josef Lamm, der sich in Weiden seine Zulassung zum Handel erst erstreiten musste. Im Haushalt in Weiden verlebte Vater Benjamin seinen Lebensabend. Anfang der 1920er zog die Familie nach Kronach. Der Entzug der Konzession durch die Nationalsozialisten bedeutete den Ruin. Josef und Hilda Lamm wurden 1942, wie alle übrigen Kronacher Juden, ins polnische Krasnystaw deportiert und im Lager Krasniczyn ermordet.
Ihrem Sohn Ernst Lamm, geboren 1921 in Weiden, gelang die Flucht nach Palästina. Er lebte in einem Kibbuz, später war er als Archäologe in Israel tätig. Hilda Lamms Neffe ist der 2002 verstorbene Publizist und Exilforscher Ernst Loewy.
Edith Loewy wurde 1904 als Kind von Rudolf (ebenfalls ein Sohn Benjamins) und Hedwig Loewy in Waidhaus geboren. Edith und ihre ab 1930 verwitwete Mutter führten dort ein kleines Geschäft. Nachdem das Haus in der Reichspogromnacht mit einem Feuerwehrschlauch überflutet wurde, zogen die beiden Frauen zu einer Tante nach Straubing. Sie wurden mit dem Deportationszug vom 4. April 1942 ab Regensburg ins Lager Piaski deportiert und starben in Vernichtungslagern in Ostpolen.




