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Blue-Devils-Serie (2): Wo Kinder mit Schlittschuhen geboren werden

Weiden. Die Stephan-Seeger-Story über Kanadas Hockey-DNA und welche Chance daraus für Weiden erwächst: Spielpraxis für kanadische Kufenflitzer in der Oberpfalz, nordamerikanischer Härtetest für Weidens Nachwuchs in den Eisstadien British Columbias.

Blue-Devils-Serie (2): Wo Kinder mit Schlittschuhen geboren werden

Echo-Interview mit Blue-Devils-Präsident Stephan Seeger und Geschäftsführer Franz Vodermeier. Foto: Jürgen Herda

Kanada ist das Mutterland des Eishockeys – und es spielt seit über hundert Jahren so, als hätte die Nation kollektiv Schlittschuhe an den Füßen. Mit Amateurteams dominierte „Team Canada“ bis in die 1950er alles, was international auf Eis herumrutschte: sechs von sieben olympischen Goldmedaillen, 13 Weltmeistertitel, später Canada Cups, World Cups, Olympia-Siege und am Ende wieder Platz 1 der Weltrangliste. Die Kanadier sagen das gern mit einem Achselzucken – als wäre es nur logisch, dass man Weltmeister wird, wenn die Eishalle näher ist als der nächste Supermarkt.

Dann kamen die Sowjets – mit Bestbesetzung, Systemtraining und einer Zielstrebigkeit, die selbst Stephan Seeger respektvoll „not so bad“ nennen würde. Kanada rutschte ab, wartete fünfzig Jahre auf olympisches Gold, kehrte aber mit der Zulassung der NHL-Profis 1998 zur alten Größe zurück. Seit den Triumphen 2002, 2010, 2014 und dem World Cup 2016 ist Kanada wieder das, was Seeger „nicht arrogant, aber selbstverständlich“ beschreibt: die internationale Referenz im Hockey – nicht, weil die Kids als die besseren Spieler geboren wären, sondern weil das ganze Land Eishockey atmet.

Diese Reportage ist Teil 2 einer mehrteiligen Reihe über die neue Ära der Blue Devils Weiden: Wie der deutsch-kanadische Hockey-Enthusiast Stephan Seeger, Geschäftsführer Franz Vodermeier, Sportchef Jürgen Rumrich und Trainer Sebastian Buchwieser versuchen, gemeinsam eine Vision zu verwirklichen, die nur gemeinsam funktionieren kann. Jede Folge beleuchtet einen anderen Aspekt – von Seegers Vision über die nordamerikanische Hockeykultur bis zur wirtschaftlichen Perspektive und Erwartungen an die Zukunft.

Der Unterschied beginnt nicht auf dem Eis, sondern im Kalender

Kanada wurde nicht durch Geld zur Eishockey-Supermacht. Hockey ist Teil der kanadischen Kultur. Das Geräusch eines Schlägers auf Beton im Hinterhof, Eishallen im Fünf-Minuten-Takt, Mütter, die um fünf Uhr morgens Frühstück machen, und Trainer, die dreißig Kinder gleichzeitig fördern. Seeger erklärt im Gespräch, warum dieses System nicht kopiert werden kann – aber warum Weiden dennoch von dieser DNA profitieren kann.

Wir sagen, bei uns werden Kinder auf Schlittschuhen geboren.

Stephan Seeger

In Kanada wird Hockey nicht gespielt. Es wird gelebt. Der durchschnittliche kanadische Nachwuchsspieler betritt im Jahr rund 250- bis 300-Mal eine Eishalle. In Weiden, wie in ganz Deutschland, ist diese Frequenz strukturell nicht erreichbar – es gibt schlicht nicht genug Eiszeiten. Doch das heißt nicht, dass Weiden es nicht clever besser machen kann.

Young Blue Devils glänzen mit Siegen und Fairplay

Young Blue Devils glänzen mit Siegen und Fairplay

Weiden. Ein positives Wochenende für den Nachwuchs – 6 Punkte für die Junioren, 10. Sieg für die Jugend und NULL Strafminuten im Spiel der U13 gegen Erding.

Talent ist Zufall – Entwicklung ist System

Seeger erklärt, wie Kanada seine Talente formt, und man hört sofort: Das ist kein romantischer Mythos, sondern Handwerk. „Als ich Kind war, habe ich hart gearbeitet, ich hatte keinen Silberlöffel im Mund.“ Auch als Anwalt habe er seine Einstellung nicht geändert. „Meine Kinder denken genauso.“ Bei den Treffen mit Fans habe er das Gefühl, dass er mit dieser Botschaft offene Türen einrenne: „Deutschland ist auf der ganzen Welt für seine Arbeitsdisziplin bekannt. Das zu vermitteln war also der leichteste Teil für mich.“

Grammer Solar
Grammer Solar

Man wolle die Sponsoren davon überzeugen, dass sie für ihr Geld mehr bekommen als die grandiose Aussicht vom VIP-Room aufs Eis. „Wir wollen auch etwas zurückgeben.“ Etwa die Eishockey-Ikone Glenn Anderson, sechsfacher Stanley-Cup-Sieger und Mitglied der Hockey Hall of Fame. Unter dem Motto „9 Tage mit der 9“ hat der Präsident die Legende in die Oberpfalz geholt – unvergessliche Momente für Fans, Sponsoren und vor allem den Nachwuchs.

Ich weiß nicht, ob deutsche Fans mit dem Hintergrund von Glenns Story vertraut sind, der als Nummer 9 mit Wayne Gretzky und Mark Messier spielte – wahrscheinlich einer der brillantesten Hockey-Köpfe des Planeten im Moment.

Stephan Seeger

Wenn Idole an dir vorbeigehen

Für Kinder beginnt Eishockeykultur nicht abstrakt, sondern in diesem magischen Moment, wenn ihre Vorbilder übers Eis fliegen – im Trikot, das sie selbst tragen. Ein Luca Gläser, ein Vlad, ein McNiven, kein Star in weiter Ferne, sondern jemand, der am Freitagabend dieselbe Halle betritt wie sie. Profis, die einem Mini-Devil helfen, seine viel zu große Hockeytasche die Treppe hinunterzutragen. Ein Moment, der Ehrgeiz stiftet. In Seegers Worten: „Kinder werden besser, wenn sie jemanden haben, zu dem sie aufschauen können.“ Der Blick nach oben ist der erste Schritt nach vorne. In Weiden zählt diese Nähe doppelt, weil die Stadt nicht an jeder Ecke ein Eisstadion hat.

In Hamilton hast du sechs Eisflächen in fünf Minuten Entfernung. In Weiden hast du eine – aber eine, die unglaublich emotional aufgeladen ist.

Stephan Seeger

Hier entsteht Bindung durch Berührungspunkte: ein Servus von Vlad, ein Schulterklopfer von Nivi, ein Trainingsheimweg, den Spieler und Nachwuchs teilen. Seeger ermutigt das Team, diese Begegnungen bewusst zu pflegen, weil genau dort die Brücke zwischen Profi- und Jugendhockey entsteht. In einer Stadt wie Weiden sind die Idole zum Greifen nah – und genau deshalb glauben die Kinder hier nicht nur an große Spieler, sondern daran, selbst einmal einer zu werden. „Wenn eine Stadt nur eine Eishalle hat, wird diese Halle ein sozialer Motor. Und genau das ist sie hier.“

Zollfreier Import von Kooperationen

Seeger weiß genau, wie schnell die Fantasie durchgeht, wenn man das Wort „Kanada“ in einem Satz mit „Eishockey“ hört. Seine Vision ist keine Hybris, sondern das pragmatische Ermöglichen von Chancen:

  • Mehr Austausch von Spielern: Kanadische Talente kommen nach Europa für Spielpraxis – oft für wenige Monate. Weiden kann ein Ort sein, an dem solche „Stints“ sinnvoll sind.
  • Ausbildungslager für deutsche Spieler: Einige deutsche Nachwuchsspieler schaffen den Sprung in NAHL (North American Hockey League), WHL (Western Hockey League) oder US-Colleges (NCAA Division I). Weiden könnte ein strukturierterer Vermittler werden.
  • Coaching- und Scouting-Zyklen: Trainer aus Kanada kommen für Wochen oder Camps. Trainer aus Deutschland fliegen für Hospitationen nach Kanada. Kostengünstig. Effizient. Ohne Fantasterei.
1. EV Weiden: Emotionaler Abschied und ein neues Führungstrio

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Weiden. Thomas Siller, ein Name der unweigerlich mit dem Verein zusammenhängt, tritt von der Bühne ab und lässt eine neue Vorstandschaft das Zepter übernehmen.

Storytelling statt Illusionen

„In Kanada verliert sich Jugendförderung zwischen Wettbewerben, Schulen, Profiligen“, schildert Seeger die Schattenseiten des auf Wettbewerb getrimmten nordamerikanischen Sportsystems. In deutschen Kleinstädten ist der Verein das Zentrum. „Das ist ein Vorteil, kein Nachteil.“ Weiden könne dahin wachsen, sagt er, wo mittelgroße Standorte in Kanada seit Jahrzehnten stark sind: als regionaler Hub mit Charakter. Ein Ort, an dem man nicht „nebenbei“ Eishockey spielt, sondern zielorientiert.

Was der kanadische Sportsgeist Weiden wirklich geben kann:

  • Haltung: Optimismus statt Ausreden, Konkurrenz als Normalität, Freude am Training statt Angst vor Fehlern.
  • Kompetenzkontakte: Spieler, Trainer, Scouting, Camps.
  • Eine neue Form der Sichtbarkeit: Weiden wird nicht Kanada. Aber Weiden kann ein Teil der internationalen Hockeykette werden.
Echo-Interview mit Blue-Devils-Präsident Stephan Seeger und Geschäftsführer Franz Vodermeier. Foto: Jürgen Herda

Vom Nachwuchsrampenlicht in die beste Liga der Welt

Der Weg deutscher Spieler in die NHL ist geebnet. Leon Draisaitl dominiert als Weltstar, Moritz Seider verteidigt wie ein Veteran, Tim Stützle tanzt die Liga schwindlig, Philipp Grubauer hält Spiele im Alleingang, John-Jason Peterka und Lukas Reichel schieben nach – und Nico Sturm gewinnt in zwei Teams mehrere Stanley Cups. Der Sprung über den Atlantik gelingt denen, die früh an den eigenen Traum glauben und bereit sind, sich durch Juniorligen und Farmteams kämpfen. Die Pioniere – Uwe Krupp, Dennis Seidenberg, Tom Kühnhackl – haben gezeigt, dass deutsche Spieler nicht nur mithalten können, sondern Titel holen. Die aktuelle Generation beweist: Deutschland drängt im Hockey in die erste Reihe.

Für Stephan Seeger ein Auftrag. Wenn Kinder in Weiden heute mit Gläser-, Vladi- oder McNiven-Trikots an der Scheibe kleben, dann motiviert sie derselbe Traum, der Draisaitl und Stützle getragen hat. Vorbilder können Eisberge versetzen. NHL-Spieler werden nicht im Fitnessstudio modelliert, sondern in Köpfen von Kindern, die zu ihren Idolen aufschauen. Dafür kann Weiden die Voraussetzungen schaffen: Nähe, Identifikation und diesen Funken Ehrgeiz, der den Weg über den Atlantik möglich macht.

Seeger importiert Kultur – und wie es weiter geht

Wir halten fest: Seeger exportiert keine Träume. Er importiert Kultur. Und er zeigt Weiden eine Möglichkeit, die nichts mit Liga-Tabellen, aber viel mit Identität zu tun hat. Damit ist der Boden bereitet für das nächste Kapitel:

? Nächster Teil (Teil 3): Blue-Devils-Serie (3): „Kabine, Charakter, Kader – warum ein Team von innen wächst“

Kanadas Hockey-DNA

Kanada ist ein Hockey-Ökosystem. Kinder stehen jährlich bis zu 300-mal auf dem Eis, Städte betreiben mehrere Hallen, Schulen und Vereine arbeiten eng zusammen und Training findet ganz selbstverständlich vor und nach dem Unterricht statt. Talent wird früh erkannt, aber vor allem systematisch entwickelt – nicht durch Druck, sondern durch eine Kultur des „Versuch es!“.

Für Seeger ist entscheidend, dass Weiden diese Kultur nicht nachbauen muss, sondern selektiv adaptieren kann: über Austauschprogramme, Kontakte zu kanadischen Teams, Coaching-Hospitationen und eine Grundhaltung, die Fehler als Lernschritte begreift. Weiden bleibt Weiden – aber mit einem offenen Fenster zum stärksten Hockeymarkt der Welt.