Interview mit Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer: Intensität ist unsere Identität
Interview mit Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer: Intensität ist unsere Identität
Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer im Echo-Interview über Lehren aus dem Abstieg, neue Energie in Liga drei – und warum der Wiederaufstieg kein Selbstläufer ist.
Herr Beierlorzer, ist Ihnen in Ihrer bisherigen Fußball-Karriere schon einmal so eine verkorkste Saison untergekommen – und wie haben Sie’s verdaut?
Beierlorzer: Das habe ich tatsächlich noch nicht. Es ist der erste Abstieg, den ich im Profigeschäft verarbeiten musste. Wir haben uns sehr intensiv und kritisch mit der Analyse beschäftigt.
Was war rückblickend der entscheidende Faktor für den krachenden Abstieg: falsche Kaderplanung, fehlende Hierarchie, Trainerfehler – oder schlicht mangelnde Qualität?
Beierlorzer: Am Ende muss man sagen: Wir waren einfach nicht gut genug. Es hilft aber auch nichts, zu lange im Trauermodus zu verharren – kritisch und deutlich aufarbeiten, nach vorne schauen, und dann geht’s weiter.
Welche Schlüsse haben Sie denn aus der Aufarbeitung gezogen?
Beierlorzer: Die Analyse ist sehr vielschichtig, hier würden drei Stunden nicht reichen. Was uns deutlich wurde, um einen Aspekt zu nennen.
Nach dem Neuaufbau 2023 und dem sofortigen Wiederaufstieg mussten viele Spieler einen weiteren, großen Entwicklungsschritt gehen – einige sind diesen auch gegangen, aber es hat eben nicht gereicht.
Achim Beierlorzer
Rätsel Auswärtsschwäche
Kein einziger Auswärtssieg, gerade zwei Remis – das hat dann wohl entscheidend nicht gereicht?
Beierlorzer: Ich finde nicht, dass wir in allen Belangen chancenlos waren. Die Heimbilanz hätte für den Klassenerhalt gereicht. Was ich mir überhaupt nicht erklären kann, ist diese große Diskrepanz zwischen auswärts und zu Hause. Nach dem Sieg gegen Darmstadt kurz vor Weihnachten ging ein Ruck durch die Mannschaft. Jedoch sind wir nicht gut aus der Winterpause gekommen, hatten Pech im Heimspiel gegen Hannover. Dann folgte die herbe Niederlage in Ulm. Anschließend haben wir unter anderem zu Hause gegen Berlin und gegen Nürnberg gewonnen – und wurden anschließend in Elversberg überrannt. Danach haben wir Schalke besiegt, worauf wieder eine deutliche Niederlage in Magdeburg folgte. Das war schwer zu verstehen.
Wir haben psychologisch sehr viel versucht – aber auswärts schien oft der Stecker gezogen.
Achim Beierlorzer
Mit Verlaub, fußballerische Leckerbissen waren auch die meisten Heimspiele nicht – ich erinnere mich nur an wenige mitreißende Momente …
Beierlorzer: Fakt ist, dass wir uns spielerisch in der kommenden Saison auf jeden Fall verbessern wollen. Es gab aber trotzdem auch positive Momente – etwa der Heimsieg gegen Darmstadt vor der Winterpause. Aber wir konnten die Energie nicht in eine kleine Serie ummünzen. Unsere Heimbilanz finde ich nicht frustrierend. Aber zwei Punkte auswärts sind natürlich irre.
Transfers mit gemischter Bilanz
Sie haben in der Winterpause nachgebessert – und wir haben uns alle von den vier Neuzugängen mehr versprochen. Wie sind Sie bei den Transfers vorgegangen?
Beierlorzer: Als Beispiel ist die linke Verteidigerposition zu nennen – hier hatten wir nach Oscar Schönfelders Verletzung eine große Lücke. Tim Handwerker hat in der 2. Liga seine Qualitäten gezeigt, er war motiviert – und ich finde, er hat eine ordentliche Rückrunde gespielt. Hier ist das Kalkül aufgegangen.
Die größte Hoffnung lag vermutlich auf Sargis Adamyan – war er dem Erwartungsdruck nicht gewachsen?
Beierlorzer: Er hat in der Bundesliga bewiesen, dass er Tore machen kann. Er hat sich voll mit dem Jahn und der Aufgabe identifiziert, aber es hat nicht gereicht. Gegen Hannover oder auch in Elversberg hatte er beispielsweise mehrere Großchancen – wenn du die nicht nutzt, holst du keine Punkte.
Mentalitätsfrage: Resilienz statt Work-Life-Balance
Viele Fans hatten das Gefühl, die Mannschaft sei emotional nie richtig in der Liga angekommen. Wie wichtig ist „Mentalität“ – und wie erkennt man, ob ein Spieler sie mitbringt?
Beierlorzer: Der Umgang mit Niederlagen ist im Fußball schwierig und auf diesem Niveau eine spannende Herausforderung. Es braucht viel Resilienz. An Motivation hat es nie gefehlt – sonst schlägst du nicht nach einem 0:6 gegen Elversberg eine Woche später die Schalker. Aber: Wenn wir ein Gegentor kassierten, war das Spiel meistens verloren.
Uns hat in den entscheidenden Phasen die Widerstandsfähigkeit gefehlt. Das ist ein Thema, an dem wir weiter intensiv arbeiten müssen.
Achim Beierlorzer
Stellen Sie wie andere Arbeitgeber auch im Profifußball einen Mentalitätswechsel von Leistungsbereitschaft zu Work-Life-Balance fest?
Beierlorzer: Nein. Profis haben in der Regel einen Tag frei pro Woche – das war’s. Wer Fußball zum Beruf macht, ist privilegiert. Unsere Spieler hatten fünf Wochen frei. Aber Topspieler wie unsere Nationalspieler haben sehr wenig freie Zeit.
Der neue Trainer: Visionär mit Klartext und Intensität
Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf Michael Wimmer – und was macht einen wirklich guten Trainer aus?
Beierlorzer: Wir wollen in der 3. Liga unser Spiel weiterentwickeln und die Jahn Spielphilosophie auf den Platz bringen. Michael bringt Erfahrung, Charakter, Intensität – und einen klaren Plan mit. Das hat uns überzeugt.
Welche Eigenschaften braucht ein Coach im Haifischbecken 3. Liga – und was erwarten Sie konkret von Wimmer?
Beierlorzer: Eine klare Spielidee, gute Kommunikation, Intensität. Michael ist in diesem Bereich ein absoluter Fachmann.
Wie sehr ist er in die Kaderplanung eingebunden?
Beierlorzer: Vollumfänglich. Seit Vertragsunterzeichnung führen wir alle Gespräche gemeinsam. Beide – Trainer und ich – müssen bei Transfers ihr Go geben.
Kader-Umbruch mit System
Der Abschied von 17 Spielern hat dann doch überrascht – war das notwendig?
Beierlorzer: Das erklärt sich aus den vielen auslaufenden Verträgen und Neuzugängen vom vergangenen Sommer. Viele wollten verständlicherweise in der 2. Liga bleiben.
Gibt es Hoffnung auf Rückkehrer – etwa bei Ganaus oder Gebhardt?
Beierlorzer: Mit Noah haben wir uns offen und ehrlich ausgetauscht, am Ende hat er sich nun für eine neue Aufgabe entschieden. Bei Felix gab es keine Kontaktaufnahme.
Wie kam es zum Bruch mit Rasim Bulic?
Beierlorzer: Wir haben ihm während der Saison ein Angebot gemacht, er hat es nicht angenommen. Gegen Ende der Saison stellte sich die Trainerfrage, und ich wollte dann zunächst kein Angebot ohne den neuen Trainer machen. Am Ende fühlte er sich nicht wertgeschätzt – aber Wertschätzung ist keine Einbahnstraße.
Neues Personal, neue Energie
Hätten Sie Bulic gerne gehalten?
Beierlorzer: Wir wissen, was er kann – aber auf der Sechs haben wir Alternativen. Wir suchen zudem noch einen guten Innenverteidiger.
Alle bisherigen Neuen kommen mit Linksdrall – Zufall?
Beierlorzer: Zufall. Forkel ist linker Offensivspieler, Beckhoff beidseitig, Asante auch flexibel. Aber links hatten wir eben große Lücken.
Was fehlt dem Kader noch?
Beierlorzer: Ein zweiter Mittelstürmer, ein erfahrener Innenverteidiger, ein rechter Verteidiger und auch in der Mittelfeldzentrale könnte es noch einen Zugang geben.
Warum diesmal alles anders werden soll
Was stimmt Sie optimistisch, dass der Jahn nicht wie Sandhausen durchgereicht wird?
Beierlorzer: Wir haben einen intakten Kern mit Stabilität: Kühlwetter, Saller, Geipl, Ziegele, Wurm, Kieffer, Schönfelder, Galjen – um ein paar Jungs zu nennen. Zudem stehen in unserem Kader zwei Top-Torhüter.
Und wir haben neue Offensivkräfte mit Tempo und Auge. Zudem haben wir mit Michael Wimmer einen Trainer, der neuen Input einbringt.
Achim Beierlorzer
Gilt Wurm als gesetzt – trotz Wechselgerüchten?
Beierlorzer: Poldi hat die U19-EM gespielt – natürlich gibt es Interesse. Aber er ist loyal und identifiziert sich mit dem SSV Jahn. Wenn kein gutes Angebot kommt, bleibt er.
Ambitioniert, aber demütig
Sie haben den direkten Wiederaufstieg nicht als Ziel ausgerufen – warum?
Beierlorzer: Den Aufstieg gleich als Ziel festzulegen, ist gefährlich. Aber wir wollen maximal erfolgreich sein. Es gibt viele große Namen in der Liga – wir gehen die Saison sehr ehrgeizig, aber demütig an. Es gilt, in den nächsten Wochen als Mannschaft zusammenzufinden und dann die Liga schnell anzunehmen.
Und wie will man sich gegen diese Konkurrenz durchsetzen?
Beierlorzer: Mit stabiler Defensive, viel Torraumaktionen, Tempo, Intensität – und großer Vorfreude. Viele neue Gesichter bringen neue Energie.
Und dann wartet schon wieder Köln …
Im Pokal geht’s wieder gegen Köln – diesmal als Bundesligist. Chance auf eine Sensation?
Beierlorzer: Wir hatten in der vergangenen Saison im Pokal gute Spiele – gegen Bochum und gegen Fürth. Natürlich wird es gegen Köln sehr schwierig, aber ganz chancenlos sind wir nicht. Wir werden bereit sein.
Die 3. Liga gilt als Knochenjob mit wenig Ertrag – wie geht der Jahn damit um?
Beierlorzer: Sie ist sportlich reizvoll, aber wirtschaftlich schwierig. Ein Drittligist macht im Schnitt 1,5 Millionen Minus im Jahr – das können wir uns auf lange Sicht nicht leisten. Deshalb wirtschaften wir der Situation entsprechend.
Aber wir sind gut aufgestellt: Infrastruktur, Sponsoring, Ticketing und der gesamte kaufmännisch-administrative Bereich – alles auf sehr hohem Niveau.
Achim Beierlorzer
Neuzugänge & Verlängerungen Sommer 2025
🧠 Trainerteam
- Michael Wimmer (Cheftrainer, 44)
Niederbayer mit Stationen bei Stuttgart, Austria Wien, zuletzt Motherwell FC in Schottland. Steht für Einsatz, Intensität, Systemfußball. - Simon Hecht (Athletiktrainer)
Kommt mit Wimmer, setzt auf moderne Leistungsdiagnostik und Explosivität. - Muniert Raychouni (Co-Trainer)
Fußball-Lehrer mit analytischer Ader, war im Nachwuchsbereich tätig.
🧱 Defensive Neuzugänge
- Felix Strauss (IV, 24)
Kam aus der bulgarischen ersten Liga von Spartak Varna, ausgebildet bei RB Salzburg. 56 Einsätze in der österreichischen Bundesliga, U21-Nationalspieler. Kopfballstark, robust, vorwärtsverteidigend. - Leo Mätzler (IV/DM, 23)
Innenverteidiger mit Erfahrung in der Schweiz und Österreich. Zuletzt bei Austria Lustenau, überzeugte im Probetraining und Testspiel. Physisch stark, flexibel einsetzbar. - Nicolas Oliveira (RV, 21)
Deutsch-Spanier vom HSV, Ex-U20-Nationalspieler. 5 Zweitligaspiele, 19 Regionalliga-Einsätze. Flink, variabel, offensiv denkend.
⚽ Offensiv-Power
- Lucas Hermes (MS, 25)
Torgefährlicher Stürmer vom FSV Frankfurt – 13 Tore, 8 Vorlagen in der Regionalliga Südwest. Ausgebildet in Freiburg und Mainz. Zielstrebig, pressingstark, mentalitätsstark. - Davis Asante (LA, 20)
Ghanaischer Flügelflitzer, ausgebildet bei Red Bull Salzburg. Bringt Tempo, Eins-gegen-eins-Stärke und Drang zum Abschluss mit. - Phil Beckhoff (LA, 23)
Kreativer Linksaußen mit Drittliga-Erfahrung bei Verl. Guter linker Fuß, technisch versiert, Standardspezialist. - Dustin Forkel (LA, 20, Leihe von Mainz 05 II)
Jung, schnell, talentiert – soll als dynamischer Joker den Flügel aufmischen.
🔁 Vertragsverlängerung
- Eric Hottmann (MS, 25)
Nach Verletzung und Abstieg mit neuem Vertrag bis 2027. Erfahrung, Wucht, Führungsanspruch – ein emotionaler Verbleib mit Symbolwert.




