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Fahrerflucht-Prozess in Weiden: Pizzabote entfernt sich unerlaubt vom Unfallort

Weiden. Ein Pizzabote stand in Weiden wegen Fahrerflucht vor Gericht. Er soll eine Frau und ihren Labrador angefahren und anschließend den Unfallort verlassen haben. Die Zeugen schilderten widersprüchliche Abläufe, doch am Ende kam es zu einem Deal: Geständnis der Fahrerflucht gegen mildere Strafe. Das Urteil: Geldstrafe und sechs Monate Führerscheinentzug.

Fahrerflucht-Prozess in Weiden: Pizzabote entfernt sich unerlaubt vom Unfallort

Fahrerflucht Weiden
Ein Pizzabote stand am Freitag vor dem Amtsgericht. Der Vorwurf lautete: Fahrlässige Körperverletzung und Fahrerflucht

Ein Strafprozess wegen Fahrerflucht stand am Amtsgericht Weiden auf der Anschlagtafel. Im Mittelpunkt stand ein Unfall, bei dem ein Pizzabote eine junge Frau und ihren Labrador erfasst hatte. Die Staatsanwaltschaft warf dem Fahrer neben fahrlässiger Körperverletzung auch Fahrerflucht vor.

Unfall Anfang November 2024

Am Abend des 6. November 2024 ereignete sich der Vorfall in einer Tempo-30-Zone in Weiden. Die Hundehalterin wollte mit ihrem angeleinten Labrador zu ihrem Auto gehen. Plötzlich wurde sie frontal von einem herannahenden Wagen erfasst und verletzt. Auch ihr Hund wurde in Mitleidenschaft gezogen. Beide erlitten Prellungen, beim Tier kam eine blutende Pfote hinzu. Noch am selben Abend musste der neun Monate alte Labrador in einer Tierklinik behandelt werden.

Der Unfallverursacher, ein Pizzabote einer nahe gelegenen Pizzeria, entfernte sich ohne seine Personalien zu hinterlassen vom Unfallort. Für die Staatsanwaltschaft war klar: “Das erfüllt den Tatbestand der Fahrerflucht.

Anklage wegen Fahrerflucht

Leitender Oberstaatsanwalt Bernhard Voit verlas die Anklageschrift: Der Angeklagte sei mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen und habe weder Hund noch Halterin rechtzeitig erkannt. Beide seien zu Schaden gekommen, ohne dass der Fahrer Hilfe leistete. Deshalb sei er ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs und müsse bestraft werden.
Bereits vor der Hauptverhandlung hatte das Gericht reagiert und dem Mann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

Richter Matthias Biehler fragte beim Angeklagten nach, ob er als Unfallverursacher tatsächlich unter 30 km/h in der Tempo-30-Zone gefahren wäre. Der Pflichtverteidiger beantwortete für seinen Mandanten, diese Frage mit einem eindeutigen: “Ja!”

Verteidigung: Kein Zusammenstoß, keine Fahrerflucht

Die Verteidigung unter Leitung von Rechtsanwalt Shervin Ameri aus Regensburg wies darüber hinaus alle weiteren Vorwürfe der Anklage zurück. Der Labrador sei plötzlich unangeleint aus einem Grundstück gelaufen. Die Frau sei in die Fahrbahn geraten, um das Tier einzufangen. Der Fahrer habe sofort gebremst, sogar mithilfe der Handbremse. Einen Aufprall habe es nie gegeben.

Grammer Solar
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Nach seinen Angaben habe der Unfallverursacher mit der Frau kurz gesprochen. Diese habe behauptet, alles sei in Ordnung. Ein Mann habe die Hundehalterin ins Haus geholt. Daher sei er seiner Meinung nach berechtigt weitergefahren, um die Pizzabestellung auszuliefern.

Widersprüchliche Aussagen vor Gericht

Die Hundehalterin schilderte den Unfall vollkommen anders. Ihr Hund sei sicher angeleint gewesen und mit einem Leuchthalsband ausgestattet. Sie habe das Auto nicht gehört und sei frontal getroffen worden. Das Tier habe gejault und geblutet. Ein Attest der Tierklinik belegte die Verletzungen.

Eine weitere Zeugin bestätigte die Angaben. Sie hörte die Kollision, danach sei das Tier augenscheinlich verletzt gewesen. Auch ein anderer Anwesender betonte, dass der Hund angeleint war. Allerdings konnte er sich wegen des zeitlichen Abstands nicht mehr an alle Details erinnern.

Der Pflichtverteidiger und die Wahlverteidigerin Lea Matner zeigten sich während der Vernehmung der Zeugen nicht überzeugt von deren Angaben. So wurden Zweifel an der Verletzung der Angeklagten formuliert, weil kein Attest vorgelegt wurde.
Immer wieder verwahrten sie sich gegen vermeintliche Suggestivfragen des Staatsanwalts und des Richters. Zwischen den überaus bestimmt vorgetragenen Fragen waren versöhnliche Töne zu hören: Vorsorglich verwies dann das Anwaltsteam darauf, dass sich ihr Mandant – für den Fall, dass sich die Hundehalterin und der Hund verletzt hätten – entschuldigen würde. Wörtlich: “Unserem Mandanten tut das alles sehr leid.”

Verständigung bezüglich Fahrerflucht unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Vor den Plädoyers beantragte die Verteidigung ein Verständigungsgespräch. Nach längerer Beratung einigten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Anwälte auf einen Deal: Der Angeklagte gesteht die Fahrerflucht, dafür entfällt der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. Damit bleibt der Kammer und allen Beteiligten eine langwierige Einholung von Gutachten und Attesten erspart.

Der Staatsanwalt wertete die Aussagen der Zeugen dennoch als glaubwürdig. Für ihn war klar, dass der Angeklagte die Kollision billigend in Kauf nahm. Er forderte eine Strafe von 90 Tagessätze zu je 15 Euro und sechs Monate Führerscheinentzug. Die Verteidigung bejahte die Fahrerflucht, plädierte aber auf ein kürzeres Fahrverbot und betonte, dass Wahrnehmungen unterschiedlich sein können. Zudem sei das Geständnis strafmildernd zu berücksichtigen.

Was bedeutet eigentlich ‘Tagessatz’?

Eine Geldstrafe wird in sogenannten Tagessätzen berechnet. Die Anzahl richtet sich nach der Schwere der Tat, die Höhe nach dem Einkommen des Täters. Wer mehr verdient, zahlt mehr – wer weniger verdient, entsprechend weniger. Beispiel: 90 Tagessätze à 15 Euro = 1.350 Euro.

Urteil: Geldstrafe und Entzug der Fahrerlaubnis

Am Ende blieb das Gericht bei der ausgehandelten Lösung. Der Angeklagte wurde wegen Fahrerflucht zu 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Zusätzlich verliert er seinen Führerschein für sechs Monate. Verfahrens- und Rechtsanwaltskosten kommen auf ihn ebenfalls zu.

Die Frage nach der Erstattung der Tierarztkosten bleibt vorerst offen. Dieser Schadenersatz müsste die Hundehalterin in einem Zivilprozess einklagen.