Politischer Aschermittwoch in Pressath diskutiert Sondervermögen

Politischer Aschermittwoch in Pressath diskutiert Sondervermögen
Doch die mit provokant überspitzten Seitenhieben gegen SPD-Bürgermeister Bernhard Stangl gespickte Story über einen „Häuptling“, der sich angeblich in allzu vielen ambitionierten Vorhaben und „Gesamtkonzepten“ verzettelt, den „Ältestenrat“ zu wenig respektiert und dem Glauben, „alles selbst besser zu können“, angehangen habe und der hauptsächlich durch „opulente Blumenfelder und Dekos“ und die Anschaffung „silberner Mülleimer in rauen Mengen“ aufgefallen sei, ließ den Funken nicht überspringen.
In der Diskussion, die sich an den politischen Vortrag von Landtagsvizepräsident und Stimmkreisabgeordnetem Tobias Reiß anschloss, standen die „große Politik“ und Erfahrungen mit ihren gesetzgeberischen und bürokratischen Auswirkungen im Vordergrund.
So kritisierte Robert Neuber ausufernde und nicht selten absurd anmutende Vorschriften, die unternehmerisches Handeln abwürgten, wie ein „Ausdruck des Misstrauens des Staates gegenüber dem Bürger“ empfunden würden und dazu führten, dass „wir uns in den Stillstand bürokratisieren“. Mehrere Besucher veranschaulichten dies anhand eigener Erfahrungen etwa mit den verschärften Vorschriften zur Analyse- und Entsorgungspflicht von Bauschutt bei Gebäudeabbrüchen, die erhebliche Kosten verursachten, oder mit Schlupflöchern bei der Reglementierung des Speditionswesens, die die Benachteiligung deutscher Speditionsunternehmen gegenüber billigerer ausländischer Konkurrenz nur unzulänglich vermindere.
Wie geht es weiter mit der US-Garnison?
Auch die Zukunft der Grafenwöhrer US-Garnison, an deren Bedeutung für die regionale Wirtschaft Gerald Morgenstern erinnerte, bewegte die Gemüter. Tobias Reiß riet zur Besonnenheit: Die bewährte bayerisch- und deutsch-amerikanische Freundschaft werde nach seiner Erfahrung auch von amerikanischen Stellen nach wie vor betont, und die deutschen und europäischen Regierungen sollten die jüngsten bündnispolitischen Aussagen der Trump-Administration vor allem als Mahnruf verstehen, der allzu lange vernachlässigten eigenen Verteidigungsbereitschaft mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Für eine weiterhin „belastbare Zusammenarbeit“ in der NATO werde die Stärkung des europäischen Verteidigungsbeitrags eine Voraussetzung sein, schätzte Reiß.
Bereits in seinem Vortrag hatte Reiß das angekündigte 500-Milliarden-„Sondervermögen“ gerechtfertigt, das als „Signal an Freund und Feind“ einen notwendigen Beitrag hierzu leisten solle, nachdem sich die seit 1990 gehegte Hoffnung auf einen fortdauernden Frieden als „Trugschluss“ erwiesen habe. In diesem Zusammenhang zitierte der Parlamentarier Innenminister Joachim Herrmanns Formel einer „Deeskalation durch Stärke“, was als Maxime internationaler Politik nichts anderes bedeute als die auf geschichtlicher Erfahrung gründende Einsicht: „Wir wollen uns nicht verteidigen müssen, wir wollen keinen Krieg und wollen den Frieden fortsetzen, aber wir müssen einem potenziellen Aggressor mit Stärke begegnen, um Sicherheit und Frieden zu gewährleisten.“ Diese Sicherheit könne man nicht „herbeibeten“, sondern nur durch Verteidigungsfähigkeit untermauern.
Aktuelle “Sondersituation”
Angesichts der gegenwärtigen „Sondersituation“ hätten sich die Unionsparteien – für viele überraschend – in den Koalitionsgesprächen bereitgefunden, eine zügig verabschiedete Grundgesetzänderung zugunsten der neuen „Sondervermögens“-Option mitzutragen: „‚Sondervermögen‘ war für uns ja immer ein ‚Begriff des Teufels‘, weil es sich ja eigentlich nicht um Vermögen, sondern um Schulden handelt.“ Die neue Vorschrift solle „nur eine rechtliche Möglichkeit“ in einem mit Augenmaß abgesteckten Rahmen eröffnen: „Inwieweit dieser Rahmen in den nächsten Jahren tatsächlich ausgeschöpft wird, muss sich zeigen.“ Das „Sondervermögen“, so Reiß weiter, solle der neuen Bundesregierung im Übrigen für die nächsten zehn Jahre Planungssicherheit nicht nur im Verteidigungswesen, sondern auch bei der überfälligen Behebung infrastruktureller Defizite der zurückliegenden Jahrzehnte verschaffen. Dies betreffe Bereiche wie Bildung, Krankenhäuser, Bahn, Straßen und weitere auch für die wirtschaftliche Stabilität relevante Felder: „Wir müssen wieder ein Land sein, das unseren eigenen Ansprüchen gerecht wird.“
Nur wenn man die Anliegen der Bevölkerung ernst nehme und ihr nicht das Gefühl eines politischen „Abgehängtseins“ vermittele, könne einem weiteren Abgleiten an die politischen Ränder vorgebeugt werden, mahnte Tobias Reiß, der zugleich bekräftigte, dass es für eine Zusammenarbeit mit der AfD, die eine nicht diskutable außen- und migrationspolitische „Abschottung“ anstrebe, keine Perspektive gebe.
“Maßvolle Zuwanderung”
„Wir müssen das Problem der illegalen Einwanderung lösen, aber viele der Zuwanderer tragen auch zu wirtschaftlichem Erfolg und zur Sicherung wichtiger Dienstleistungen bei, und allein mit unseren ‚eigenen Geburten‘ werden wir nicht alle ersetzen können, die aus der ‚Boomer‘-Generation in den nächsten Jahren in Rente gehen“, gab Reiß zu bedenken.
In diesem Sinne brauche das Land eine maßvolle Zuwanderung – „nicht in die Sozialsysteme, sondern in den Arbeitsmarkt“. Ferner ging der CSU-Politiker noch auf das aktuelle Bundestagswahlrecht ein, das Ungerechtigkeiten und insbesondere eine Benachteiligung der Unionsparteien bewirkt habe. Hier sei eine Änderung unabdingbar.




