DGB-Landesvorsitzender in Weiden: Nicht jammern, investieren!
DGB-Landesvorsitzender in Weiden: Nicht jammern, investieren!
Der bayerische DGB-Landesvorsitzende Bernhard Stiedl warnt bei einem Pressegespräch in Weiden vor einem schleichenden Strukturverlust in den ländlichen Regionen – und ruft die Industrie dazu auf, „nicht nur zu jammern, sondern endlich wieder in Deutschland zu investieren“. Gerade in der Nordoberpfalz zeigten sich exemplarisch die Spätfolgen eines zu lange ausgesessenen Umbruchs.
„Von München aus sieht Bayern wie ein wunderschönes Land aus“, sagte Stiedl. „Aber wenn man in die Regionen kommt, sind die wirtschaftlichen Nöte doch relativ groß.“ In der Nordoberpfalz spüre man, wie schmerzhaft die Folgen früherer Strukturbrüche – etwa in der Glas-, Textil- oder Keramikindustrie – noch immer seien.

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Sorge vor der nächsten Umbruchwelle
Die Menschen in der Region machten sich Sorgen vor drohendem Arbeitsplatzabbau, weil es hier weniger Alternativen als in den Metropolen gebe, so Stiedl. „Wir beobachten mit Sorge, dass Unternehmen nicht mehr investieren, keine neuen Maschinen anschaffen, sich nicht mit neuen Technologien beschäftigen.“
Dabei fehle es nicht an technischer Infrastruktur. Hochschulstandorte mit Technologiezentren, der moderne FOS/BOS-Neubau in Weiden oder erfolgreiche Ausgründungen von Professoren zeigten: Der Freistaat habe bei der Dezentralisierung der Hochschulen vieles richtig gemacht.
Überstunden statt Innovationsschub
Was dem Gewerkschafter gegen den Strich geht: „Ständig wird suggeriert, die Leute müssten nur länger arbeiten – das ist nicht unser Problem. Die Arbeitnehmer leisten 1,3 Milliarden Überstunden im Jahr, nur die Hälfte wird bezahlt.“ Vielmehr mangele es an ausreichend Betreuungsplätzen, damit Menschen in Vollzeit arbeiten können: „In Bayern fehlen 70.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren.“
Genauso wenig hält Stiedl von Forderungen, Feiertage zu streichen oder Karenztage bei Krankheit wieder einzuführen: „Das geht immer zu Lasten der Beschäftigten. Stattdessen sollte man sich fragen: Warum werden Menschen krank? Wie hoch ist die Belastung in den Unternehmen?“
Strukturwandel als Gemeinschaftsaufgabe
Ein entscheidender Hebel seien die regionalen Transformationsnetzwerke, die alle relevanten Akteure zusammenbringen: Kammern, Agenturen, Hochschulen, Unternehmen und Politik. „Wo entstehen neue Arbeitsplätze? Wie können wir gemeinsam Qualifizierungen gestalten?“ Das seien die Leitfragen.
Dafür stelle die Staatsregierung 350 Millionen Euro bereit – auf Initiative der Gewerkschaften. 100 Millionen davon fließen allein in die Automobilindustrie. „Je kleiner das Unternehmen, desto größer die Förderung“, betont Stiedl. „Wir müssen das in die Breite tragen – noch wissen viele Unternehmen gar nicht, dass es diese Programme gibt.“
Keine Zukunft ohne Produktion vor Ort
„Wir wollen sehen, dass moderne Produkte nicht nur entwickelt, sondern auch hier produziert werden“, fordert Stiedl. Man sei bereit, den Wandel aktiv mitzugestalten – und wenn Unternehmen unverschuldet in eine Schieflage gerieten, auch mit Arbeitszeitreduzierung oder sogar temporären Entgeltanpassungen, um Beschäftigung zu sichern.
Als Negativbeispiel nennt er verpasste Potenziale wie beim Flugtaxi-Start-up Lilium: „Die hätten 50 Millionen Euro gebraucht. Jetzt gehen sie nach China.“ Auch in puncto Wasserstoff hänge Deutschland hinterher – in den USA gebe es grünen Strom für Industriekunden kostenlos. „Trump hat das übrigens nicht abgeschafft.“
Zwischen Mutlosigkeit und Bürokratie
Stiedl macht deutlich, dass sich Deutschland nicht unter Wert verkaufen müsse: „Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wir sollten uns nicht immer kleiner machen, als wir sind.“ Zwar dauerten Genehmigungsverfahren hierzulande länger – „aber in einer Demokratie ist es normal, dass Bürger beteiligt werden“.
Dennoch müsse man aufpassen, dass sich Investoren nicht entmutigt abwenden: „Das ICE-Ausbesserungswerk hätte nach Nürnberg kommen sollen, jetzt landet es in Ostdeutschland, weil es vor Ort Widerstand gab. Immerhin bleibt es in Deutschland.“ Positiv sei die Standortentscheidung für ein BMW-Batteriewerk in Niederbayern: „Gott sei Dank haben sich die Bürger dafür entschieden.“
Standortmarketing mit Kulturfaktor
Standortentscheidungen hingen laut Stiedl nicht nur von Steuern und Kosten ab. Asiatische Investoren fragten oft: „Wo ist der nächste Flughafen, wie ist das kulturelle Angebot?“ Eine Region wie die Oberpfalz müsse ihre weichen Standortfaktoren stärker bewerben – auf internationalen Messen, in strategischen Allianzen etwa zwischen Amberg und Weiden. „Ich erlebe, dass bei manchen Entscheidungen das Oktoberfest mehr Eindruck macht als der Gewerbesteuersatz.“
Deutschland habe vieles, worum andere Länder uns beneiden: „Ein exzellentes Ingenieurswesen, eine herausragende Ausbildungskultur. Probieren Sie mal in den USA, einen guten Elektriker zu finden.“ Statt sich im globalen Preiskampf mit Plattformen wie Temu zu überbieten, solle man auf Qualität setzen.

Europas Börsen glänzen, der Dollar schwächelt – die Halbzeitanalyse
Oberpfalz. Wer in den vergangenen Monaten nur auf die Börsenkurse geschaut hat, könnte annehmen, Europa habe den Vereinigten Staaten wirtschaftlich den Rang abgelaufen. Der DAX legte seit Jahresbeginn um rund 20 Prozent zu, der Euro Stoxx 50 immerhin um neun – deutlich mehr als der S&P 500, der mit knapp vier Prozent kaum vom Fleck kam. Die Gründe dafür liegen nicht nur in wirtschaftlicher Stärke auf dem alten Kontinent, sondern auch in einer Reihe politischer und finanzieller Turbulenzen in den USA, die Anleger zunehmend verunsichern.
Kritik an Wirtschaftsministerium
Stiedl spart auch nicht mit Kritik an der bayerischen Politik – insbesondere am Wirtschaftsministerium unter Hubert Aiwanger: „Wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät, kommt von dort nur ein Achselzucken. Wir wollen Arbeitsplätze retten, bevor sie verloren gehen.“ Besser laufe die Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei und Teilen der CSU. „Das Verständnis, wie Wirtschaft wirklich funktioniert, fehlt aktuell im Ministerium.“
Ein historisches Vorbild sieht er in Ex-Wirtschaftsminister Otto Wiesheu: „Der hat sogar Arbeitgeber angezählt, aber mit uns gemeinsam Lösungen erarbeitet. Solche Persönlichkeiten fehlen mir derzeit.“
Pflege, Gesundheit, Daseinsvorsorge
Besonders alarmierend: Die Situation im Gesundheitswesen. Pflegeplätze für 2500 bis 3000 Euro monatlich seien für viele unbezahlbar. Stiedl fordert eine Pflegevollversicherung. Auch die Krankenhauslandschaft müsse neu gedacht werden – nicht jedes Haus müsse alles leisten, aber flächendeckend müsse die Versorgung gesichert sein.
Viele Kommunen seien zudem finanziell überfordert: „Sie wollen gestalten, können aber nicht – weil sie verschuldet sind.“ Entschuldung sei eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Daseinsvorsorge.
KI als Chance – nicht als Ersatz
Dass die Jugend faul sei, hält Stiedl für ein Märchen: „Solche Klagen gab es schon bei Sokrates.“ Vielmehr müsse man neue Bildungsansätze finden, auf Gruppenarbeit und Schwarmintelligenz setzen. „KI wird Jobs verändern – aber auch neue schaffen. Der Wagner ist auch verschwunden – das ist der Lauf der Dinge.“ Entscheidend sei, wie die Gesellschaft mit den Effekten umgeht: „Die KI zahlt keine Lohnsteuer – also müssen wir Wege finden, ihre Gewinne zu besteuern, um die Sozialsysteme zu finanzieren.“
Regionalkonferenz & offene Themen
Nach dem Pressegespräch traf sich DGB-Landeschef Bernhard Stiedl mit Vertretern der regionalen Stadt- und Kreisverbände, um weitere Schritte für die Nordoberpfalz zu diskutieren. Schwerpunkte der Gespräche:
- Umsetzung der Transformationsnetzwerke vor Ort
- Fördermöglichkeiten für kleine und mittlere Betriebe
- Standortwerbung für internationale Investoren
- Ausbau von Kinderbetreuung und Pflege
- Tarifbindung und fairere Vergabeverfahren
- Stärkere Mitbestimmung bei Arbeitszeitmodellen
- Nutzung von KI und Digitalisierung als Beschäftigungschance
- Strategien gegen Lohndumping und Ausbeutung bei Migration
Ein umfassender Forderungskatalog findet sich im Positionspapier „Politische Lage und Antworten des DGB Bayern“.




