Hitlergruß und Hakenkreuz: Staatsanwaltschaft Weiden ermittelt rund 30 Mal pro Jahr
Hitlergruß und Hakenkreuz: Staatsanwaltschaft Weiden ermittelt rund 30 Mal pro Jahr
Oberstaatsanwalt Peter Frischholz bearbeitet bei der Staatsanwaltschaft Weiden Delikte aus dem Bereich des Paragraphen 86 a des Strafgesetzbuches (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen), also alles – vom Hitlergruß bis zur SS-Rune im Facebook-Post. Im Jahr sind das rund 20 Ermittlungsverfahren (Bereich Weiden, Neustadt/WN, Tirschenreuth), dazu kommen noch einmal Verfahren gegen unbekannt, also wenn beispielsweise nicht klar ist, wer den SS-Aufkleber geklebt oder das Hakenkreuz an die Wand geschmiert hat.
“Jeder Fall muss einzeln betrachtet werden”, erklärt der Jurist. Ein Beispiel aus den letzten Tagen: Kinder hatten ein Hakenkreuz in den Schnee gestampft. Diesen Fall hat er eingestellt, schon allein weil die Kinder aufgrund ihres Alters strafunmündig sind. Eingestellt hat er letztes Jahr auch einen Fall aus einem Weidener Klassenzimmer. Ein Schüler hatte den Hitlergruß gezeigt, das Lehrpersonal war schockiert.
Eine Schulklasse ist keine Öffentlichkeit
Die Strafanzeige gegen den Schüler verlief dennoch ins Leere: Voraussetzung für die Strafbarkeit ist die Öffentlichkeit. Das verbotene Kennzeichen muss von “unbestimmt vielen” Personen wahrgenommen werden können. Eine Schulklasse ist nicht öffentlich, der Personenkreis kann umgrenzt werden. Auch eine private WhatsApp-Chatgruppe ist demnach nicht öffentlich, ein offener Facebook-Account mit hunderten Freunden dagegen schon.
An diesem Prinzip scheiterte auch die Strafanzeige gegen eine 90-jährige Frau in Weiden, die ihre Gesundheitssportgruppe mit “Heil Hitler” begrüßt hatte. Die Turnstunde in einer Weidener Sporthalle wird von immer dem gleichen halben Dutzend Senioren besucht. Die 90-Jährige beteuerte, dass der Gruß eine reflexartige Reaktion auf die Begrüßung durch einen anderen Teilnehmer war. Ihre eigene Familie und sie selbst hätten im Nationalsozialismus sehr gelitten.
Die Frau war nicht vorbestraft. Frischholz stellte das Verfahren ein: “Man muss den Fall immer individuell sehen.” Manche Verfahren stellt er auch gegen Geldauflagen ein, dann ist zumindest ein Denkzettel impliziert.
Nazi-Beschallung vom Balkon im Landkreis Tirschenreuth
Anders ging ein Ermittlungsverfahren gegen den Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Landkreis Tirschenreuth aus. Hier hat Frischholz letzte Woche einen Strafbefehl beantragt. Der Mieter hatte vom Balkon mit einer Soundanlage den Block beschallt. Er rief mehrfach “Heil Hitler” ins Mikrophon, am helllichten Tag, deutlich hörbar von anderen Bewohnern auf ihren Balkonen.
Zur Anklage brachte die Staatsanwaltschaft kürzlich auch einen Fall beim Weiberfasching in Moosbach, wo ein Betrunkener “Sieg heil” auf offener Straße schrie, auch wenn das in diesem Fall möglicherweise anders gemeint war (“Weiberfasching in Moosbach: 51-Jähriger betitelt Security als Nazis”). Pi mal Daumen gilt: Ein Hitlergruß oder Hakenkreuz kann einen nicht vorbestraften Bürger 40 bis 60 Tagessätze, also bis zu zwei Monatslöhne, kosten. “Je bösartiger, desto höher.”
Anonymität des Internets lässt Hemmschwelle sinken
Auch “Hatespeech” ist ein großes Thema. Die Hemmschwelle, gerade gegen Politiker, sinke. Oberstaatsanwalt Frischholz lobt ausdrücklich den Stellenwert, den das Vorgehen gegen Hatespeech beim bayerischen Justizministerium einnimmt. “Das ist gut so.” Wenn die Kripo zur Durchsuchung vor der Tür stehe, hinterlasse das Eindruck. “Diese Personen sollen das wissen.”
Die Anonymität des Internets leiste Auswüchsen aller Art Vorschub, auch in anderen Bereichen. “Wie leicht ist das alles?”, fragt sich der Staatsanwalt. “Wie hätte man früher schon ein Hitlerbild verbreiten können?” Als Beispiel nennt er auch das Verbreiten von Kinderpornographie per Smartphone. “Wo stand früher ein kinderpornographisches Bild zur Verfügung?” Heute sei alles in Sekundenschnelle verfügbar und werde ebenso schnell (und anonym) verschickt.




