Shitstorm für Polizei und Politik nach Aussagen zur Cannabisfreigabe
Shitstorm für Polizei und Politik nach Aussagen zur Cannabisfreigabe
Kleine Ursache, große Wirkung: Als Reaktion auf einen Bericht im OberpfalzEcho über den Besuch einer CSU-Delegation von mehreren Polizeidienststellen im Landkreis Neustadt/WN erreichten uns zahlreiche Kommentare unserer Leser und Leserinnen. Sie kritisierten die Aussagen der Polizeibeamten und Politiker zur Problematik der Cannabisfreigabe als „wissenschaftlich längst überholt“, „falsch“, „völlig einseitig“ oder als „glatte Lügen“.
Bei dem Politikerbesuch hatten mehrere Polizisten betont, dass die Freigabe von Cannabis für sie ein „No-Go“ oder „für uns unfassbar“ ist und Cannabis als Einstiegsdroge bezeichnet.
„Verbotspolitik massiv gescheitert“
Ewald Zenger hat eine klare Meinung zur Cannabisfreigabe: „Natürlich bin ich für dafür, Cannabis für Erwachsene zu legalisieren. Jeder soll das tun, was er für sich am besten hält.“ Die Verbotspolitik sei massiv gescheitert, sagt der Geschäftsführer des Stadtjugendrings Weiden und bezeichnet die Strafverfolgung bei Cannabisnutzern als total überzogen. „Die Kriminalisierung junger Menschen ist der falsche Weg. Damit dämmst du den Konsum auch nicht ein.“ Zenger: „Alkohol, obwohl viel schädlicher, ist gesellschaftlich akzeptiert. Das geht schon in Vereinen los, wenn Jugendliche als Belohnung für gute Leistungen oder bei Feierlichkeiten ein oder zwei Biere spendiert bekommen.“ Für den Leiter des Jugendzentrums steht fest, wo das größere Problem liegt. „Haben sie schon mal von Schlägereien oder Verkehrstoten gehört, die dem Einfluss von Cannabis geschuldet sind?“ Für Heranwachsende lehnt Zenger allerdings eine Cannabisfreigabe kategorisch ab.
Er kenne viele Experten, „kluge Menschen“, die ähnlicher Meinung seien wie er und die ganze Geschichte differenziert betrachten. „Aber es traut sich kaum jemand, etwas öffentlich zu sagen.“ Deutschland sollte sich ein Beispiel an den Regelungen unter anderem in Portugal oder Kanada nehmen. In diesen Ländern wird der persönliche Konsum in angemessenen Mengen akzeptiert. In beiden Ländern überwiegen nach bisherigen Erkenntnissen die Vorteile dieser Regelung. Weniger Straftaten, weniger Dealer und auch nicht mehr jugendliche Konsumenten.
Cannabis kein Gift
Ewald Zenger glaubt, dass die Polizei Besseres zu tun hätte, als Cannabis-Konsumenten wie Verbrecher zu verfolgen. „Ich bin mir der Gefahr übermäßigen Rauschgiftkonsums durchaus bewusst und sehe das sehr kritisch. Aber Cannabis ist kein Gift und kann mehr nutzen als es schadet.“ Der Diplom-Sozialarbeiter lehnt auch die Herabstufung von Cannabisbesitz als Straftat zur Ordnungswidrigkeit als „reine Spitzfindigkeit“ ab.
Pro und Contra der Cannabisfreigabe
Einer Online-Umfrage des Ärztenachrichtendienstes (ÄND) zufolge sehen 53 Prozent von über 800 befragten Haus- und Fachärzten eine Legalisierung von Cannabis als den richtigen Schritt an. Die Beschränkung des Konsums auf die medizinische Anwendung möchten 36 Prozent der Mediziner beibehalten. Für ein komplettes Cannabis-Verbot haben sich zwölf Prozent ausgesprochen.
Anlass für die Umfrage war die Debatte um die Forderung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Der hatte vorgeschlagen, das Cannabis-Verbot aufzuheben. „Es gab in der Menschheitsgeschichte noch nie eine Gesellschaft ohne Drogenkonsum, das muss man akzeptieren“, erklärte BDK-Chef André Schulz. Dagegen ist die Bundesärztekammer (BÄK) mit der Idee des BDK nicht einverstanden. „Kiffen ist kein harmloses Freizeitvergnügen“, betonte Erik Bodendieck, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Sucht und Drogen“ der BÄK.
„Süchtige Gesellschaft“
Der Jugendpfleger empfiehlt die Integration gefährdeter junger Menschen in Vereine, Gruppen und Organisationen. „In einer Gesellschaft, in der viele nach Anerkennung und Lob süchtig sind oder – schlimmer noch – dem Glücksspiel oder Alkohol verfallen sind, ist die Akzeptanz und Eingliederung von Jugendlichen in die Gesellschaft wichtiger als eine unangemessene Verbotspolitik, die nichts gebracht hat.“




