Jahn in Liga 3: Kleiner Befreiungsschlag gegen den SC Verl
Jahn in Liga 3: Kleiner Befreiungsschlag gegen den SC Verl
Ein „Zuckerschlecken“ hatte Jahn-Trainer Michael Wimmer in der derzeitigen Druckphase nicht erwartet. Wir auch nicht. Demnach hat uns Regensburg vor allem in der ersten Halbzeit kaum mit Fußball-Naschwerk verzaubert. Um im Bild zu bleiben: Vieles bleibt zunächst Zuckerbruchstückwerk.
Zu den positiven Erkenntnissen gehören: man sieht den Akteuren den Willen an, etwas giftiger in Zweikämpfe zu sprinten, den selbstsicheren Gegner aus Verl, die mit 12 Punkten auf Platz 6 Tuchfühlung zur Tabellenspitze halten, zumindest unter Druck setzen zu wollen. Das Ergebnis dieses Wollens ist freilich übersichtlich.
Die allermeisten Ballgewinne landen postwendend beim Verein aus dem NRW-Städtchen bei Bielefeld. Und gelingt doch einmal ein Pass in die Tiefe, wie von Noel Eichinger, dann trifft Sturmtalent Dustin Forkel fast allein vorm Keeper die falsche Entscheidung und lässt sich in letzter Sekunde die Kugel vom Verteidiger wegspitzeln.
Endlich mit Emotionen
Der Stimmungsumschwung dann ausgerechnet nach der ersten gravierenden Fehlentscheidung von Schiedsrichterin Fabienne Michel, die bis dahin durch ihr Laisser-faire auf beiden Seiten durchaus überzeugen konnte. Den glasklaren Elfer, den Eric Hottmann herausackert, nachdem er bereits einen Verteidiger ausgetanzt und eine Gelegenheit zur Schwalbe umkurvt hat, gibt der SC-Sünder unumwunden zu:
Den Elfer muss ich nicht mal in den Bildern sehen – das war einer, ich habe Glück gehabt.
SC-Verteidiger Yari Otto
Plötzlich sind die Emotionen von der Graswurzel bis zum Stadiondach greifbar: Die Jahn-Arena kocht, Jahn-Coach Wimmer tobt, die Regensburger spritzen in jeden Ball – die Oberpfälzer sind erstmals Herr im eigenen Haus. Auch wenn sie diese Körperspannung nicht ganz bis zum Schluss durchhalten, reicht dieser Esprit dazu, die Ostwestfalen niederzuringen – mit einem Triumph des Willens durch Kopfballungeheuer Robin Ziegele nach Maßflanke des eingewechselten Sebastian Stolze zur 1:0 Führung (81.) und mit Einflüsterung von Torwarttrainer Philipp Tschauner:
Tschauni war überzeugt von Beck, wir sollten ihn unbedingt bringen – und dann macht er ihn rein, sensationell.
Jahn-Trainer Michael Wimmer
Mit Beck ist Phil Beckhoff gemeint, auf den die Fans lange warten müssen und der einen Konter überragend zu Ende spielt und anders als Forkel dann eben die richtige Entscheidung trifft und die Kugel unhaltbar im Duell mit SC-Keeper Philipp Schulze rechts unten zur 2:0-Vorentscheidung versenkt (90 + 2). Dass die beiden Geniestreiche zum bitter benötigten Dreier reichen, hat der Jahn aber auch dem Verler Sturm zu verdanken, der einige typisch Oberpfälzer Einladungen der Marke – „nimm du ihn, ich habe ihn schon“ dankend ablehnen.
Verl dominiert, Jahn kontert
Der Spielverlauf lässt zunächst alles andere als den großen Wendepunkt erahnen. Von Beginn an übernehmen die Gäste das Kommando, schnüren die Oberpfälzer phasenweise in der eigenen Hälfte ein. 78 Prozent Ballbesitz in der ersten halben Stunde sprechen Bände, Torchancen bleiben jedoch Mangelware.
Nach einer Hereingabe von Berkan Taz köpft Martin Ens über das Tor (35.). Zuvor hat Dustin Forkel die dickste Gelegenheit für die Hausherren, als er frei auf SC-Keeper Schulze zuläuft, aber zu lange zögert (29.).
Der nicht gegebene Elfer
Die Szene des Spiels in Minute 49: Eric Hottmann dribbelt sich stark in den Strafraum, lässt Fynn Otto und auch Yari Otto stehen und wird dann von Letzterem klar zu Fall gebracht. Ganz Regensburg fordert Elfmeter – doch Schiedsrichterin Michel lässt weiterlaufen. „War ein Elfer, ich hatte Glück“, gibt Otto später zu. Anschließend erhöht die Wimmer-Elf die Schlagzahl. Erneut Forkel scheitert noch knapp, ehe in der 81. Minute ausgerechnet ein Verteidiger den Bann bricht.
Sebastian Stolze zirkelt den Ball von rechts an den Fünfmeterraum, wo Robin Ziegele per Kopf vollstreckt – 1:0, pure Erleichterung bei Mannschaft und Fans. Sieben Minuten später schlägt Verl fast zurück: Jonas Arweiler prüft Jahn-Keeper Felix Gebhardt, der stark pariert (77.). Auch Julian Stark vergibt aus wenigen Metern kläglich über die Latte (68.).
Joker Beckhoff macht den Deckel drauf
Die Entscheidung in der Nachspielzeit: Noel Eichinger steckt auf Beckhoff durch, der den eingewechselten Joshua Eze vernascht und eiskalt zum 2:0 einschiebt (90.+2). Trainer Michael Wimmer sprintet selbst zur Eckfahne, um mitzufeiern – Symbol eines Sieges, der mehr ist als drei Punkte: der erste Schritt zurück ins Selbstvertrauen.
Und vor allem ein geglückter Start in eine Englische Woche, die es in sich hat: Am Mittwoch (19 Uhr) reist der SSV Jahn zum VfL Osnabrück, der vor dem heutigen Abendspiel bei Viktoria Köln mit 12 Punkten auf Platz 5 lauert – mit einem Sieg könnten die Niedersachsen Relegationsplatz 3 erobern. Und am Samstag (14 Uhr) erwartet der Tabellen-17. den starken Tabellen-Zweiten 1. FC Saarbrücken (17 Punkte) im Jahn Stadion.
Stimmen zum Spiel
Michael Wimmer (Trainer Jahn Regensburg):
„Wir wussten, dass es kein Zuckerschlecken wird. In der ersten Hälfte waren wir zu unsicher, der Ball war sofort wieder weg. Nach dem 1:0 ist brutal viel Last abgefallen – nicht nur von mir, sondern vom ganzen Team. Unser Torwarttrainer war überzeugt, dass wir Phil Beckhoff bringen müssen – sensationell, dass er dann das Tor macht. Jetzt gilt’s, die Emotion mit nach Osnabrück zu nehmen.“
Robin Ziegele (Torschütze Jahn):
„Wir sind viel hinterhergelaufen, haben aber wenig zugelassen. Nach der Pause sind wir cool geblieben, haben weiter nach vorne gespielt, die Fans haben uns gepusht. Stolle bringt eine super Flanke, und ich bin da, wo ich hingehöre. Kopfball ist einfach mein Ding. Über den Trainer zu sprechen, finde ich falsch – wir sind ein Team.“
Yari Otto (SC Verl):
„In der ersten Halbzeit waren wir gut im Spiel, aber zu unsauber, so wurden es nur Halbchancen. Den Elfer muss ich nicht mal in den Bildern sehen – das war einer, ich habe Glück gehabt. Die Niederlage müssen wir schnell aus den Knochen kriegen, dann zeigen wir ein anderes Gesicht gegen Ingolstadt.“
Tobias Strobl (Trainer SC Verl):
„Wir haben gegen einen Gegner gespielt, der um alles gefightet hat – das haben wir vermissen lassen. Wir sind in Dribblings gegangen, die Regensburg oft auf seine Seite gezogen hat. Wir verlieren als Gruppe. Nach drei Siegen in Serie hatten wir gewarnt, dass es hier schwer wird. Genau so wird es auch gegen Ingolstadt.“




