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Auf Kopf des Vaters gesprungen - Psychisch kranker Sohn bleibt in Psychiatrie

Weiden. Der psychiatrische Sachverständige spricht vom Phänomen "Overkill". Ein Weidener (31) sprang und trat seinem Vater auf den Kopf, als dieser schon am Boden lag. Das Landgericht Weiden bringt den 31-Jährigen nach Paragraf 63 dauerhaft in der forensischen Psychiatrie unter.

Auf Kopf des Vaters gesprungen - Psychisch kranker Sohn bleibt in Psychiatrie

20250606 Betrug Foto Martin Stangl
Die Vorführbeamten der Justiz gehen auf Nummer sicher: Der Angeklagte wird mit Hand- und Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt. Für die Dauer der Verhandlung werden nur die Handfesseln abgenommen. Foto: Martin Stangl

Die Tat hatte sich kurz vor Weihnachten 2024 in einem Wohnhaus in Weiden ereignet. Die Mutter saß nachmittags auf dem Sofa, als der Sohn ankündigte: “Du bist dran.” Der Vater kam gerade vom Treppenhaus in die Wohnung herein. Er ging durch Schläge des Sohnes zu Boden. Dann hagelte es Tritte. . Am Ende hielt sich der 31-Jährige am Treppengeländer fest, sprang mit beiden Beinen hoch und landete mit beiden Füßen auf dem Kopf. Er trug dabei Socken. Als die Mutter telefonisch um Hilfe rufen wollte, zog sie der Junior ins Wohnzimmer zurück und brach ihr mit einem Faustschlag den Kiefer. Soweit die Tat, vor Gericht vorgetragen von Staatsanwalt Johannes Klinger.

Den Vater hätte er beinahe umgebracht: Dieser erlitt eine Gehirnblutung, Schädelfrakturen, mehrere Zähne und die Nase waren gebrochen. Der Rechtsmediziner hält es für “ein Wahnsinns-Glück”, dass niemand ums Leben kam.

Vor Gericht wechseln die Eltern und der Sohn kein Wort. Seit der Tat ist der 31-Jährige in der Psychiatrie. Einen Anruf von ihm hätten die Eltern nicht angenommen, berichtet er vor Gericht. Er ist hochgewachsen, schlank, gepflegter Kurzhaarschnitt und Sneakers. Ihm zur Seite stehen die Verteidiger Johannes Zintl und Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn. Ruhig verfolgt der 31-Jährige die Verhandlung.

Schizophrenie mit Wahnvorstellungen

Er kann auch ganz anders. Der Beschuldigte leidet an einer ausgeprägten Schizophrenie mit Wahnvorstellungen. Der psychiatrische Sachverständiger Dr. Aleh Maksimiuk hält ihn weiterhin für gefährlich, auch weil jede Krankheitseinsicht fehlt. Besonders gefährdet sind typischerweise Verwandte ersten Grades. Der Patient nehme die Eltern als Teil des Systems wahr. Und dieses System ist gegen ihn. “Der ganze Staat wirkt gegen ihn”, erklärt Dr. Maksimiuk die Denkweise.

In die Verschwörung sind auch Ermittlungsrichter und Polizei verwickelt. Der Beschuldigte habe mehrfach gefragt, ob sein Fall in einem anderen Land verhandelt werden könne. Das Misstrauen richtet sich zwischenzeitlich auch gegen beliebige Passanten. Kurzum: “Von ihm geht eine erhebliche Gefährdung aus.”

Der 31-Jährige schiebt die Schuld auf Drogen. Er habe zuletzt “Badesalz” konsumiert, synthetische Drogen, die aggressiv machen können. Problem: In Blut und Haar fanden sich keinerlei Hinweise auf irgendwelche Rauschmittel. Der Psychiater hält das letztlich für eine Schutzbehauptung des 31-Jährigen, um sich die Situation selbst zu erklären: “Jetzt sagt er zu seiner inneren Beruhigung: Die Drogen waren schuld.” Drogen gab es zwar im Leben des 31-Jährigen, aber sie seien letztlich nicht Auslöser der Tat.

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Intaktes Elternhaus

Kurz umreißt der Sachverständige die Vita des 31-Jährigen: intaktes Elternhaus, mittlerer Schulabschluss, Lehre als Tischler. Mit 18 gibt es erste Zeichen einer misstrauisch-paranoiden Einstellung. Mit 15 kifft er, Anfang 20 erfolgt eine Verurteilung wegen Methamphetamin (“Crystal”). Immer wieder kommt es zu akuten Psychosen und Aufenthalten in der Psychiatrie. Einmal bricht er seinem Vater in einer Wut-Attacke den Finger. Zwei Beziehungen scheitern, der Beschuldigte hat irgendwo ein fünfjähriges Kind, das er noch nie gesehen hat.

Die große Strafkammer mit den Richtern Peter Werner, Florian Bauer und Vera Höcht ordnet am Ende die Unterbringung nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch an. Im Gegensatz zu einer Freiheitsstrafe ist die Unterbringung unbefristet angelegt, solange die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit fortbesteht. Der Psychiater ging im Fall des 31-Jährigen von mindestens fünf Jahren Behandlungsdauer in der geschlossenen Forensik aus.