[Live-Ticker] Angeklagter im Champagner-Prozess am Landgericht Weiden: I'm a party guy

[Live-Ticker] Angeklagter im Champagner-Prozess am Landgericht Weiden: I'm a party guy
Zusammenfassung des ersten Prozesstags
“I’m a party guy!” Zum Prozessauftakt wegen des tödlichen “Champagners” hat der Angeklagte aus seinem Leben erzählt. Es geht sehr viel um Partys, Festivals und Drogen. Einen Bezug zu der Flasche streitet er ab.
Dem Publikum in Weiden ist irgendwann ganz schwindelig. Über Stunden erzählt der Angeklagte Theo G. (46) am Donnerstag aus seinem Leben. Eine Achterbahnfahrt durch die Gastroszene. Er war Barbesitzer, Clubbetreiber, Festival-Veranstalter, Cannabis-Vertreter, Drogen-“Vermittler” der Reichen und Schönen. In den Niederlanden, auf Bali, in Thailand, Cannes und Ibiza. Sein Anwalt sagt, er gehöre der Event- und Partyszene an, die Zugang zu Partydrogen habe – “wie zigtausende andere auch”. “Aber das macht ihn nicht zum internationalen Logistiker synthetischer Drogen.”
Schon am ersten Prozesstag ist klar: Dieser Angeklagte ist sehr anders als die Angeklagten, die sonst vor der 1. großen Strafkammer Platz nehmen. Theo G. ist ein Paradiesvogel. Groß, schlank, wellige Haare, Goldrandbrille zur Kapuzenjacke. Im Publikum sitzen Angehörige aus den Niederlanden; die Schwester weint, ein Verwandter muntert ihn auf: Daumen hoch. Theo G. erwidert die Geste. Er bleibt angesichts der 20 Foto- und Filmkameras recht cool.
Absolut gelassen erzählt er den ganzen Nachmittag über aus seinem Leben. Unterm Strich: Er hat viel gemacht. Aber er habe nichts mit der MDMA-Flasche zu tun, die in Weiden einem Restaurantgast das Leben gekostet hat. Seit über einem Jahr sitzt er in Untersuchungshaft in der Oberpfalz. Vor Gericht plaudert er in dem gleichen Mix wie in Haft. Englisch, Niederländisch, ein paar Brocken Deutsch.
“I’m a party guy!” Sein Netzwerk bestehe aus VIPs, Künstlern, Eventmanagern. “Wir nehmen alle mehr oder weniger Drogen. Ich kaufe sie auch.” Aber er verkaufe keine Drogen, er “vermittle” sie allenfalls. Er bestätigt damit Deals, die in seinem Mobiltelefon dokumentiert sind. Beispielsweise habe er Drogen an einen sehr guten Freund vermittelt, der Vorsitzender des Lamborghini-Clubs ist.
Er selbst nehme fünf, sechs Mal im Jahr Drogen: “Wenn ich nach Ibiza gehe, mache ich hart Party.” Oder auch beim belgischen Musikfestival “Tomorrowland” oder der Gay-Parade in Amsterdam. Er selbst organisierte das Festival “Beat The Bridge” bis 2019 mit 15.000 Teilnehmern. “Wurden da Drogen konsumiert?”, fragt Staatsanwalt Christoph May. “Ja. 15.000 Mal”, scherzt der Angeklagte.
Viele Zuhörer hatten damit gerechnet, dass am ersten Prozesstag andere Vorträge im Vordergrund stehen. Da war zum einen die Anklage von Staatsanwalt Christoph-Alexander May. Dann das Opening-Statement von Verteidiger Dr. Alexander Stevens, dem True-Crime-Podcaster. Am Ende stiehlt Theo G. allen die Show. Er redet und redet.
Opening-Statement von Stevens
Verteidiger Stevens hat in seinen Eingangsworten jede Schuld von seinem Mandanten gewiesen: Die Kausalkette sei nicht zu führen. Zu viel Unvorhersehbares spiele in den Fall. Der Tod von Harald Z. (52) sei dem Angeklagten nicht zurechenbar. Und überhaupt habe dieser mit der Champagner-Droge nichts zu tun: “Unser Mandant hatte lediglich Jahre zuvor in demselben Komplex eine völlig andere Lagerbox angemietet. Das ist die gesamte Connection. Mehr nicht.”
Stevens gibt ein Beispiel mit lokalem Bezug: “Stellen Sie sich vor, Sie bekommen auf dem Weidener Volksfest eins auf die Nase.” Der Krankenwagen komme, dummerweise sei der Fahrer betrunken und baut auf dem Weg ins Krankenhaus einen Unfall. “Sie überleben nicht. Was glauben Sie: Würde man nun den Schläger wegen eines Tötungsdelikts anklagen? Ohne den Schlag auf die Nase wären Sie schließlich nicht tot.” Dennoch würde das Weidener Gericht den Schläger nur wegen einfacher Körperverletzung verurteilen.
Staatsanwaltschaft: Tod ist ihm zurechenbar
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie will Zeugen und Indizien präsentieren, die einen Zusammenhang der Flasche zu Theo G. herstellen. Die These: Er habe sie – mit 20 anderen – in einem Lager in Arnheim (Niederlande) deponiert, von wo sie geklaut wurde. Die Champagnerflasche enthielt reine MDMA-Base. Der Dieb vertickte sie als vermeintlichen Champagner weiter. In Weiden erlitten acht Gäste Vergiftungen, Harald Z. starb. Seine Witwe lässt sich im Prozess als Nebenklägerin von Anwalt Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn vertreten.
Der Tod des Pfreimders sei dem Angeklagten anrechenbar, sagt Staatsanwalt May. Durch die Tarnung als Genussmittel sei es “ohne weiteres vorhersehbar” gewesen, dass das Gift von unbeteiligten Dritten konsumiert wird.
Fortsetzung: 12. Dezember, 9 Uhr, Landgericht Weiden mit den ersten Zeugen aus dem Restaurant.
Bildergalerie zum Prozessauftakt:
Der Champagner-Prozess im Live-Ticker
[17.16 Uhr] Richter Peter Werner ist für heute durch: “Wir sind weiter gekommen, als wir gedacht haben.” Der nächste Prozesstag am 11. Dezember fällt aus. Fortsetzung ist damit am 12. Dezember, 9 Uhr, mit den ersten Zeugen aus dem Lokal.
[17.15 Uhr] Es geht um das Sprachvermögen des Belastungszeugen Jacek, der Theo G. in Verbindung mit der Flasche gebracht hat. Dessen Englisch sei sehr schlecht, sagt der Angeklagte auf Nachfrage seines Verteidigers Philip Müller. Dem Polen hatte Theo G. vom Champagner-Diebstahl aus dem Storage erzählt, aber dabei klargestellt, damit nichts zu tun zu haben. Die Diebstahl-Story sei ihm auf dem Weg in den Biomarkt erzählt worden. Alles liegt in Arnheim nah beieinander: Theos Wohnadresse und das Lager.
[17.05 Uhr] Staatsanwalt May hat keine Fragen mehr – aber Verteidiger Müller. Wieder geht es um den Kumpel Jacek. Der Angeklagte berichtet von der Verhaftung Jaceks in den Niederlanden. Dessen Freundin habe ihn daraufhin aufgesucht, mit einem Telefon in der Hand: “Jacek will mit dir reden.” Während man gemeinsam auf den Anruf wartete, habe sie ihm von Geldproblemen berichtet.
[16.50 Uhr] Kurze Unterbrechung für einen “Schichtwechsel”: Die Protokollführerin der Strafkammer wird ausgetauscht. Ein Ende des ersten Verhandlungstags ist nicht absehbar.
[16.40 Uhr] Theo G. berichtet von seiner Cannabis-Farm mit 88 Pflanzen, wegen der er 2022 verurteilt wurde. Ob er zu viel rede, fragt er. Der Staatsanwalt verneint: “Ich habe selten Angeklagte, die so redebereit sind.” “Weil er nichts zu verbergen hat”, sagt Verteidiger Stevens. Staatsanwalt May kontert: “Weil er anderthalb Jahre Zeit für eine Geschichte hatte.”
[16.35 Uhr] Staatsanwalt May erkundigt sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen. Damals “nicht allzu viel”, meint Theo, zwischen 3.000 und 5.000 Euro im Monat. Manchmal verdiene er 5.000 Euro auf einen Schlag und fahre in den Urlaub; manchmal wisse er nicht, wie er sein Benzin bezahlen soll. May fragt nach dem Porsche Panamera und Urlauben im exklusiven Ibiza: “Wie haben Sie das finanziert?” Theo G. sagt, der Porsche habe 51.000 Euro einschließlich Winterreifen gekostet. An Supercar-Treffen habe er mit reichen Freunden und deren Wagen teilgenommen.
[16.30 Uhr] Fortsetzung. Jetzt stellt Staatsanwalt May die Fragen. May fragt nach dem Lager “Multistorage”, in dem Theo G. eine Lagerbox gemietet hatte. Der Niederländer gibt bereitwillig Auskunft. Er und sein Compagnon hätten die Box zuletzt bar bezahlt. Der Zugang zur Box musste per Handy freigeschalten werden; seine Telefonnummer war hinterlegt.
[16.25 Uhr] Der Angeklagte spricht ausführlich über Cannabis-Geschäfte. Er sei Mittelsmann eines Deals gewesen, bei dem Jacek, der jetzige Belastungszeuge, fünf Kilo Cannabis für sich abgezweigt habe. Um den Verlust auszugleichen habe er Jacek einen Job vermittelt.
[16.20 Uhr] Sauerstoff-Austausch im mit 70 Personen besetzten Sitzungsraum: Das Gericht lässt zehn Minuten Pause zu. Die Angehörigen nutzen die Gelegenheit zum Austausch per Gesten. Ein Verwandter hält den Daumen hoch, Theo G. antwortet ebenfalls mit erhobenem Daumen. Seine Frau und die Schwester winken ihm zu.
[15.40 Uhr] Wortreich erklärt Theo G. eine große Überweisung an Betäubungsmittel-Händler, die über Thailand lief. Es habe sich damals um die Bestellung einer Cannabis-Testbox gehandelt, angeboten für 200 US-Dollar. Aber am Ende gingen 200.000 US-Dollar an den Verkäufer. “Das war sehr traurig, aber nicht mein Fehler.”
Auf Nachfrage von Richter Florian Bauer versucht er auch zu erklären, warum er einmal vom Verlust von 50.000 Euro gesprochen habe. Bei ihm sei damals während eines Ski-Urlaubs eingebrochen worden. Beute: Bargeld und Breitling-Uhren.
Noch einmal beschreibt er sich als “Party-Typ”: “I’m a party guy!” Sein Netzwerk bestehe aus VIPs, Künstlern, Eventmanagern. “Wir nehmen alle mehr oder weniger Drogen. Ich kaufe sie auch.” Aber er verkaufe keine Drogen, er “vermittle” sie allenfalls. Er bestätigt damit Deals, die in seinem Mobiltelefon dokumentiert sind. Beispielsweise habe er Drogen an einen sehr guten Freund vermittelt, der Vorsitzender des Lamborghini-Clubs ist.
Er selbst nehme fünf, sechs Mal im Jahr Drogen: “Wenn ich nach Ibiza gehe, mache ich hart Party.” Oder auch beim belgischen Musikfestival “Tomorrowland” oder der Gay-Parade in Amsterdam. Er selbst organisierte das Festival “Beat The Bridge” bis 2019 mit 15.000 Teilnehmern. “Wurden da Drogen konsumiert?”, fragt Staatsanwalt Christoph May. “Ja. 15.000 Mal”, scherzt der Angeklagte.
[15.30 Uhr] Jetzt geht es um seine Cannabis-Geschäfte in seiner Heimatstadt Arnheim. Er habe dort zeitweise eine weitere Wohnung bewohnt, die eigentlich für die Herstellung von Joints für Coffee-Shops vorgesehen war. Während der Corona-Pandemie wurde das Haus dafür nicht gebraucht. Mit seiner brasilianischen Freundin sei es damals auch ein wenig “stressy” gewesen.
Auf Nachfrage von Richterin Vera Höcht nimmt er auch zu seinen angeblichen Crypto-Konten Stellung. Die Nachrichten über ein 2,5- bzw. 47-Millionen-Konto seien “Scam”.
[14.55 Uhr] Inzwischen ist Theo G. in Thailand angelangt: Hier sei Cannabis überraschend legalisiert worden. Er sei sofort nach Bangkok gereist und habe mit der Planung eines Vertriebs von Cannabis-Samen begonnen. “The business is running, I hope.” Aber er sei nur mit 16 Prozent beteiligt, nach seinen “Problemen” sei er als CEO ausgetauscht worden.
[14.45 Uhr] 15 Minuten spricht der Angeklagte nun schon. “Was soll ich Ihnen noch erzählen?”, fragt Theo G. das Gericht. Er könne ein wenig aus seinem Berufsleben berichten. Richter Werner winkt ab: “Das kommt später.” Theo G. will das trotzdem erklären: “Damit Sie verstehen, wer ich bin.” Er brauche dafür auch “nur” noch einmal 15 Minuten. Und schon legt er los: Seine Eltern hätten ihr ganzes Leben Bars und Discotheken geführt. Nach der Schule habe er die Hotelfachschule besucht, eine eigene Bar eröffnet, dann seinen ersten eigenen Club. Schließlich veranstaltete er Festivals.
Bei einem Urlaub habe er sein Herz für Bali entdeckt und dort einige Festivals veranstaltet. Er eröffnete eine Niederlassung in Indonesien. Nach der Rückkehr in die Niederlande 2016 trat er ein wenig kürzer. Er verkaufte T-Shirts, “from the kitchen table” (“vom Küchentisch aus”).
Zudem habe er ein Konzept für Coffee-Shops entworfen. Er komme “ein wenig aus einer Hippie-Familie”, erklärt Theo G., und könne das gern später noch ein wenig ausführen.
[14.40 Uhr] Theo G. will erklären, warum er überhaupt eine Verbindung zum “Multistorage” habe, wo die MDMA-Flasche gelagert war. Er hatte damals eine Event-Company. Bis Corona habe er große Festivals organisiert und deshalb dort eine Lagerbox gemietet. Wieder holt der Niederländer weit aus. Im September 2018 habe er die Box mit seinem damaligen Compagnon geräumt. “Ich war niemals wieder im Multistorage.” Er habe das Gelände nur noch während der Corona-Pandemie vier, fünf Mal aufgesucht, weil es dort ein geöffnetes Fitnessstudio gab.
[14.30 Uhr] Jetzt hat der Angeklagte das Wort. Er holt dabei weit aus. Er spricht abwechselnd Englisch und Niederländisch, durchsetzt mit ein paar Brocken Deutsch. Theo G. versucht zu erklären, warum er mit der Flasche in Verbindung gebracht werde. Er erzählt, wie ihm ein flüchtiger Bekannter in Arnheim 2019 vom Diebstahl teuren Weins aus dem Multistorage erzählt habe. Er selbst habe die Geschichte am Tag darauf dem Hauptbelastungszeugen Jacek weiterzählt. Mehr auch nicht. Er habe sich noch gewundert, wieso jemand Wein dort deponiere.
Hintergrund: Die Anklage stützt sich auch auf eine belastende Sprachnachricht zwischen den beiden Männern. Diese sei nur missverständlich, beteuert der Angeklagte. Darin will ihm Jacek vom Lagerverwalter berichten und sagt sinngemäß: “Du weißt schon: der, der deinen Champagner gestohlen hat.”
[14.25 Uhr] Hier sitze der falsche Mann vor Gericht, so Stevens. Die Anklage begründe sich auf zwei Zeugen, die unglaubwürdig seien. “Superzeuge Nummer eins” der Staatsanwaltschaft sei der Verwalter des Multistorage, der behaupte, er habe die Flaschen wegen nicht bezahlter Mieten geklaut.
Stevens: “Unser Mandant hatte lediglich Jahre zuvor in demselben Komplex eine völlig andere Lagerbox angemietet. Das ist die gesamte Connection, die die Staatsanwaltschaft präsentiert. Mehr nicht. Kein Fingerabdruck. Kein DNA-Material. Keine Kommunikation. Keine Übergabe. Nichts.”
“Ja, unser Mandant ist im Cannabissektor tätig.” Ja, sagt Stevens, er kenne durch seine langjährige Arbeit in der Event- und Partyszene Menschen, die Zugang zu Partydrogen haben – “wie zigtausende andere auch”. “Aber das macht ihn nicht zum internationalen Logistiker synthetischer Drogen”, sagt der Anwalt.
[14.20 Uhr] Stevens gibt ein Beispiel mit lokalem Bezug: “Stellen Sie sich vor, Sie bekommen auf dem Weidener Volksfest eins auf die Nase.” Der Krankenwagen komme, dummerweise sei der Fahrer betrunken und baut auf dem Weg ins Krankenhaus einen Unfall. “Sie überleben nicht. Was glauben Sie: Würde man nun den Schläger wegen eines Tötungsdelikts anklagen? Ohne den Schlag auf die Nase wären Sie schließlich nicht tot.” Dennoch würde das Weidener Gericht den Schläger nur wegen einfacher Körperverletzung verurteilen.
[14.15 Uhr] Anwalt Stevens hält den Tod des Gastes nicht zurechenbar für seinen Mandanten. Die Staatsanwaltschaft argumentiere: „Hättest du keine Flaschen mit Betäubungsmitteln gelagert, hätte sie niemand stehlen und weiterreichen können.“ Soweit sei das rein logisch nachvollziehbar: “Aber was ist dann mit der Mutter eines Mörders?”, fragt May: “Wenn sie das Kind nicht geboren hätte, gäbe es den Täter nicht.”
Mit derart abwegigen Ursachen, Unvorhersehbarem, wie hier geschehen, müsse niemand rechnen. Stevens zweifelt auch Weiden als Gerichtsort an: Nach strafprozessualen Prinzipien sei das örtlich nächstgelegene Gericht zuständig. Die Drogendelikte spielten sich komplett in den Niederlanden ab. “Es ist geboten, das Verfahren dort zu führen.”
[14.05 Uhr] Anwalt Dr. Alexander Stevens beginnt mit seinem Opening-Statement: Das Ereignis sei an Tragik nicht zu überbieten. “Was geschehen ist, tut uns unfassbar leid. Ein solch sinnloser und zutiefst tragischer Tod ist erschütternd und ergreifend.” Aber: Bei allem Mitgefühl und bei allem Respekt vor dem Leid der Betroffenen dürfe niemand allein verantwortlich gemacht werden, weil “wir intuitiv nach einem Schuldigen suchen”.
Um das geht es im Champagner-Prozess:
- Der Niederländer Theo G. (46) steht ab 4. Dezember in Weiden wegen bandenmäßigen Drogenhandels und fahrlässiger Tötung vor Gericht. Beginn der öffentlichen Verhandlung: 13.30 Uhr.
- 2022 war im Restaurant “La Vita” in Weiden eine mit MDMA-Base gefüllte Champagnerflasche ausgeschenkt worden. Es gab einen Toten und sieben Schwerverletzte. MDMA-Base ist der Wirkstoff von Ectasy.
- Die Flasche soll von Theo G. stammen. Er hatte sie in einer Lagerbox in Arnheim (Niederlande) deponiert – so die Anklage. Sie soll ihm vom Lagerverwalter geklaut worden sein.
- Über eBay gelangte sie in die Oberpfalz.
[13.50 Uhr] Staatsanwalt Christoph-Alexander May verliest die Anklage. Demnach schloss sich Theo G. vor Oktober 2018 mit Komplizen zusammen. Das gemeinsame Ziel: Rauschgift, vor allem MDMA, zu produzieren. Es soll ein Labor im Stadtgebiet von Arnheim gegeben haben, in dem MDMA dann produziert wurde. Und zwar in “industriellen Mengen von mehreren Kilogramm”.
Der Staatsanwalt weiter: Für den Transport wurden entleerte 3-Liter-Flaschen “Moët & Chandon Ice Imperial” befüllt. Die Flaschen beschaffte der Mittäter Jacobus van den B. (inzwischen verstorben). Die Aufgabe von Theo sei es gewesen, die Flaschen aufzubewahren. Er mietete dazu laut Anklage eine Lagerbox im “Multistorage Arnhem” an. Er selbst sollte sie später per Flugzeug zu Abnehmern ins Ausland bringen.
Im Herbst 2019 soll Theo G. mit anderen Mittätern mindestens 20 solcher Flaschen im “Multistorage” deponiert haben. Sechs davon konnten seit dem Todesfall in Weiden sichergestellt werden. “Sie enthielten 5620 Gramm MDMA-Base”, so Staatsanwalt May. Der Angeklagte sollte einen Gewinn von rund 50.000 Euro erhalten.
Offenbar hatte keiner mit Lagerverwalter Patrick B. gerechnet: Der Betreiber des “Multistorage” soll die Flaschen gestohlen haben. In der Annahme, es handle sich um Champagner, verkaufte er die Doppel-Magnums auf der Internetplattform “marktplaats.nl”. Der Diebstahl soll sich schon einen oder zwei Tage nach der Einlagerung ereignet haben.
Die Flasche, die am Ende in Weiden landete, ging durch mehrere Hände. Zunächst kaufte sie ein Niederländer und vertickte sie weiter nach Deutschland. Am 8. Mai 2021 ersteigerte sie ein Oberpfälzer auf eBay. Der Mann aus dem Raum Weiden verkaufte sie im Februar 2022 an eine Bar in der Weidener Altstadt.
Am 13. Februar 2022 gegen 0.15 Uhr wurde die Flasche bei einer Feier ausgeschenkt. “Wie auch sämtliche Zeugen zuvor, erkannte keine der involvierten Personen, insbesondere auch nicht die acht Geschädigten, dass diese statt Champagner hoch konzentriertes, verflüssigtes MDMA enthielt”, so Staatsanwalt May.
Der Staatsanwalt zählt die Namen der acht Geschädigten auf: zunächst Harald Z., der gegen 2.18 Uhr im Klinikum Weiden starb. Es folgen die Namen der sieben Männer und Frauen, die in Folge des Konsums schwere Intoxikationen erlitten. May spricht von Herzrasen, Übelkeit, Ohnmacht, schweren Krampfanfällen.
[13.50 Uhr] Theo G. gibt seine Personalien an. Er ist 1979 in Arnheim geboren. Als letzte Wohnadresse nennt er eine Anschrift in der Innenstadt von Arnheim (170.000 Einwohner). Er sei Eisverkäufer von Beruf, aber auch Verkäufer von Cannabis – letzteres aber in Thailand.
[13.45 Uhr] Zunächst geht es um Ermittlungsakten, die noch aus den Niederlanden eingegangen sind. Sie betreffen unter anderem den inzwischen verstorbenen Mann, der 2018 die Champagnerflaschen besorgt haben soll, die man entleerte und mit MDMA-Base befüllte. Es geht auch um einen Aufgriff im gleichen Gebäude in Arnheim 2020. Damals waren 662 Kilogramm Crystal sichergestellt worden. Laut Staatsanwalt May hat dieser Fall mit den MDMA-Flaschen aber nichts zu tun.
[13.45 Uhr] Zwei Anwälte beantragen die Nebenklage. Der Weidener Anwalt Oliver Mattes vertritt eine Geschädigte aus Weiden, Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn die Witwe des getöteten Restaurantgastes.
[13.30 Uhr] Der Angeklagte Theo G. wird von Polizeibeamten aus der Zelle des Gerichts in den Sitzungssaal geführt, ein großer, schlanker Mann mit welligem, längerem Haar. Neben ihm sitzt eine Dolmetscherin für Niederländisch, aber er möchte auf Englisch teilnehmen. Seit anderthalb Jahren sitze er in Untersuchungshaft und müsse sich auf Englisch ausdrücken, auch Deutsch habe er inzwischen ein wenig gelernt. Neben ihm haben seine Verteidiger Philip Müller und Dr. Alexander Stevens Platz genommen.
[13 Uhr] Der Sitzungssaal wird geöffnet und innerhalb kürzester Zeit sind fast alle der 50 Plätze besetzt. Die ersten zwei Reihen sind Medienvertretern vorbehalten. In den Reihen 3 und 4 sitzen Zuhörer. Unter ihnen sind Angehörige des Angeklagten, eine Frau weint. In 30 Minuten soll der Prozess gegen Theo G. beginnen.
[12.30 Uhr] Die ersten Zuschauer warten vor dem Sitzungssaal 126, außerdem Vertreter von Medien. Matthias Bauer gibt als Sprecher der Justiz erste Interviews.
[4. Dezember 2025, 8.30 Uhr] Landgericht Weiden. Der Prozessbeginn (heute, 13.30 Uhr) trifft mit einer Renovierung des Justizgebäudes zusammen. Seit Tagen wird auf den Gängen tapeziert und gemalert. Das Gericht war bis kurz vor Prozessbeginn eine reine Baustelle. Aus diesem Grund kann auch der Schwurgerichtssaal nicht genutzt werden. Der Prozess startet im vergleichsweise kleinen Sitzungssaal 126 mit rund 50 Plätzen. Es wird eng.
Der Prozess ist öffentlich – und das Interesse groß. Viele Besucher wollen vielleicht einfach nur True-Crime-Anwalt Dr. Alexander Stevens erleben. Er ist einer der Anwälte von Theo G. und will ein Opening-Statement halten.
Für Medienvertreter ist im Erdgeschoss ein eigener Raum eingerichtet worden. Auch hier ist die Nachfrage groß. Der Bayerische Rundfunk hat für einen Übertragungswagen angefragt. Niederländische Medien wollen anreisen. Es gibt einen Parallelfall in Rotterdam, wo an Silvester 2019/20 eine Flasche der gleichen Charge geöffnet wurde. Auch hier erlitten Gäste Vergiftungen.
Landgerichtssprecher Florian Bauer fällt für Auskünfte aus: Er sitzt selbst als Richter in der 1. großen Strafkammer. Vorsitzender ist Peter Werner, Berichterstatterin ist Richterin Vera Höcht. Die Staatsanwaltschaft wird von Staatsanwalt Christoph-Alexander May vertreten. Außerdem gehören zwei Schöffen zur Strafkammer.
Das Dossier: Alles über den Champagner-Fall

Gift statt Champagner: Prozess gegen Niederländer Theo G. (46) vor Landgericht Weiden beginnt
Weiden. In einer Woche beginnt am Landgericht Weiden der Prozess gegen Theo G. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Niederländer (46) fahrlässige Tötung vor. Von ihm soll die Flasche "Moët & Chandon" stammen, die statt Champagner hochkonzentriertes MDMA enthielt. 2022 starb ein Restaurantbesucher in Weiden.

Tödlicher Champagner: Anwalt Dr. Alexander Stevens plaudert im Podcast über Prozess
Weiden. Ein ungewöhnlicher Prozess - schon im Vorfeld. Der Anwalt des Niederländers, der ab Donnerstag im Champagner-Fall vor Gericht steht, hat in seinem Podcast über die Verteidigung geplaudert. Dr. Alexander Stevens betreibt mit Moderatorin Jacqueline Bell "True Crime 187".

Wie ein Schluck Champagner ein komplettes Leben verändert hat
Weiden. Sie ist – außer dem verstorbenen Mann – das wohl am härtesten betroffene Opfer des Champagner-Unglücks im La Vita vor zwei Jahren: Carola Potrz.



















