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Kripo warnt Eltern: Pädophile machen sich über Chats an Kinder heran - Massenphänomen

Weiden. Viele Eltern merken nichts, bis die Polizei mit Nacktaufnahmen vor der Tür steht. Die Kripo Weiden warnt eindringlich vor "Chat & Crime". Tagtäglich fallen Kinder und Jugendliche über harmlose Apps auf Pädophile herein - auch in Oberpfälzer Kinderzimmern.

Kripo warnt Eltern: Pädophile machen sich über Chats an Kinder heran - Massenphänomen

So harmlos fängt es an. Ein Original-Chatbeispiel. Foto: Polizeipräsidium Oberpfalz

Zwei Beamte der Kripo Weiden sind mittlerweile ausschließlich mit dem Phänomen “Chat & Crime” befasst, schätzt Kommissariatsleiter Thomas Mikolei. Sprich: Mit Erwachsenen, die sich als Gleichaltrige ausgeben, und Kinder zu Nacktfotos und Sexvideos vor der Kamera überreden. Zuständig bei der Kripo ist das Kommissariat 1, das Verstöße gegen das Leben, Sexualdelikte und Brände bearbeitet.

“Das Problem ist die Masse. Die Kollegen sehen kein Ende.” In einer Pressekonferenz appelliert Kripochef Andreas Schieder dringend an Eltern, ihre Kinder im Internet nicht allein zu lassen. Es beginnt immer ganz harmlos. Die Kinder sehen Filme auf Youtube, sie sind auf Spieleplattformen wie Roblox und Fortnite unterwegs oder laden sich Snapchat und Tiktok aufs Handy.

Meldungen kommen aus den USA

Es geht durch alle Plattformen, sagt Kriminalhauptkommissarin Petra Frauendorfer, Leitern des Arbeitsbereichs Kinderpornografie. “Sobald man Chatten kann, ist die Gefahr da.” Die Täter sind überall da, wo Kinder gerne sind. Im Lauf der Unterhaltung werden Handynummern getauscht, es wird zu WhatsApp und Skype gewechselt. “Dann nimmt es die Wendung.”

Seit einiger Zeit wird die Kriminalpolizei – zuständig für die Landkreise Neustadt/WN und Tirschenreuth sowie die Stadt Weiden – regelrecht geflutet mit Fällen. Die Vorgänge kommen aus Amerika, wo die Server der Anbieter stehen. Aus den USA meldet das NCMEC (National Center for Missing & Exploited Children” strafbares Material an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiter. Die IP-Adresse wird ermittelt. “Dann schauen wir in die Haushalte rein.”

Die Eltern sind komplett überrascht, wenn wir mit Nacktaufnahmen vor der Tür stehen und fragen: Ist das ihr Kind?

Kriminalhauptkommisarin Petra Frauendorfer

Wenn die Kripo-Beamten vor der Tür stehen, erwischt das die Eltern eiskalt: “Die Eltern sind komplett überrascht, wenn wir mit Nacktaufnahmen vor der Tür stehen und fragen: Ist das ihr Kind?”

Polizeihauptkommissar Michael Zaschka, Sachbereich Einsatz, hat für den Pressetermin einen Original-Chat dabei: Er zeigt ein Fallbeispiel aus 2021, bei dem der Täter (Mitte 40) per Instagram Kontakt zu jungen Mädchen suchte. Er gibt sich als 14-jährige “Melanie” aus Regensburg aus. Die Unterhaltung beginnt komplett harmlos: “Sry dass ich schreib, deine Bilder sind cool. Du bist voll hübsch.” Zehn Zeilen später kommt die Frage: “Hast du einen Freund. Schon geküsst?” Und schließlich: “Kann ich dich was fragen unter Mädels, kannst du dich untenrum ausziehen, wollen wir vergleichen.”

OTH Amberg-Weiden
OTH Amberg-Weiden

“So geht das tagtäglich in allen Foren”, berichtet Kommissarin Petra Frauendorfer. Die Kinder schicken 20, gar 40 Fotos und Videos. Die Ermittlerin berichtet von Aufnahmen, in denen sich Kinder abmühen, das Tablet zwischen die Beine zu bekommen. “Die Kinder machen alles.” Und die Täter “fahren alles auf, was an manipulativem Verhalten möglich ist”.

Wöchentliche Durchsuchungen in allen Bevölkerungsgruppen

Wöchentlich (!) durchsuchen seine Kollegen bei Beschuldigten, sagt Kommissariatsleiter Mikolei. Die Täter sind ein Querschnitt durch die Bevölkerung: Arzt, Manager, Gleisbauer, Reinigungskraft, Rentner.

Dabei werden irre Datenmengen sichergestellt. “Bei einer Menge von 10.000 Fotos wundern wir uns noch gar nicht.” Wichtiger Partner ist die digitale Forensik der Kriminalpolizei Weiden. Letztlich muss das K1 jedes Foto kontrollieren. Man will ausschließen, dass im Haushalt nicht auch ein realer Missbrauch stattfindet (“hands on”). “Wir lassen nichts liegen. Es darf nicht passieren, dass der Onkel die Nichte noch ein Dreivierteljahr länger anschaut, weil wir das 11.001 Foto nicht mehr angesehen haben”, sagt Kriminaloberrat Schieder, der um die große Belastung seiner Mannschaft weiß.

Präventionsbeamtin: Eltern komplett ahnungslos

Am Ende kommt Kriminalhauptkommissarin Gloria Görner-Degasperi ins Spiel. Sie ist Präventionsbeamtin. Ihr dringender Appell gilt Eltern: “Bleiben Sie wachsam, jeder kann betroffen sein.” Wichtig sei es, mit den Kindern und Jugendlichen alterskonform zu sprechen und sie für die Gefahren zu sensibilisieren. Leider stoße sie mit ihren Elternabenden nicht unbedingt auf überbordendes Interesse. Sie hat schon Elternabende wegen zu geringer Teilnehmerzahl abgesagt. In einer Realschule der Region mit 800 Schülern kamen kürzlich 60 Eltern – “und die meisten waren doppelt”.

In einem Telefonat empörte sich eine Mutter nach einem Präventionsbesuch von Gloria Görner-Degasperi, dass ihre Tochter in der fünften Klasse mit einem solchen Thema konfrontiert werde. “Viele Eltern kriegen gar nicht mit, was ihre Kinder schon so alles mitbekommen.” Fragt sie dagegen in den Klassen, hat sie noch nie erlebt, dass keiner der Schüler mit Kinderpornografie konfrontiert war. “Es melden sich immer welche.”

Von einem generellen Verbot für Social Medias für Unter-16-Jährige hält die Kommissarin nichts: “Damit werden die Kinder auf eine Weise zu Tätern gemacht, nach dem Motto: Ihr habt euch das verbotene Snapchat heruntergeladen.” Aus ihrer Sicht ist es Sache der Eltern, regulierend einzugreifen.

Von links: EKHK Thomas Mikolei, KHK Petra Frauendorfer, KHK Gloria Görner-Degasperi, KOR Andreas Schieder. Foto: Christine Ascherl
Kriminaloberrat Andreas Schieder, Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Weiden. Foto: Christine Ascherl
Erster Kriminalhauptkommissar Thomas Mikolei, Leiter des Kommissariats 1. Foto: Christine Ascherl
Kriminalhauptkommissarin Petra Frauendorfer, Leiterin des Arbeitsbereichs Kinderpornografie. Foto: Christine Ascherl
Polizeihauptkommissar Michael Zaschka. Foto: Christine Ascherl