Wegen Titelmissbrauch vor Amtsgericht Tirschenreuth - Transfrau droht erneut Haft

Wegen Titelmissbrauch vor Amtsgericht Tirschenreuth - Transfrau droht erneut Haft
Vor vier Jahren hatte das Landgericht Weiden die Frau zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt, weil sie unter vier Identitäten Kranken- und Arbeitslosengeld kassiert hatte. Schaden: rund 208.000 Euro. Die damals 52-Jährige, zu dieser Zeit wohnhaft im Landkreis Tirschenreuth, musste dafür ins Gefängnis.
Es gab dabei ein seltenes Problem: Sie ist 1969 in Wien als Mann geboren, seit 2015 aber offiziell eine Frau. In Österreich ist es möglich, den Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde zu ändern. Zum Zeitpunkt der Inhaftierung war sie körperlich noch ein Mann, mit implantierten Brüsten, und in den Papieren schon eine Frau. Also in welche JVA?
Die Untersuchungshaft erfolgte in Weiden im (Männer-)Gefängnis. Zu Strafverbüßung kam sie nach Aichach, in den Frauenknast. Im Nachhall rechnete sie öffentlich mit den Behörden ab. Auf ihrer Homepage www.jva-aichach.de beschwerte sie sich über “menschenunwürdiges Verhalten der Justiz gegen transsexuelle Vollzugsteilnehmer”. Die Story über die “Transfrau im Männerknast” kam an. Überregionale Medien sprangen auf, FAZ, Augsburger Allgemeine, auch die Süddeutsche (“Gefangen als Mann”) berichtete. Zitat: “Mit einem weiblichen Eintrag im Pass und einem Penis in der Hose ist die Justiz überfordert.”
Schon zweimal wegen Titelmissbrauch angeklagt
Für die Berichterstattung über die Probleme von Transmenschen hat man sich dabei möglicherweise eine fragwürdige Person ausgesucht. Die 56-Jährige war schon 2016 vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen Titelmissbrauchs verurteilt worden, damals hatte man bei einer Hausdurchsuchung eine gefälschte Promotionsurkunde gefunden. 2021 erfolgte die Verurteilung am Amtsgericht Weiden wegen Betrugs und Titelmissbrauchs.
Und auch danach soll sich die Angeklagte mit dem falschen Doktor-Titel geschmückt haben – und zwar ausgerechnet auf der Website, auf der sie die Versäumnisse der Justiz anprangert. “Dabei stellte sie sich als promovierte Psychologin und Diplom-Sozialpädagogin dar, obwohl sie diese akademischen Grade nicht erlangt hat”, so Staatsanwalt Matthias Bauer in seiner Anklage.
Staatsanwalt von heute ist der Richter von damals
Der Landgerichtsbezirk Weiden ist nicht groß – und so war es Matthias Bauer selbst, der 2021 das Urteil geschrieben hatte. Der Staatsanwalt war zu dieser Zeit Richter am Landgericht. Er erinnert sich noch “sehr genau”, dass die Angeklagte zum Lebenslauf angab, nach der Hauptschule eine Elektrolehre gemacht zu haben. Schon damals fragte Bauer nach dem angeblichen Doktortitel, schon damals blieb die Angeklagte eine Antwort schuldig.
So ist es auch am Montag vor dem Amtsgericht Tirschenreuth. “Es müsste doch ein leichtes sein zu sagen, über was und wo man promoviert hat und bei welchem Doktorvater”, so Staatsanwalt Bauer: “Dann kriegen Sie einen Freispruch und alles ist gut.”
Es gibt einen weiteren Verhandlungstermin
Die Angeklagte, ganz in Weiß mit Perücke und Perlenkette, will dazu nichts sagen. Ihr Anwalt Felix Hägele stellt in Aussicht, dass man sämtliche Dienstaufsichtsbeschwerden zurückziehen und die Homepage aufgeben würde, wenn das Verfahren eingestellt wird.
Ein solcher Deal kommt nicht zustande. Die Staatsanwaltschaft zeigt “keinerlei Bereitschaft”, das Verfahren zu beenden. Am Ende erteilt Richter Markus Fillinger den Ermittlungsauftrag, im deutschsprachigen Raum nach der Dissertation zu suchen. Findet sich in den Nationalbibliotheken keine Doktorarbeit, könnte die 56-Jährige verurteilt werden. Dann könnte es für Annemarie H. tatsächlich eng werden: Eine Geldstrafe hält Fillinger “für kaum mehr begründbar”, da die Bewährung noch lief.
“Veterinärmedizinische Behandlung” in JVA Aichach
Sprich: Es ist denkbar, dass es erneut zur Situation kommt, dass ein Gefängnis die Frau als Häftling beherbergen müsste. In Aichach wäre der Konflikt vorprogrammiert. Zum Gerichtstermin am Montag schiebt die 56-Jährige einen Rollator vor sich her. Sie könne keine längeren Strecken mehr gehen. Schuld daran sei die “veterinärmedizinischen Behandlung”, die sie in der JVA Aichach erfahren habe. Möglicherweise haben sich die Zuständigkeiten aber inzwischen verschoben: Die 56-Jährige gibt ihren aktuellen Wohnsitz mit Berlin an.
Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.




