[Live-Ticker] 3. Tag im Champagner-Prozess: Freundesclique sagt aus - schwere Folgeschäden
[Live-Ticker] 3. Tag im Champagner-Prozess: Freundesclique sagt aus - schwere Folgeschäden
[10.10 Uhr] Nicole Bock tritt in den Zeugenstand. Die 46-jährige Unternehmerin aus Weiden gehörte zur Clique, die sich damals im „La Vita“ zum Feiern traf. Sie schildert die Stimmung damals: Corona war gerade vorbei, „wir waren froh“, gleichzeitig wollte man den TV-Auftritt von Freund Markus G. feiern. Kurz nach Mitternacht wurde die bestellte Moet-Flasche geöffnet, gerade, als Markus G. in der Sendung „einlief“. „Wir stießen auf ihn an.“ In Sekunden habe sich die Wirkung gezeigt: Herzrasen, Zittern.
Auch sie ging sofort in den Toilettenraum. Auch sie erbrach sich absichtlich. Dann hielt sie sich am Fenstergriff fest, sank auf einen Stuhl. Hände und Beine wurden taub. Sie hörte Stimmen, sah Lichter. Eine Freundin schrie sie an: „Was habt ihr getrunken?“ Nicole Bock antwortete: „Champagner.“ Dann rutschte sie zu Boden.
[10 Uhr] Eine Zeugin, die letzte Woche nicht erschienen war, wird zwischengeschoben. Die 22-Jährige ist eine Auszubildende aus Weiden, die in der Tatnacht im „La Vita“ als Bedienung jobbte. Sie kann nicht viel Neues beitragen. Sie ließ sich damals relativ rasch von ihrem Vater abholen.
[9.40 Uhr] Verhandlung unterbrochen. Die nächste Zeugin wird ab 10 Uhr angehört, ist aber schon im Justizgebäude. Nicole Bock aus Weiden feierte damals mit der Clique den Fernsehauftritt von Markus G.
Videos zeigen Akt des Eingießens
[9.20 Uhr] Im Gericht werden vier Videos gezeigt, aufgenommen von dem Mechatroniker aus dem Bayerischen Wald. Sie zeigen, wie der Barkeeper den Korken der Doppel-Magnum aufschneidet und dreht. Daneben stehen schon pinke Acryl-Gläser bereit, in die der vermeintliche „Imperial Ice“ eingegossen wird. Anwalt Philip Müller wirft ein: „Da sieht man schon die dunkle Farbe.“
Weitere Videoschnipsel zeigen die Szene im Lokal. Über der Theke läuft der Fernseher mit der Dating-Show „Take me out“. Auf den Tischen stehen jede Menge Aperol-Spritz-Gläser. Kandidat Markus G. trinkt entspannt, im Hintergrund hört man eine Frau fröhlich johlen.
Guter Freund des Verstorbenen schildert Überlebenskampf
[9 Uhr] Vorsitzender Richter Peter Werner eröffnet die Sitzung. Erster Zeuge ist ein Mechatroniker aus dem Bayerischen Wald. Er ist seit 20 Jahren mit Markus G. befreundet, der damals seinen Take-me-out-Auftritt feiern wollte. Eine Woche vorher sei der Entschluss gefallen, im „La Vita“ zu feiern. Die Runde bestand aus guten Freunden, darunter dem verstorbenen Harry Z. und einigen befreundeten Frauen. „Wir saßen auf zwei Tische verteilt und haben getrunken.“ Er erinnert sich an drei, vier Aperol Spritz.
Kurz vor Mitternacht sei vom Barkeeper die Flasche geöffnet worden. Die Restaurantleiterin reichte die Gläser an die Gäste. „Und dann hat der Horror begonnen.“
„Man hat geschmeckt, dass da irgendwas drin ist. Aber man kann das ja nicht rückgängig machen, wenn getrunken hat. Auch Markus sagte: Da ist was drin.“ Er selbst sei sofort zur Toilette gelaufen und habe versucht, sich zu erbrechen, was nicht funktionierte.
Der Mechatroniker beschreibt die Wirkung der flüssigen MDMA-Base (Wirkstoff von Ecstasy): „Wenn man den Schluck nimmt, dann dauert das keine Sekunde. Und man ist in einer ganz anderen Welt. Man hört Stimmen. Man hat Wahnvorstellungen, hat einen Tunnelblick, sieht nicht mehr so.“ Er sei „schockiert und enttäuscht gewesen, dass uns jemand vergiften wollte“. Der ganze Körper habe begonnen zu zittern. „Ein ganz schlimmes Gefühl.“
Auch Markus G., der ihm zur Toilette nachkam, sei es „gar nicht gut“ gegangen. „Er hat geschrien, er hat gezittert.“ Er habe versucht, den Kumpel zu beruhigen. Dem Freund gelang es, sich ins Waschbecken zu übergeben. „Das hat ihm vielleicht das Leben gerettet.“ Auch Harry Z. kam in den Waschraum. „Er sagte: Was war das denn?“
Er habe damit gerechnet zu sterben. Ein Unbekannter brachte ihn aus dem Waschraum in die Fußgängerhone ins Freie. Draußen sah er dann, wie sein Freund Harry auf einer Trage vorbeigetragen wurde. Er selbst wurde vom Sanka nach Tirschenreuth gebracht. „Wieso?“, fragt Richter Werner. „Das wüsste ich auch gern“, sagt der Zeuge. Dort habe es damals noch eine Intensivstation gegeben. „Es ist ein Wunder, dass ich überhaupt überlebt habe.“
Seine Erinnerung setzt erst wieder am nächsten Morgen ein, als sein Vater und sein Bruder am Krankenbett saßen. Der Mechatroniker blieb drei Tage im Krankenhaus. Auch er leidet heute noch an den Folgen: Er habe Wahnvorstellungen und könne nur drei, vier Stunden pro Nacht schlafen. Auch einen Tinnitus führt er auch die MDMA-Vergiftung zurück.
Prozessbeginn ist um 9 Uhr. Am heutigen dritten Prozesstag gegen den Niederländer Theo G. werden sechs Zeugen erwartet. Es handelt sich dabei um die Clique, die den Fernsehauftritt ihres Freundes Markus G. in der Sendung „Take me out“ feierte und die Drei-Liter-Flasche Champagner geordert hatte. Unter den heutigen Zeugen ist auch die am schwersten betroffene Geschädigte, die Weidener Krankenschwester Carola Potrz.
Der bisherige Verlauf des Verfahrens:
Bisher nahm der Angeklagte die Verhandlung recht gelassen, am ersten Tag hatte er sich als Party-Guy beschrieben. Der 46-Jährige ist ehemaliger Festival-Veranstalter, hat Kontakt zu den „Reichen und Schönen“ auf Ibiza und anderen Stränden der Welt. Drogen gehörten dazu, wie er freimütig einräumt. Verkauft habe er diese nie, aber „vermittelt“. Er streitet ab, dass die Flasche ihm gehört. Sie war Teil einer Charge von 20 ausgeleerten Moet-Imperial-Ice-Flaschen, in die MDMA-Base zum Drogenschmuggel gefüllt war. Theo G. sagt, er habe lediglich im gleichen Lager in Arnheim eine Box für sein Festival-Equipment gemietet gehabt. Zur Formulierung „sein Champagner“ sei es gekommen, weil er die Story von den geklauten Flaschen weitererzählt hatte.
Der Niederländer hat als Verteidiger zwei Münchner Anwälte: zum einen Philip Müller (Sohn von Schauspielerin Gisela Schneeberger), zum anderen True-Crime-Podcaster und TV-Anwalt Alexander Stevens. Die für sie interessanten Zeugen aus den Niederlanden werden im neuen Jahr erwartet, erstmals am 15. Januar. Ab Ende Januar werden auch die polizeilichen Zeugen befragt: Die Ermittlungen hatte das Zollfahndungsamt München (Dienstsitz Weiden) unter Regie der Staatsanwaltschaft Weiden in Kooperation mit niederländischen Ermittlern geführt. Bisher wurden die Gäste und Beschäftigten des Restaurants La Vita angehört. Sie schilderten eine Horror-Nacht.
Die bisherigen Prozesstage

Gäste und Mitarbeiter im Champagner-Prozess: Es war wie ein schlechter Horror-Film
Weiden. Gäste und Mitarbeiterin schildern die Horror-Nacht im "La Vita" im Februar 2022. Von einer Sekunde zur nächsten kippte die Stimmung. Aus fröhlich Feiernden wurden "Zombies" mit Schaum vor dem Mund, die zu Boden sanken. "Es war wie ein schlechter Horrorfilm", sagt ein städtischer Mitarbeiter, zufällig Gast und Ersthelfer.

Erster Prozesstag: Theo G. beschreibt sich als party guy
“I’m a party guy!” Zum Prozessauftakt wegen des tödlichen “Champagners” hat der Angeklagte aus seinem Leben erzählt. Es geht sehr viel um Partys, Festivals und Drogen. Einen Bezug zu der Flasche streitet er ab.






